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  4. Irlands Premier Varadkar zum Brexit: Wir wissen, wofür die EU gut ist

Meinung Irlands Premier zum Brexit

Wir wissen jetzt, wofür die EU gut ist

Zum Abschied singen die Mitglieder im EU-Parlament

„Bye bye UK.“ Nun ist es besiegelt. Das Europaparlament hat dem Scheidungsvertrag zugestimmt. Am Freitag wird Großbritannien die EU nach 47 Jahren verlassen. Einige Abgeordnete verabschieden sich ungewöhnlich.

Quelle: WELT

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Großbritannien verlässt die EU – Irland bleibt. Premierminister Varadkar schreibt im Gastbeitrag, warum der Staatenverbund gerade für kleine Länder wie seines ein Garant für Schutz und Respekt ist. Die Tür für eine Rückkehr der Briten bleibe offen.

Die Worte Schillers und die Musik Beethovens drücken wohl am besten die Ideale eines vereinten Europas aus – Freiheit, Frieden und Solidarität. Sie verkünden unsere gemeinsamen Werte und unsere Einheit bei aller Verschiedenheit. Sie lassen uns verstehen, dass beständige Freundschaft menschliche Schwäche überwinden kann und uns hilft, Größeres zu erreichen.

Das Vereinigte Königreich verlässt nun die Europäische Union. Mich bewegt, wie sehr wir bei diesem Prozess in den vergangenen Jahren die tatsächliche Wirkmacht einer beständigen, belastbaren Freundschaft gespürt haben. Eine Freundschaft, die Europa Frieden, Versöhnung und Wohlstand gebracht hat, hat auch den Frieden in Irland beschützt, als wir durch die erste schwierige Brexit-Phase gingen. Im Namen der Bürger Irlands möchte ich unseren europäischen Freunden dafür Danke sagen.

Irlands Premierminister Leo Varadkar
Irlands Premierminister Leo Varadkar
Quelle: pa/NurPhoto/Nicolas Economou

In den vergangenen zweieinhalb Jahren bin ich durch Europa gereist. Ich habe mit Amtskollegen den Brexit diskutiert und die Herausforderungen, die er für die Irische Insel bedeutet. Ich werde die Reaktion der Menschen, denen ich begegnet bin, nicht vergessen – die Reaktion derer, die fragten, wie sich der Brexit entwickelt und was er für mein Land bedeutet; die Reaktion derer, die sich um den Frieden auf der Irischen Insel sorgten; die Freundlichkeit jener, die unsere Sorgen teilten und uns alles Gute wünschten. Ich war beeindruckt von diesem großzügigen Geist, vom Beweis in jeder europäischen Stadt, dass übernationale Interessen eine enge nationale Sichtweise ersetzen können.

Heute möchte ich mich bei meinen europäischen Amtskollegen bedanken, bei den Menschen in den EU-Mitgliedstaaten und im Europäischen Parlament, dass sie die irischen Sorgen zu ihren eigenen gemacht haben. Dass sie an unserer Seite standen, um ein Abkommen zu erreichen, das den hart gewonnen Frieden auf der Irischen Insel bewahrt. Danke an alle Europäer, die unsere Ängste verstanden und sich unsere Hoffnungen zu Herzen nahmen. Europas Einheit war ein Traum und wurde Realität. Die Solidarität und bleibende Freundschaft, die wir in den vergangenen drei Jahren erfahren haben, sind ein weiterer Beweis, dass dieser Traum von Dauer ist, allen Widrigkeiten trotzen kann und durch Prüfungen nur noch gestärkt wird.

Als Irlands Premierminister habe ich die Stärke und Einheit der Europäischen Union erlebt. Ich habe gesehen, wie viel wir erreichen können, wenn alle 27 Mitglieder gemeinsam denken, gemeinsam arbeiten und gemeinsame Ziele haben. Wenn Europa einig ist und gemeinsam handelt, dann ist es wahrhaftig ein großer Machtfaktor für das Gute in der Welt. Gemeinsam stehen wir zusammen, gespalten fallen wir.

