
Kommentar zum Eisenbahnnetz : Schade um Frankfurt 21
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Der Ausbau der Infrastruktur wird in Hessen eher stiefmütterlich behandelt. Vor allem das Eisenbahnnetz hat Nachholbedarf. Nun zeigt sich, dass für das Großprojekt Frankfurt 21 mehr politischer Mut angebracht gewesen wäre.
Am Mittwoch wird in einer großen Konferenz in Frankfurt beklagt werden, wie sehr die Infrastruktur Hessens hinter dem Wünschbaren zurückbleibt, und wirklich: Es kommt zu wenig voran in diesem zentral gelegenen Bundesland. Mehr noch als an neuen Straßen fehlt es an leistungsfähigen Schienenverbindungen, und so darf man aus solch einem Anlass auch einmal betrauern, dass Frankfurt und Hessen vor gut einem Jahrzehnt eine große Chance vergeben haben: Damals wurden alle Überlegungen für Frankfurt 21 gestoppt.
Der Begriff lässt einen sofort an das umstrittene Projekt „Stuttgart 21“ denken, was so richtig wie falsch ist. Genauso wie dort sollte in Frankfurt der Kopfbahnhof durch einen unterirdischen Durchgangsbahnhof mit einer anschließenden Tunnelstrecke für ICE ersetzt werden, doch anders als in Stuttgart war nicht geplant, die Fahrtrichtung der Züge um 90 Grad zu drehen. In Frankfurt wären sie weiter von Westen gekommen, sie wären nur, genauso wie schon lange die S-Bahnen, Richtung Osten weitergefahren.
Grübeln über das falsche Thema
Jahrelang wurde darüber diskutiert, aber weder die Landesregierung noch die Stadt betrieben das Großprojekt mit Nachdruck, auch die Bahn nicht. Doch im Nachhinein zeigt sich, dass die zeitgenössischen Verzagtheiten falsch waren.
Durch die Verlegung des Bahnhofsvorfelds in den Untergrund hätte man eine städtische Entwicklungsfläche in einer Toplage gewonnen, die angesichts des gegenwärtigen Immobilienbooms mit Leichtigkeit zu vermarkten gewesen wäre. Damit hätte sich zumindest ein Teil der gigantischen Kosten für die Tunnelanlagen finanzieren lassen. Die Eisenbahn-Infrastruktur Frankfurts wäre für Jahrzehnte modernisiert worden. Und es wäre endlich die Frage vom Tisch, ob die Bahn eines Tages doch am Hauptbahnhof vorbeifährt, der von den Zügen riesige Umwege erfordert, was jede neue Generation von Bahnmanagern ins Grübeln bringen wird, ob nicht ein Halt am Südbahnhof oder am Flughafen ausreicht.
Stattdessen wird nun seit mehr als einem Jahrzehnt an kleinen Verbesserungen des Schienennetzes gefeilt. Während die Milliarden der Steuerzahler anderswo in Neubauvorhaben fließen, wird in Frankfurt hin und her überlegt, wo sich zusätzliche Wohnungen unterbringen lassen, und es fehlt sogar der Platz für solch eine Banalität wie eine Umsteigestation für Fernbusse. Frankfurt könnte weiter sein, in vielerlei Hinsicht, hätten Politiker und Bahnmanager vor gut zehn Jahren mehr Mut gehabt. Hatten sie nicht, wie so oft. Schade drum.

Stellvertretender Ressortleiter des Regionalteils der Frankfurter Allgemeinen Zeitung und verantwortlicher Redakteur des Wirtschaftsmagazins Metropol.
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