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Darum könnte die Bahn ihren Fernzug-Trick bitter bereuen

| Lesedauer: 5 Minuten
Wirtschaftskorrespondent
Weiße Lackierung, bessere Ausstattung: aus dem Regionalzug wird ein Intercity Weiße Lackierung, bessere Ausstattung: aus dem Regionalzug wird ein Intercity
Die Strecke nach Norddeich ist subventioniert. Hier kommen Doppelstockzüge zum Einsatz, die eigentlich aus dem Regionalverkehr bekannt sind. Sie haben allerdings eine bessere Ausst...attung neben der weißen Lackierung
Quelle: picture alliance / Julian Strate
Die Deutsche Bahn wollte auf einer IC-Strecke auch staatlich bezuschusste Nahverkehrstickets gelten lassen. Ein Konkurrent klagte erfolgreich dagegen. Das Urteil eröffnet nun aber ganz neue Möglichkeiten im Fernverkehr.

Für viele Lokalpolitiker ist es der Höhepunkt ihrer Laufbahn, wenn sie es schaffen, dass Fernzüge regelmäßig in ihrem Vorort halten. Denn eine Stadt, die ein IC oder gar ein ICE anfährt, gewinnt deutlich an Attraktivität. Für Unternehmen, Touristen und vor allem für potenzielle Zuzügler.

Über den Fahrplan und die Stopps der weißen Züge entscheidet die Deutsche Bahn (DB). Anders als der Regionalverkehr werden die Fernzüge „eigenwirtschaftlich“ betrieben, also ohne Staatsgeld und auf eigenes unternehmerisches Risiko. Eigentlich. Aber man kann versuchen, mit der Bahn über die IC-Halte zu diskutieren und die Entscheidung zu beeinflussen. Mit Geld.

Man kann dem DB-Konzern zum Beispiel anbieten, das unternehmerische Risiko beim IC-Einsatz zu teilen. Zwei Verkehrsverbünde hatten das probiert – und sind gescheitert. Weil der Deal, den man sich mit der Bahn ausgedacht hatte, nicht legal ist. Das hat eine der sogenannten Vergabekammern festgestellt. Die Bahn hat nun auf einen Einspruch zu ihrer Entscheidung verzichtet.

Teilsubventionierung des Fernverkehrs

Der Beschluss der Kammer ist ärgerlich für die Verbünde und die Deutsche Bahn und ein kleiner Sieg für den Kläger, das Bahnunternehmen Abellio. Aber er hat die Kraft, das Bahnsystem in Deutschland grundlegend zu sprengen, die Grenzen zwischen Fern- und Regionalverkehr zu verwischen und ganz neue Anbieter auf den Fernstrecken an den Start zu bringen.

Im konkreten Fall hatten der Zweckverband Nahverkehr Westfalen-Lippe (NWL) und der Verkehrsverbund Nordhessen (NVV) versucht, den IC 51 zwischen Dortmund und Kassel für die Kunden in der Region attraktiver zu machen. Nach dem Plan der Verbünde sollten in besagtem IC ab Dezember 2017 fünf Jahre lang die Tickets des Nahverkehrs gelten. Dann hätte man mit einer Fahrkarte nach dem „Westfalen-Tarif“ zusteigen können.

Ein Zug der Privatbahn Abellio fährt am Dienstag (08.02.2011) in den Essener Hauptbahnhof ein. Die Abelio Rail GmbH hatte vor dem Bundesgerichtshof gegen die Vergabe des S-Bahn-Betriebs im Verkehrsverbund Rhein-Ruhr geklagt und Recht bekommen. Verkehrsverbünde in Deutschland dürfen millionenschwere S-Bahn-Verträge nicht mehr ohne Ausschreibung direkt vergeben. Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) auf eine Klage aus Nordrhein-Westfalen am Dienstag 08.02.2011 grundsätzlich klargestellt.   Foto: Roland Weihrauch dpa/lnw | Verwendung weltweit
Abellio ist eine Tochter der Niederländischen Eisenbahn und betreibt in Deutschland Regionalverkehrsstrecken im Auftrag der Verkehrsverbünde
Quelle: picture alliance / dpa

Wer also häufig zwischen Dortmund und Kassel pendelt, hätte mit seiner Zeitkarte in alle Züge auf der Strecke steigen können, also in die Regionalbahnen von Abellio, die dort fahren, und in die ICs der Deutschen Bahn. Das ist bequem, damit hätten NWL und NVV ein deutlich besseres Angebot für ihre Nahverkehrskunden vorweisen können.