Der Zusammenhalt, den wir in den vergangenen Jahren gesehen haben, sollte uns für die Zukunft leiten. Weil er bestätigt, was Europa erreichen kann, wenn es zusammensteht. Dieses Wissen, diese Erfahrung sollten wir uns auch in Verhandlungen über andere Dinge in der Zukunft zu Herzen nehmen. Der nächste Schritt ist nun die Verhandlung eines Freihandelsabkommens zwischen der EU inklusive Irland und dem Vereinigten Königreich, das Jobs, Unternehmen, ländliche und Küstenregionen und unsere gesamte Wirtschaft schützt. Ich freue mich darauf.

„Großbritannien, was soll deine Midlifecrisis eigentlich?“

Unsere Kolumnistin Mareike Froitzheim ist maßlos enttäuscht von Großbritannien, denn es hat ihr Selbstverständnis der Welt zerstört. Das Land vergeigt seine Zukunft und seine Selbstfindungsphase ist schlechter, als die Charakterentwicklung der letzten Staffel Game of Thrones.

Quelle: WELT/Mareike Froitzheim

An diesem Punkt müssen wir über die Zukunft Europas nachdenken. Für die jungen Menschen heute sind der Horror der Weltkriege und das Böse des Faschismus nicht Teil ihrer Erinnerung. Für sie muss Europa ein neues Projekt haben, eine neue raison d'être. Ich bin überzeugt, dass diese neue raison d'être darin besteht, Herausforderungen durch kollektives, multilaterales Handeln gemeinsam anzunehmen. Klimaschutz ist dabei die erste Herausforderung.

Andere solche Themen sind Sicherheit, Migration und die Regulierung von Großunternehmen, von denen manche bereits größer sind als ganze Staaten. Als Regierungschef eines kleinen Landes habe ich die enorme Solidarität der europäischen Partner erfahren. Manchmal denken Bürger in kleinen Staaten, dass sie in großen Organisationen wie der EU einfach verschluckt werden. Die vergangenen Jahre aber haben nun erneut bewiesen, dass die EU eine Union der Nationen und der Menschen ist – eine Union, in der kleine Staaten geschützt und respektiert werden.

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Ich bedauere es zutiefst, dass das Vereinigte Königreich die EU verlässt, aber ich respektiere diese Entscheidung absolut. Was auch immer geschieht, ich hoffe, dass die Tür immer offen steht, sollte es jemals entscheiden, zurückkehren zu wollen. Und ich bin sicher, gleichgültig was kommt, dass wir – Irland und die gesamte EU – mit dem Vereinigten Königreich eine feste Freundschaft weiter pflegen werden, eine wirkliche Partnerschaft, sei es in der Politik, der gemeinsamen Sicherheit oder der Wirtschaft.

Als Irland und als Europa haben wir unsere Ziele erreicht. Die Bürgerrechte sind für EU-Bürger im Vereinigten Königreich und für britische Bürger in der EU gewahrt. Es gibt eine Übereinkunft über Finanzfragen. Auf der Irischen Insel wird es keine harte Grenze geben. Die gesamtirische Wirtschaft wird sich weiter entwickeln, und die Nord-Süd-Zusammenarbeit kann fortblühen, wie im Karfreitagsabkommen vorgesehen. Wir haben die Einheit des gemeinsamen europäischen Marktes gesichert, und auch unseren Platz in ihm.

Für dieses Ergebnis haben beide Seiten Flexibilität gezeigt und Kompromisswilligkeit bewiesen. Wir alle sind über unseren Schatten gesprungen, wir haben einander vertraut. Das, glaube ich, ist ein gutes Omen für die nächste Phase der Verhandlungen, für unsere künftigen Beziehungen und für die Zukunft als Ganzes. Es zeigt, dass der inspirierende Text der „Europahymne“ für uns im 21. Jahrhundert Wirklichkeit geworden ist.

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Während weitgehend der Eindruck vorherrscht, mit dem Austritt am 31. Januar sei das Brexit-Problem erledigt, prognostiziert Rogers das genaue Gegenteil. Er warnt: „Viele vom rechten Flügel der Tory- Party wollen nach wie vor einen ,No Deal‘.“

Quelle: WELT

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