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Mann klammert sich am ICE fest : „Die Tasche muss ihm wohl wichtig gewesen sein“

Am Faltenbalg zwischen zwei Waggons hielt der Mann sich fest (Symbolfoto) Bild: dpa

Ein Mann verstaut in Bielefeld sein Gepäck im ICE und steigt nochmal kurz aus, da fährt der Zug ohne ihn los. Statt das Personal um Hilfe zu bitten, klammert er sich außen an den ICE und fährt 25 Kilometer mit.

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          Am Mittwochmorgen fuhr an Gleis 2 am Hauptbahnhof in Bielefeld der ICE 541 nach Berlin ein. Es war 6.36 Uhr. Ein 59 Jahre alter Rumäne brachte sein Gepäck in den Zug und stieg noch einmal kurz aus. Wollte er noch eine Zigarette rauchen? Oder noch einmal frische Luft schnappen? Man weiß es nicht. Der Aufenthalt des Zuges beträgt gemäß Plan zwei Minuten. Als der Zugführer pfiff, die Türen geschlossen wurden und der ICE um 6.38 Uhr losfuhr, war zwar die Tasche im Zug, der Besitzer aber noch draußen.

          Julia Anton

          Redakteurin im Ressort Gesellschaft bei FAZ.NET

          „Wir wissen nicht, was in seiner Tasche war, aber es muss ihm wohl sehr wichtig gewesen sein“, sagt eine Sprecherin der Deutschen Bahn. Denn der Mann entschloss sich blitzschnell zu einer waghalsigen Aktion. Die Bundespolizei Hannover stellt es am Donnerstag so dar: Der 59-Jährige klammerte sich zwischen zwei Waggons fest, und zwar am Faltenbalg, dem sich ziehharmonikaartig zusammenfaltenden elastischen Schlauch, fand mit den Füßen Halt auf einem kleinen Vorsprung und trat so die Fahrt auf einem Außen-Stehplatz an.

          „Dass der Mann noch lebt, hat er wohl Reisenden am Gleis zu verdanken“, sagt ein Polizeisprecher. „Bei der Ausfahrt aus dem Bahnhof Bielefeld entdeckten sie ihn und benachrichtigten umgehend das Personal am Bahnhof.“ Der Lokomotivführer hatte bereits – oder, je nach Interpretation: erst – auf 160 Stundenkilometer beschleunigt, als er über den Passagier an der Außenwand informiert wurde. Mit gedrosselter Geschwindigkeit hielt der Zug am nächsten Bahnhof, in Löhne, 25 Kilometer von Bielefeld entfernt. Unverletzt konnte der Mann in den ICE einsteigen. In Hannover empfing ihn dann die Bundespolizei. Was den Rumänen zu der waghalsigen Aktion bewog, konnte sie allerdings nichts in Erfahrung bringen: Der Mann spricht weder Deutsch noch Englisch.

          Strafbar ist das Trittbrettfahren nicht

          Waghalsige Außenbordeinsätze an Zügen gibt es öfters. So fuhr vergangenes Jahr in Bayern ein minderjähriger Flüchtling aus Pakistan auf dem Dach eines Güterzugs von Österreich nach Deutschland mit. In Schleswig-Holstein fuhr ein junger Mann auf dem Trittbrett eines Regionalzugs mit, weil er sich den Fahrpreis sparen wollte. Und ein junger Holländer, der ebenfalls kein Geld hatte, saß auf einem Trittbrett des Nachtzugs von Berlin nach Amsterdam, bis er entdeckt und bei einem Extra-Stopp durchgefroren und erschöpft einsteigen durfte. An einem ICE, der gar keine Trittbretter hat, wurden solche Fälle bisher nicht beobachtet.

          Der Rumäne hat nichts zu befürchten. Laut Polizei hat er nur eine Ordnungswidrigkeit begangen. Auch die Bahn wird nicht gegen ihn vorgehen. Störungen im Betriebsablauf gab es nicht. Übrigens bestand nicht die Gefahr, dass er bei einer Kurve eingeklemmt worden wäre – der Faltenbalg eines ICE ist nicht so beweglich wie bei einem Gelenkbus. Trotzdem sagt die Bahn-Sprecherin: „Der Mann hatte alle Schutzengel der Welt.“ Wäre er nicht bemerkt worden – die Fahrt wäre vielleicht nicht so glimpflich verlaufen. 50 Minuten hätte es bis nach Hannover gedauert, bei einer Höchstgeschwindigkeit von 250 Kilometern in der Stunde und zehn Grad Außentemperatur.

          Die Bahn rät dringend von solchen lebensgefährlichen Aktionen ab. Wenn das Gepäck alleine im Zug losfährt, sollte man lieber das Bahnhofspersonal informieren. „Jährlich werden eine Viertel Million Gegenstände im Zug vergessen“, sagt die Bahn-Sprecherin. „Wir sind Experten im Finden.“

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