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Überfürsorgliche Eltern, sogenannte Helikopter-Eltern, gehen vielen auf die Nerven und stehen zunehmend in der Kritik. Denn Kinder müssen auch mal auf die Nase fallen. Doch sollte man auch nicht zu streng mit den Eltern sein – keiner ist perfekt und jeder hat seine Macken. Susanne Holz 07.10.2018, 05.00 Uhr Drucken Teilen Wie schön ist es, in den Himmel zu schaukeln - wäre da bloss nicht dieses komische Zelt über einem. (Bild: Getty) Wie schön ist es, in den Himmel zu schaukeln - wäre da bloss nicht dieses komische Zelt über einem. (Bild: Getty) Wann registrierte man zum ersten Mal, dass sich etwas grundlegend geändert hat im Bemühen von Eltern, es richtig zu machen mit der Erziehung der Kinder? Es muss ein Kindergeburtstag gewesen sein. Ein Moment, in dem ich mir mal wieder Haare raufend eingestand, dass ich einfach nicht zum Animateur tauge – auch nicht zu dem meiner Kinder und ihrer Partygäste. Wie machen die anderen Mütter das nur? So fragte ich mich, während ich versuchte, mit meinem vielleicht achtjährigen Sohn und dessen Geburtstagsgästen Wale zu backen – der Sohn interessierte sich damals für die Meeresriesen. Was wir dann aus dem Backofen holten, sah seltsam aus und schmeckte komisch. Die Kinder blickten auch etwas ratlos, vermutlich hätten sie lieber Fussball gespielt ... Phasenweise zu viel gesteuert Arno Renggli Wo eingreifen, wo laufen lassen: Das habe ich als Elternteil rückblickend die schwierigste Frage gefunden. Und ich denke, dass ich bei meinen inzwischen erwachsenen Söhnen in gewissen Phasen ihrer Jugend zu viel gemacht habe. Vor allem betreffend Schule. Mit besten Absichten habe ich etwa bei Prüfungsvorbereitungen oder Arbeiten geholfen und zuweilen auch Druck aufgesetzt. Kurzzeitig hat das durchaus positive Ergebnisse gebracht. Längerfristig hat das auch Nachteile, weil man gerade einem Jugendlichen ab einem gewissen Alter mehr Eigenverantwortung zugestehen sollte, inklusive dem Recht, auch mal einen Misserfolg zu landen. Wem die Eltern zu viel von dieser Verantwortung abnehmen, der wird fast zwangsläufig auch die Fähigkeit dazu weniger entwickeln. Abgesehen davon, dass auch die Motivation eines Jugendlichen leiden kann, wenn Eltern zu sehr unterstützen und steuern. Diese Erfahrung habe ich als Vater gemacht. Und im Gegenzug öfters erlebt, dass Dinge ganz besonders gut funktionierten, als ich mich ganz rausgehalten habe. Wo ich also quasi überflüssig war. So etwas ist gar nicht so einfach zu akzeptieren. Der Wunsch, den eigenen Kindern zu helfen, ist etwas Natürliches und macht in gewissen Lebensphasen auch Sinn – je jünger die Kinder, desto mehr. Ich selber aber habe mich auch sehr stark mit meinen Söhnen identifiziert, was die Gefahr in sich birgt, ihre Geschicke ganz in die Hand nehmen zu wollen. Doch man muss allmählich loslassen können. Und die Erkenntnis, dass man als Eltern nicht alles beeinflussen und steuern kann, hat auch etwas Befreiendes. Doch man musste ja mithalten mit dem Programm, das die anderen Eltern bei Geburtstagspartys so boten: Einfach nur Kuchen essen, Kerzen ausblasen und dann raus zum Spielen, so wie es in meiner Kindheit üblich war – das würde einem heute vielerorts den Ruf einbringen, als Mutter unwillig, lieblos und so schwerfällig wie ein Wal auf dem Trockenen zu sein. Der Wind dreht: Kinder sollen wieder freier werden Allerdings scheint der Wind seit einiger Zeit zu drehen, was die Anforderungen an die Eltern bezüglich Engagement und Fürsorge für ihre Kinder betrifft. Immer mehr Stimmen werden laut, die für eine Besinnung auf das richtige Mass plädieren und davor warnen, dass man überbehüteten Kindern die so wichtige Freiheit nimmt, unbeobachtet Erfahrungen zu machen und dabei auch mal auf die Nase zu fallen. Allan Guggenbüh, Psychologe, Psychotherapeut und Jugendexperte. «Eltern schiessen