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ICE-Anbindung Darmstadts : Knifflige Überlegungen

Schnell an Darmstadt vorbei: Ein ICE auf der Riedbahn. Bild: Wonge Bergmann

Nun ist Weiteres zur Anbindung Darmstadts an das Eisenbahnnetz bekannt: Einen ICE-Halt soll es nur geben, wenn auch Güterzüge durchfahren. Die Gutachter der Studie sehen aber für eine andere Lösung höhere Chancen.

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          Das am Donnerstag vorgestellte Gutachten zur Zukunft des Eisenbahnverkehrs am Rhein entlang enthält zur Anbindung des Darmstädter Hauptbahnhofs weitaus komplexere Überlegungen, als zunächst bekanntgeworden sind. Die Studie war in Frankfurt und Mannheim Politikern, nicht aber der Öffentlichkeit präsentiert worden. Aus den Unterlagen der Veranstaltung in Mannheim, die dieser Zeitung jetzt vorliegen, geht hervor, dass die von Darmstadt geforderte Anbindung des Bahnhofs an das ICE-Netz nicht so einfach ist, wie es zunächst schien.

          Manfred Köhler

          Stellvertretender Ressortleiter des Regionalteils der Frankfurter Allgemeinen Zeitung und verantwortlicher Redakteur des Wirtschaftsmagazins Metropol.

          Die von den Autoren der „Korridorstudie“ vorgeschlagene Neubaustrecke soll parallel zu den Autobahnen 5 und 67 führen und damit, wie seit langem geplant, an Darmstadt vorbei. Die neuen Gleise sollen tagsüber von ICE-Zügen, nachts von Güterzügen befahren werden. Sollen ICE auch in Darmstadt halten, so müssten sie die Neubaustrecke im Norden der Stadt verlassen und nach dem Halt im Süden wieder zur Neubaustrecke zurückfahren - und umgekehrt, wenn sie in entgegengesetzter Richtung unterwegs sind. Dazu sind im Norden wie im Süden Verbindungsstücke notwendig. Während im Norden Darmstadts lediglich eine Kurve zur Neubaustrecke gebaut werden müsste (in der Karte mit 1 gekennzeichnet), ist im Süden eine längere Querverbindung nötig, entweder noch im Süden Darmstadts (2) oder bei Pfungstadt (3). Soweit Güterzüge von Mainz kommend die Neubaustrecke nutzen sollen, benötigen sie ebenso eine Verbindungskurve. Dafür sind zwei Trassen möglich (4 und 5).

          Die Anbindung der Darmstadts an das Schnellbahnnetz. Zum Vergrößern bitte anklicken.

          Die Gutachter heben generell hervor, dass der Bau von neuen Gleisen noch keineswegs bedeutet, dass sie auch genutzt werden. Der Fernverkehr muss seine Kosten selbst erwirtschaften. Selbst wenn also dereinst Gleise von der Neubaustrecke nach Darmstadt führen, bedeutet das keineswegs, dass die Deutsche Bahn dort auch Züge fahren lässt - das hängt davon ab, ob es sich für sie lohnt. Unabhängig von dieser allgemeinen Bemerkung äußern sich die Gutachter skeptisch zu den Überlegungen, ICE könnten die Neubaustrecke kurzzeitig verlassen, um in Darmstadt zu halten. Eine solche „Ausschleifung“ habe sich als „gesamtwirtschaftlich nicht vorteilhaft erwiesen, da die Nachteile für die durchfahrenden Fahrgäste größer sind als die Vorteile für die potentiellen Ein-, Aus- und Umsteiger in Darmstadt“, heißt es in dem Gutachten. Die Nord- und Südanbindung des Bahnhofs könne daher „allein gesamtwirtschaftlich nicht begründet werden“.

          Nordanbindung kommt besser weg

          Das Wort „gesamtwirtschaftlich“ ist insofern wichtig, als Bauvorhaben nur dann finanziert werden, wenn ihr „gesamtwirtschaftlicher“ Nutzen nachgewiesen ist. Diese Äußerung der Gutachter kann also nicht hoch genug eingeschätzt werden. Doch stellen die Autoren der Studie Überlegungen an, wie die Nord- und die Südanbindung so aufgewertet werden könnten, dass sie sich eben doch „gesamtwirtschaftlich“ rechnen. Dazu müssten sie zusätzlichen Verkehr aufnehmen, der, für sich genommen, schon Grund genug wäre, die Gleisabschnitte zu bauen. Dass dann diese Trassen auch von ICE genutzt würden, wäre gleichsam ein Mitnahmeeffekt.

          Was die Nordanbindung (1) angeht, verweisen die Gutachter auf den schon länger bestehenden Plan, im Stundentakt Regionalzüge zwischen dem Darmstädter Hauptbahnhof, dem Frankfurter Flughafen und Wiesbaden verkehren zu lassen, wofür allerdings auch noch bei Hofheim-Wallau eine Querverbindung von der Schnellfahrstrecke Richtung Köln zur Landeshauptstadt geschaffen werden müsste. Mit diesem „Hessen-Express“ könnten die Darmstädter in 13 Minuten den Flughafen erreichen, wo sie auch in ICE-Züge umsteigen könnten. Diese Verbindung kommt bei den Gutachtern besser weg als ein ICE-Halt in Darmstadt. Über die Regionalzug-Linie schreiben sie, „diese Maßnahme hat sich als gesamtwirtschaftlich vorteilhaft herausgestellt“. Damit wäre die Nordanbindung des Hauptbahnhofs also zu begründen.

          Auswirkungen für das Mittelrheintal

          Kniffliger ist es, auch die Südanbindung so aufzuwerten, dass sie als gesamtwirtschaftlich gerechtfertigt erscheint. Dazu schlagen die Gutachter vor, auf die Verbindungskurve für den Güterverkehr südlich von Weiterstadt (4 oder 5) zu verzichten. Stattdessen sollen aus Mainz kommende Güterzüge zunächst die Neubaustrecke kreuzen, dann durch Darmstadt fahren und dann erst über die Südanbindung (2 oder 3) auf die Neubaustrecke gelangen und weiter Richtung Mannheim fahren. Dank dieses Verkehrs wäre auch diese Querspange gesamtwirtschaftlich vorteilhaft; ob sie dann auch von ICE benutzt werden, muss sich zeigen.

          Folgt man den Autoren der Studie, gibt es also einen ICE-Halt in Darmstadt nur dann, wenn auch Güterzüge durch die Stadt fahren. Den Güterverkehr an der Stadt vorbeizuleiten und gleichzeitig die ICE in den Ort hineinzuführen, aus Sicht Darmstadts die optimale Lösung, ist aus Sicht der Autoren nicht möglich.

          Aus den Unterlagen geht auch hervor, wie ein Ausbau der Strecke von Hagen und Köln/Troisdorf über Siegen und Gießen nach Hanau das Mittelrheintal entlasten könnte. Danach könnten in einer ersten Ausbaustufe 20 Züge am Tag den Weg durch Siegen statt am Rhein entlang nehmen, in einer zweiten weitere 15. Derzeit fahren 420 Züge am Tag durchs Rheintal, davon 220 rechtsrheinisch. Davon wiederum sind 160 Güterzüge. Es könnte also dort etwa jeder fünfte Zug entfallen.

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