Und die Deutsche Bahn hätte damit eine Teilsubventionierung ihres Fernverkehrs erreicht. Denn wer mit einem Nahverkehrsticket einsteigt, hat eine Fahrkarte, die bezuschusst wird. Das heißt, Kunden mit diesen Tickets sorgen dafür, dass die Bahn für ihren IC indirekt ein Stück jener Staatsmittel abbekommt, die die Länder eigentlich ausschließlich für den Betrieb des Regionalverkehrs erhalten. Die Finanzierungskreisläufe von Fern- und Regio-Zügen sind in Deutschland bewusst getrennt. Sie sind ein entscheidender Baustein der Bahnreform von 1994.

Im Fernverkehr ist die Bahn weiter Monopolist

Die Vergabekammer Westfalen störte sich aber nicht so sehr daran, dass beide Tarif-Systeme vermischt werden. Sie hat untersagt, dass die beiden Verbünde den Deal ohne Ausschreibung machen wollten. Denn wenn das Beispiel von NWL und NVV Schule machen würde, wäre am Ende in aller Regel die Deutsche Bahn der Gewinner.

Denn die ist auch weiterhin im Schienenfernverkehr praktisch ein Monopolist. Die wenigen Strecken, die Konkurrenten auf längeren Distanzen anbieten, fallen nicht ins Gewicht. Wenn sich also auch andere Verbünde mit der Bahn darauf einigen würden, dass die in den ICs Nahverkehrstickets akzeptiert, hätten die Regionalbahnen, die nicht zur Deutschen Bahn gehören, das Nachsehen.

Die DB-Rivalen bekämen damit auf ihren Regionalstrecken gewaltige Konkurrenz durch komfortablere Fernzüge. Und die Verbünde könnten in Versuchung geraten, auf bestimmten Strecken künftig weniger Regio-Verbindungen zu bestellen, die Mittel des Bundes dafür woanders einzusetzen – und stattdessen für wenig Geld mit der Bahn und deren ICs ins Geschäft zu kommen.

Nun kann man sagen, dass das Spiel hinter den Kulissen egal ist, Hauptsache die Kunden bekommen das beste Angebot. Aber Direktvergaben an DB-Fernzüge als Ergänzung zu Regionalbahnen würden das deutsche Bahn-System auf den Kopf stellen. Mit unabsehbaren Folgen, allerdings auch mit spannenden Chancen: „Wenn es auf einmal subventionierten Fernverkehr gäbe, dann wollen wir den auch anbieten können. Dann muss das aber auch ausgeschrieben werden“, fordert Stephan Krenz, der Chef von Abellio Deutschland.

Milliardeninvestitionen für Linienausbau nötig

Das will die Deutsche Bahn natürlich möglichst verhindern. Konkurrenz im Fernzuggeschäft, das ohnehin nicht besonders läuft, kann sie nun gar nicht gebrauchen. Also wiegelt man bei der DB ab. Bezuschusste IC-Verbindungen wären allenfalls eine Nischen-Lösung. Eine Verbindung nach diesem Modell gibt es bereits, zwischen Bremen und Norddeich. Und eine großflächige Ausdehnung sei nicht geplant.

Bezuschusster Fernverkehr mache nur in Regionen Sinn, in denen die Nachfrage nicht besonders stark sei, heißt es bei der DB. Wo sich kurze Takte der IC-Züge also nicht lohnen. Dort könne man über eine „Verzahnung“ von ICs- und Regionalzügen – so nennt man das bei der Bahn – nachdenken. Aber die Initiative käme immer aus den Bundesländern. Überhaupt habe man grundsätzlich wenig Lust, die DB-Fernzüge für Nahverkehrs-Tarife zu öffnen, denn dann bestimmen die Verbünde auch die Spielregeln.

Aber es gibt bereits zwei weitere Fälle, in denen Verbünde die Bahn und ihre ICs gern im Regionalverkehr mit beauftragen würden: in Thüringen und in Berlin-Brandenburg. Und das sei nur der Anfang, argwöhnen die Konkurrenten der Bahn. Denn der DB-Konzern plant eine riesige Fernverkehrsoffensive. Bis zum Jahr 2032 soll das Fernzugangebot um 25 Prozent vergrößert werden. Ziel ist es, fast alle Städte ab 100.000 Einwohner anzuschließen.

Dafür sind Milliardeninvestitionen nötig. „Das läuft darauf hinaus, das Interregio-Netz wiederzubeleben“, heißt es bei einem DB-Konkurrenten. „Der Interregio wurde eingestellt, weil er sich nicht gerechnet hat. Das Netz jetzt wiederzubeleben, lohnt sich nur, wenn sich die Verbünde daran beteiligen und IC-Züge mitfinanzieren.“

Wird Pofalla der Nachfolger von Grube?

Eigentlich sollte die Vertragsverlängerung von Rüdiger Grube reine Formsache sein. Doch der Bahnchef trat überraschend zurück. Nachfolgen soll offenbar der ehemalige Kanzleramtschefs und Merkel-Vertraute Ronald Pofalla.

Quelle: N24/Angela Knäble

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