übers Ziel hinaus» In seinem neuesten Buch «Für mein Kind nur das Beste. Wie wir unseren Kindern die Kindheit rauben» schreibt der Psychologe Allan Guggenbühl gegen die «Goodwill-Diktatur» unserer Tage an und erinnert daran, wie entscheidend es ist, «dass sich Kinder autonom und spielerisch, unkontrolliert und auf Um- und Nebenwegen die Welt aneignen». Interview: Susanne Holz07.10.2018 Dass der Zeitgeist wohl schon länger nicht mehr mit den sogenannten Helikopter-Eltern ist, die rund um die Uhr über ihren Kindern kreisen, das zeigt der grosse Erfolg der zwei «Spiegel online»-Redaktorinnen Lena Greiner und Carola Padtberg mit ihrem 2017 erschienenen «Frontbericht aus dem Familienleben», einem Buch, das Hebammen, Lehrer, Sporttrainer, Kinderärzte, aber auch Kinder und Eltern selbst zu Wort kommen lässt mit ihren Erfahrungen aus dem Helikopter-Alltag. «Verschieben Sie die Deutscharbeit – mein Sohn hat Geburtstag!» wurde zum Bestseller. Und vor genau vier Wochen erschien der Nachfolgeband auf dem Markt: «Ich muss mit auf Klassenfahrt – meine Tochter kann sonst nicht schlafen!» Mit Vollgas ins Leben hinein Katja Fischer De Santi Mein siebenjähriger Sohn schreibt seine Hausaufgaben manchmal in Spiegelschrift. Wenn ich ihm sage, dass alle Buchstaben verkehrt herum stehen, rennt er zum Spiegel und ruft: «Jetzt nicht mehr.» Ich lass ihn meistens, ich bin nicht seine Lehrerin. Mein fünfjähriger Sohn lässt sich noch weniger sagen. Wenn andere Eltern ihn auf dem Spielplatz sehen, kommen sie jeweils besorgt zu mir, um mir zu berichten, dass da ein kleiner Junge zuoberst auf dem Kletterturm sitze. Ich rufe ihm dann jeweils zu, dass er sich gut festhalten soll. Er schreit dann zurück, «das weiss ich doch». Es ist der gleiche Sohn, der mit sechs Monaten seine Schoppenflasche selber festhielt, sich mit acht Monaten nicht mehr füttern liess und mit zwei Jahren auf dem Laufrad den Hügel hinunterfuhr, um unten mit dem Gesicht zu bremsen. Nicht, dass ich ihm nicht zig Mal gesagt hätte, dass er da nicht bremsen könne. Ich hab ihn eine Weile sogar angeleint, aber er musste es selber ausprobieren, das Leben nimmt er voll Risiko. Ja, ich bin das Gegenteil einer Helikopter-Mutter. Ich traue meinen Söhnen viel zu, manchmal zu viel. Meine Erziehung hat nur eines im Sinn, sie irgendwann loslassen zu können. Sie zu selbstständigen, mutigen Menschen zu machen. Das Leben ist ein Wagnis, vor dem ich meine Kinder weder mit Sonnencrème, warmen Mützen, Bio-Brei oder Stützrädli schützen kann. Sie werden hinfallen, sie werden Fehler machen. Ich werde nicht jedes Mal da sein, aber ich versuche ihnen beizubringen, selbst aufzustehen. Ihr Leben ist nicht mein Leben, aber ich hoffe, sie lassen mich möglichst lange daran teilhaben. Die Autorinnen zitieren in beiden Büchern den dänischen Familientherapeuten Jesper Juul mit seinem berühmten Satz zur idealen Betreuungsleistung von Eltern: «Gut genug ist perfekt.» Will heissen: Mütter und Väter sollen gar nicht perfekt sein, es reicht, wenn sie ausreichend sind – denn dann erwarten sie auch von ihren Kindern nicht, perfekt zu sein. Zitiert wird zudem Psychologe und Autor Holger Schlageter, der Juuls Ansicht teilt: Es sei nicht zielführend, in der Erziehung eine Bestnote anzupeilen – Eltern sollten vielmehr um eine gute Eltern-Kind-Beziehung besorgt sein. «Was unterrichten Sie in der ersten Stunde? Mein Kind schläft noch. Soll ich es wecken?» Greiner und Padtberg verweisen zu Beginn ihres neuen Buchs auch noch auf eine aktuelle Studie der Universität Minnesota: Kontrollwütige Eltern hemmten die Entwicklung ihrer Kinder. Die Kinder überfürsorglicher Mütter und Väter könnten ihre Gefühle weniger gut regulieren und kämen schlechter mit Enttäuschung, Frust oder auch Angst klar. Die Lektüre der zwei Bücher zeigt: Eltern stehen heute wirklich im Dauerstress. Viele scheinen ihre Kinder noczur Schule