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Helikopter-Eltern : So macht zwanghafte Erziehung Kinder zu Weicheiern
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Colourbox.de Überbesorgte Eltern kreisen wie ein Helikopter über ihren Kindern und nehmen ihnen alles ab

Helikopter-Eltern versuchen, in jeder Situation „das Beste“ aus ihren Kindern herauszuholen. Dazu kontrollieren sie das Leben ihrer Schützlinge bis ins kleinste Detail. Welche Typen von Helikopter-Eltern es gibt und welche Folgen ihr Erziehungsstil haben wird, erklärt FOCUS Online.

„Der Kindergeburtstag mit Topfschlagen ist sowas von passé. Da fehlt der pädagogische Mehrwert. Wie sollen wir denn so das Abitur mit 1,5 schaffen? Um uns in den Ingenieurs-Studiengang einzuschreiben? Und um später bei einem großen Industriekonzern unterzukommen?“, das fragen sich wohl Tausende Helikopter-Eltern täglich.

Aus Angst um die Zukunft ihrer Schützlinge steuern sie deren Leben bis ins kleinste Detail. Sie machen die Hausaufgaben für sie, entscheiden über „geeignete“ Spielsachen, das TV-Programm, später über die Studienwahl und den zwischenmenschlichen Umgang. Schulen fühlen sich sogar dazu veranlasst, Kiss-and-Go-Zonen wie am Flughafen einzurichten, damit Helikopter-Eltern ihre Kinder nicht auch noch bis ins Klassenzimmer begleiten.

Helikopter-Eltern: Transport-, Rettungs- und Kampfhubschrauber

Josef Kraus, Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, verfolgt mit Sorge die Entwicklung von fürsorglichen Erziehungsberechtigten hin zu kontrollierenden Helikopter-Eltern. Bei seinen Beobachtungen hat er eine Typologie herausgearbeitet: Er unterscheidet zwischen Transport-, Rettungs- und Kampfhubschraubern.

Die Transporthubschrauber sind die „Mama“- oder „Papa“-Taxis, die ihre Kinder überallhin chauffieren. Sie befürchten, dass auf dem Weg zum Fußballtraining oder zur Schule Katastrophen auf ihre Sprösslinge lauern könnten. Und halten es für sicherer, vor der Turnhalle oder Schule ein Verkehrschaos auszulösen.

Die Rettungshubschrauber möchten ihre Kinder vor Unannehmlichkeiten und Niederlagen bewahren. Sie bringen ihren Schützlingen den zu Hause liegengelassenen Turnbeutel direkt zum Sportunterricht. Oder eine kleine Portion Obst für die Nachmittagsstunden in die Schule.

Die Kampfhubschrauber gehen noch einen Schritt weiter: Sie setzen sich aktiv für den Erfolg ihres Kindes ein. Dazu gehört der Besuch jeder Elternkonferenz. Die Helikopter-Eltern beschweren sich über Lehrpläne, Disziplinarmaßnahmen, das Schulessen und vor allem die Notengebung. „Manche schreiben gleich ans Ministerium, auch wegen einer Drei im Diktat“, sagt Ilka Hoffmann von der Lehrergewerkschaft Erziehung und Wissenschaft.

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Warum kontrollieren Helikopter-Eltern ihre Kinder?

Nach Schätzung des Psychotherapeuten Martin Klett aus Freiburg tendieren rund 15 bis 20 Prozent der Eltern zu extremer Überbehütung. Ein Grund dafür sei die Sorge um die Zukunft der Kinder. Renate Schlüter, geschäftsführende Leiterin der Stuttgarter Grund- und Hauptschulen, sieht diese Sorge vor allem in Ein-Kind-Familien. Helikopter-Eltern hätten Angst "um ihr Wertvollstes", ihr einziges Kind.

Einen anderen Beweggrund haben berufstätige Eltern, deren Schützlinge auf eine Ganztagsschule gehen. In diesem Fall dient das Helikoptern als Ausgleichshandlung, vermuten Schulleiter. Dadurch, dass die Eltern den ganzen Tag nicht persönlich für ihre Kinder da sind, überschütten sie ihre Sprösslinge nach Feierabend mit Liebe und Fürsorglichkeit.

Spätfolgen: Gefährden Helikopter-Eltern die demokratische Gesellschaft?

In seinem Buch „Helikopter-Eltern“ schreibt Josef Kraus auch über die Folgen des Helikopterns. Helikopter-Eltern erziehen ihre Kinder zur Unselbstständigkeit und versuchen – übertrieben gesagt – das Schulsystem zu kontrollieren, um den Sprösslingen gute Noten zu sichern. „Besonders machtvoll werden Helikopter-Eltern, wenn sie sich zusammentun. Dann werden Elternabende zu Lobbyistenabenden, zu parlamentarischen Unterausschüssen, ja zu Inquisitionsveranstaltungen.“ Josef Kraus spricht wohl aus Erfahrung: Er leitet ein bayerisches Gymnasium.

Ginge das so weiter, würde sich auch unsere Gesellschaft wandeln. „Lebten in ihm eines Tages nur noch gedrillte, verwöhnte, verschonte und überbehütete Menschen, würde dieses demokratische Gemeinwesen nicht mehr funktionieren, weil dann die tragfähige Basis fehlte“, folgert Josef Kraus.

