Auf dem Faltrad : Das Bike der letzten Meile
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Faltrad pur: Das Verge Duo von Tern. Die Beleuchtung steckt im Rucksack Bild: Pardey
Muss an einem Faltrad alles dran sein, was zu einem herkömmlichen Fahrrad gehört? Nein, das muss es nicht. Trotzdem kann es bestens das leisten, wozu es sich wirklich gut eignet: Zubringerdienste tun.
Einen seiner typischen Einsätze wird dieses Rad spätestens wieder im Juli erleben: am ersten Tag der Messe „Outdoor“ in Friedrichshafen. Das seit Jahren als ruhig und günstig vertraute Hotel in einem malerischen Städtchen mit guten Restaurants liegt etwa eine Autoviertelstunde von der Messe entfernt. Das gilt aber nur an gewöhnlichen Tagen. Am ersten Morgen etwa der „Eurobike“ endet die Anfahrt stattdessen regelmäßig trotz der breiten Zufahrtsstraßen in Sichtweite der Hallen in einem Stau. Manchmal sind es auch mehrere.
Und man konnte schon erleben, dass die Autofahrer vom einen Eingang zum anderen der Messe umgeleitet wurden – von einem Stau in den nächsten. Anreisezeit: anderthalb Stunden für die letzte Meile. Mit einem Faltrad ist so etwas überhaupt kein Problem. Schon bevor die Staus der Messeanfahrt sich aufzubauen beginnen, stehen am Wegesrand schmucke Sporthallen, laden kostenlose und wohlunterhaltene Parkplätze in und um Friedrichshafen herum dazu ein, den Wagen abzustellen und die letzten zwei, drei Kilometer mit dem Rad zu fahren.
Das Rad ist klar überlegen
Auf verkehrsarmen Radwegen besten Zustands tritt man in die Pedale und bewegt sich zügig an der Blechkarawane vorbei. Das Einzige, wovor man dabei auf der Hut sein muss, sind einige bedauernswerte Zeitgenossen: Völlig entnervt vom Termindruck wollen sie urplötzlich in der Schlange umkehren und beanspruchen für den Wendekreis ihrer Limousine mit durchdrehenden Reifen zusätzlich den Radweg.
Ein völlig anderes Szenario: „Bist du verrückt?“, fragt der Freund. „In Berlin brauchst du doch nicht Fahrrad zu fahren. Da fährt man S-Bahn, U-Bahn, Bus und kommt damit überall hin.“ Jein, je nachdem, von wo aus man genau wohin will, summieren sich die Fahrt- und Umsteigezeiten des ÖPNV derartig, dass ein Fahrrad nicht nur konkurrenzfähig, sondern klar überlegen ist. Von den Fahrtzeiten eines Taxis zwischen Hauptbahnhof und einem 2,5 Kilometer entfernten Ziel in Berlin-Mitte je nach Tageszeit mal gar nicht zu reden.
Anders als ein gewöhnliches Fahrrad darf das zusammengelegte Faltrad mit in den ICE. Denn der allem gesunden Menschenverstand haushoch überlegenen Logik der Deutschen Bahn zufolge ist ein gefaltetes Faltrad kein Fahrrad mehr, sondern ein Gepäckstück. Als solches passt es überall dort hin, wo andere Reisenden ihre begehbaren Schrankkoffer oder einen Kinderwagen deponieren. Wenn Conan der Barbar mit seinem Faltrad unterwegs ist, donnert er es auch schon mal in die Ablage über den Köpfen der Mitreisenden. Und man will es ja nicht glauben, aber manche Falträder – nicht alle – passen da tatsächlich auch hinein.
Es geht hier immer nur um Falträder. Auch wenn das Falten wie bei dem schick in Schwarz und Grau heranrollenden Verge Duo von Tern (Listenpreis: rund 950 Euro) mehrfach ein einfaches Klappen sein mag, man sagt bitte nicht: Klapprad. Das sind nämlich die Ungetüme aus den sechziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts gewesen, die mit dem Drehknebel am Scharnier.
Beim Verge klappt man erst die Pedale an, schiebt die Sattelstütze ein, klappt die Lenksäule um und schließlich den vorderen Teil des Rahmens seitlich an den hinteren. Magnete und ein Gummistraps halten das weniger als zwölf Kilo wiegende Paket mit den Maßen 79×72×37 Zentimeter zusammen. Auch völlig unsportliche Naturen kommen nah an die versprochene Falt-/Entfaltzeit von zehn Sekunden heran.
Nun spielt in der Werbung für Falträder markenübergreifend eine große Rolle, dass sie sich angeblich wie große, wie „richtige Fahrräder“ fahren lassen. Dieses Versprechen können selbst die teuersten und die besten Vertreter der Gattung Faltbar nur annähernd einlösen. Und die billigen, instabilen können es gar nicht. Man mag ja auf einem vertrauenerweckenden Faltrad wie gewohnt sitzen, die durch die geringere Laufradgröße veränderte Fahrdynamik bleibt.
Dem an sich unsinnigen Vergleich – wer verlangt von einem Kleinwagen die Fähigkeiten eines Familien-Van? – ist wohl geschuldet, dass es viele verschiedene Falträder mit zum Teil aufwendigen Gangschaltungen und schweren Schaltnaben gibt. Die Auswahl an „puristischen“, das heißt sparsamer ausgestatteten und mithin leichteren Falträdern ist hingegen eher bescheiden. Das Verge Duo gehört zu denen, die bemerkenswert macht, dass wenig an ihnen dran ist, was wiegt.
Kein Gepäckträger und keine 8- oder 11-Gang-Schaltung, stattdessen sitzt im Hinterrad die Rücktritt-Bremsnabe „Automatix“ von Sram. Geschwindigkeitsabhängig schaltet die, ohne dass man selbst steuernd eingreifen müsste oder könnte, zwischen einem gering übersetzten Anfahr- und Berggang und einer höheren Übersetzung für flottes Fahren hin und her. Im Lenkerrohr steckt Werkzeug, die Sattelstütze entpuppt sich als Luftpumpe, man hat alles Notwendige dabei. Moment, eine Klingel ja, die Beleuchtung ist aber nur ein winziges rotes Blinklicht. Na ja, steckt man sich eben noch zwei kleine Batterieleuchten ein.
Mit dem zusammengeklappten Verge kommt man besser durch den Mittelgang des Zugs als manch anderer mit seinem Trolley. Im Hotel parkt das Rad gefaltet im Badezimmer. Und auch das Hosenbein blieb sauber: Die Kette läuft in einem Schutz, der sie aussehen lässt wie ein Riemenantrieb. Wenn man wollte, ließe sich alles Mögliche an das Rad schrauben: Getränkehalter oder Körbchen. Will man aber nicht. Es geht ja nur um die letzte Meile.