zu bringen, wenn diese schon kurz vor dem Abitur stehen. Eltern kämpfen um Noten, um die richtigen Spielpartner, um die eigene Anerkennung bei den anderen Eltern. Oder sie verzärteln den Nachwuchs so, dass es schon wieder richtig lustig ist. So berichtet eine Primarlehrerin vom morgendlichen Anruf einer Mutter: «Was unterrichten Sie in der ersten Stunde? Mein Kind schläft noch. Soll ich es wecken?» Andererseits: Es ist auch gut, wenn Eltern für ihre Kinder einstehen Andererseits kann man manchmal nicht umhin, die «diffamierten» Eltern in ihrem Verhalten zu verstehen. Warum soll es grundsätzlich schlecht sein, gegenüber Lehrern für sein Kind einzustehen? Lehrer und Ärzte haben nicht per se recht, und hier sind Eltern – auch zum Glück – selbstbewusster geworden.Wenn eine Lehrerin sich im Buch über den «Kasernenton» der Eltern beklagt, dann fällt an dieser Stelle wohl manchen Müttern und Vätern spontan der Kasernenton so einiger Lehrer ein, mit denen sie es schon zu tun hatten. Hauptsache Liebe und Respekt Susanne Holz Man kann als Mutter so vieles falsch machen – vor allem aus der Sicht anderer. Kaum ist das Kind auf der Welt, steht man in der Kritik. Mal ist man zu vorsichtig, mal zu nachlässig – recht machen kann man es der beobachtenden Umwelt selten. Dabei sollte man eigentlich nur das eigene Kind glücklich machen und nicht Grosseltern, Pädagogen, Lehrer. Und auch die Verfasser diverser Ratgeber haben die Weisheit wohl kaum löffelweise gegessen: Einmal plädieren sie dafür, nicht zu autoritär zu sein, einmal dafür, nicht zum Freund von Sohn oder Tochter zu werden – ja was denn nun? Persönlich verlasse ich mich immer auf meinen Instinkt im Umgang mit meinen drei Kindern. Generell bin ich der Ansicht, dass man stets Liebe und Respekt walten lassen sollte – dann braucht es wenig Regeln. Eine Regel für mich habe ich, an die ich mich eisern zu halten versuche: nie laut werden zu den Kindern und nie die Geduld verlieren. Etliche Jahre war ich Vollzeitmama und immer zu Hause. Jetzt arbeite ich 80 Prozent – meine Kinder und ich kennen die Extreme. Zum Glück gedeiht der Nachwuchs immer gut. Kinder sind anpassungsfähig. Als die älteren zwei klein waren, trugen sie an heissen Tagen stets einen Hut und an kalten eine Mütze. Wir hatten auch grundsätzlich etwas zu trinken dabei. Manchen galt ich vermutlich als Glucke. Heute liegt der Fokus oft auf dem Job, und ich nerve eher mal meine Chefs als meine Kinder. Die Jüngste versteckt ihre Mütze morgens im Briefkasten, ich drücke sie ihr abends mit einem Grinsen in die Hand. Und die Älteste hat mir kürzlich ein grosses Kompliment gemacht: «Mama ist voll chillig.» Klar und gleichzeitig traurig ist: Eltern, Lehrer, Betreuer, alle, die mit Kindern zu tun haben, üben heute gegenseitig grossen Druck und soziale Kontrolle aufeinander aus. Vielleicht bräuchten ja nicht nur die Kinder wieder mehr Freiheit und weniger Überwachung, sondern auch die Eltern und Lehrer. Ein bisschen Nachsicht mit Eltern, die nicht rund um die Uhr die Propeller laufen haben, und ein bisschen Nachsicht mit denen, die dem Kind den vergessenen Znüni in die Schule nachtragen. Ist auch nicht so schlimm, oder? Die zwei Bücher der «Spiegel online»-Redaktorinnen Lena Greiner und Carola Padtberg zu den «Helikopter-Eltern»: «Verschieben Sie die Deutscharbeit – mein Sohn hat Geburtstag!» (2017, Ullstein-Verlag, 222 Seiten, 9.99 Euro) und «Ich muss mit auf Klassenfahrt – meine Tochter kann sonst nicht schlafen!» (2018, Ullstein-Verlag, 218 Seiten, 10.– Euro). * * * * * * (BUTTON) St. Galler Tagblatt abonnieren * Kontakt * AGB und Datenschutz * Impressum Copyright © St.Galler Tagblatt. Alle Rechte vorbehalten. Eine Weiterverarbeitung, Wiederveröffentlichung oder dauerhafte Speicherung zu gewerblichen oder anderen Zwecken ohne vorherige ausdrückliche Erlaubnis von St.Galler Tagblatt ist nicht gestattet.