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25.03.19, 14:04 | Tom Raker

Überbehütung und Profilneurosen

Sie sind allgegenwärtig, diese Mamas (meistens sind es ja vorreitend die Mütter)erkennt man an ihrem taffen Auftreten, im Bulli sitzend oder an der KiTa stehend. Selbst erlebt: Eine Mutter, die an Karneval beim Umzug alles um sich herum beiseite schob, damit ihr Kind ungestört Bonbons sammeln konnte - echt schon grenzwertig, wenn nicht drüber... Ich befürchte nur, dass jene Leute es selbst nicht merken und extrem überzeugt von deren Art sind. eine Mutter brachte einmal zu einem Fussballturnier einen fertigen TK-Kuchen mit. Alle anderen Supermamas, für die derartiges Gebäck undenkibar ist und moralisch scheinbar verwerflich, hatten natürlich Selbstgebackenes dabei, so als ob man sich gegenseitig übertrumpfen wollte. Unsere "Kinder" sind mittlerw. größer und ich betrachte das nur grinsend ;)

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17.10.17, 12:37 | Jens Herbert

Liebe Angsthaseneltern

Lasst eure Kinder einfach mal machen und traut ihnen was zu. Ihr werdet erstaunt sein was die alles können. Man soll es kaum glauben, aber Kinder können von Natur aus auf Bäume klettern. Und wenn sie runter fallen passen sie beim nächsten mal besser auf. Das nennt man lernen. Aus Erfahrung Dinge anders machen.

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15.10.17, 16:08 | Barbara Beier

Meine Güte!

Ich sehe die Helieltern einfach nur als verunsicherte Menschen. Sie sollten sich trauen, ihre Kinder wieder zu erziehen und nicht jeden Artikel- in welchem "Ratgeber" auch immer- auswendig lernen! Wenn ich in meiner Schwangerschaft (ok, ist schon n büschn her) oder später diesen Wust aus Informationen zur r Verfügung gehabt hätte, wäre ich durchgedreht! Ohne Google earth finden die lieben Kleinen bald keine Bushaltestelle mehr...

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13.10.17, 17:51 | Hans Meyers  | 1 Antwort

Hätten die Eltern mehr Kinder,

dann würde sich das Problem zwangsläufig von selbst erledigen, da sie einfach nicht die Zeit haben, hinter jedem Kind den Helikopter spielen zu können. In den Zeiten der verhätschelten Einzelkinder sieht das anders aus.

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  • 18.09.18, 17:02 | Anka Müller

    Helikoptern

    hat doch nichts mit der Kinderzahl zu tun. Abgesehen davon, dass ich diese Diskussion für hochgeputscht und übertrieben halte, sind doch Einkindeltern und Mehrkindeltern genauso überbesorgt oder genauso sorglos. Die Helimutter geht doch nicht dem großen, er war ja mal das Einzelkind, das Essen mundgerecht schneiden und dem kleinen nicht. Nein, ich denke, sollten es wirklich Helis sein kreisen sie

13.10.17, 14:36 | Christel Schulte  | 1 Antwort

Die Transporthelikopter-Eltern sind in der

heutigen Lage zu verstehen denn wie oft werden Jugendliche oder Studentinnen sexuell angegangen bis vergewaltigt/ermordet? Das man sowas nicht für sein Kind möchte ist ja wohl klar. Auch Pädophile, Raser, Messerstecher in den Öffis und sonstige "Unzivilisierte" nehmen zu. Da ist ein sicherer Transport beruhigend für alle. Ansonsten ist es heute leider so, dass nun mal der schulische Werdegang ausschlaggebend für den zukünftigen Beruf ist und da darf es schon ab der Grundschule kein Versagen geben. Quer- oder Berufsumsteiger werden doch von Personalchefs eher skeptisch gesehen weil sie denken "der weiss nicht was er will" anstatt "er ist flexibel".

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  • 13.10.17, 21:37 | Karla Tortelli

    ..

    Das Phänomen der Helikoptereltern, gab es auf jeden Fall schon lange vor Angela Merkels Komplettversagen.

13.10.17, 13:51 | Uwe Ostertag

Kontrolle ist zwar besser

...aber man sollte die Leine schon lang genug lassen und auch bereit sein, sinngemäß sein Kind mal ins kalte Wasser zu stossen. Beim Essen will ja auch niemand vorgekaute Pommes mit vorgekauten Schnitzeln, damit die Zähne nicht überansprucht werden.

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23.08.16, 13:15 | Heiko Wolfram.

Ja und?

es ist doch gesellschatlich erwünscht, dass Kinder in die Ganztagsschule gehen. Dass sie dann auf dem Schuldkomplex der Eltern reiten, ist doch logisch. Kinder sollten wieder mehr müssen und Eltern sollte man wieder mehr zutrauen.

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19.08.15, 12:40 | Hartmut Haas-Hyronimus  | 1 Antwort

nicht lebenstüchtig

nach 36 Jahren im Schuldienst und endlich in Pension ist es nun Zeit diesen Eltern zu sagen, dass der Grund für die mangelnde Lebenstüchtigkeit ihrer Kinder bei ihnen selbst liegt. Wer behütet sie denn, wenn sie berufstätig sind? Wollen sie sich dann über ihren Chef beschweren? Bei wem denn? Ich habe es auch schon erlebt, dass Eltern ihren Sohn nicht in die Schule geschickt haben, weil so schlechtes Wetter war.

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  • 07.05.19, 15:43 | Kluge Gitte

    Lehrer die mit den heutigen Teenies nicht umgehen

    Habe heute mit einem Lehrer gesprochen von wegen 39 Jahren Berufserefahrung und 2 Staatsexamen - applaus - aber von den Teenies von heute keine Ahnung mehr. Kind 12 Jahre alt - wegen Arbeitsverweigerung eine 6 bekommen - wäre schön gewesen, ich hätte eine Info bekommen. Habe 2 Kinder die ich nie zur Bushaltestelle gefahren habe aber Fehlverhalten von Lehrern und Ungerechtigkeiten geht gar nicht

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