Am Scheitern gescheit gescheitert – Premierenkritik
„Pigor & Eichhorn scheitern – Berlin Spezial“ in der Bar jeder Vernunft
von Carlo Wanka
BERLIN – Ein Spezialprogramm aus Altem und Neuem, das zum Scheitern führt, damit endlich Ruhe sei, steht in der etwas skurrilen Ankündigung. War diese Ansage der Grund, dass die Bar Jeder Vernunft bei dieser Uraufführung schier aus allen Nähten platzte? Dass viele Künstler und Journalisten sich ein Stelldichein im Spiegelzelt in der Schaperstraße gaben? Wollten alle mit Häme erleben, wie die Erfinder des Salon-HipHop unter Buhrufen von der Bühne gejagt werden?
Nein, es war mal wieder eine ihrer typischen Ideen. Pigor & Eichhorn (muss begleiten), sind ein erfolgreiches Duo, was sie mit ihren unzähligen Songs schon lange unter Beweis gestellt haben. Ein Element ihres Erfolgs ist der ach so kollegiale Umgang, bei dem der Pianospieler Benedikt Eichhorn immer zurücksteckt. Ein weiterer Grund könnte sein, dass es von absurd bis aberwitzig in ihren Texten zugeht und oft mit wunderbar verdrehten Sichtweisen alltägliches Verhalten kolportiert wird.
Bei einem Lied, das er der Kartoffel widmet, kündigt er an, dass er sofort abbricht, sobald jemand hustet. Die Provokation wird vom Publikum aufgenommen, er bricht ab und hält einen klaren Vortrag, der in einer Wodkapause mündet. Zuvor jedoch die Ansage, dass danach der Herr Eichhorn sein Enerwé-Lied zum Besten geben würde, was ohne einen entsprechend berauschten Zustand sowieso nicht zu ertragen sei. Strafe und Fluch zugleich. Nach dieser Durststrecke würde er gerne mit der „dritten Hälfte“ fortfahren wollen.
Benedikt wütet und trauert mit der Feststellung „Einen Mann wie mich verlässt man nicht“. Und das Publikum johlt vor Begeisterung bei seinem Solo-Ruhr-Plädoyer, in dem er auch festhält, dass Berlin zu frostig und zu ostig sei. Kopfschüttelnd tritt Pigor in den Vordergrund und schaut sich um. „Was so eine Runde Wodka alles anrichtet.“, ist sein nüchterner Kommentar.
An diesem frivolen Liederabend werden natürlich auch viele Hits wie „Gott ist tot“, „Maulende Rentner“ oder „Hauptbahnhof“ (von Paris), die gelungene Persiflage auf das französische Chanson, zum Besten gegeben. „Interaktives Gedöns“ und Frontalunterricht erfahren die Zuschauer, als sie zum Mitsingen der Deutschen Nationalhymne, aufgrund einer Wette zwischen Pigor und Benedikt, aufgefordert werden. Die Überraschung dabei, Eichhorn singt die zweite Strophe vor, und alle singen mit. Pigor gibt sich geschlagen.
Politisch wird es am Rande noch, als sich Pigor amüsiert, dass ja der Tag der Deutschen Einheit in erster Linie Franz Josef Strauß‘ Geburtstag ist, und somit der 3. Oktober ja doch noch ein Sieg zwischen den Schwergewichtlern Kohl und Strauß wurde. Auf dermaßen abstruse Gedanken kann halt dann doch nur ein Franke kommen, so wie der Pigor eben einer gebürtig ist.
Das Auditorium fordert Zugabe und hat genaue Wünsche. Als erstes wird Heidegger bedient und dann kommt eine Premiere für Pigor, wie er nach der Vorstellung gesteht. Das Volk ruft nur: „Heterosexuelle Männer mit Damenhandtaschen“ und klatscht. Dieser Song, der den Titel ‚Erniedrigend‘ trägt, wurde noch nie als Zugabe verlangt. … „Sie müssen es tun, um ihr Gesicht zu wahren!“ So endet der Song, so endet der Abend.
Ein tief befriedetes Premierenpublikum feierte im Foyer des Spiegelzelts, dass das Scheitern in Berlin doch eher eine Regierungsangelegenheit bleibt…
Fotos: Promo pigor.de | Mehmet Dedeoğlu „dedepress“
©2016 BonMot-Berlin
Uraufführung | Pigor singt. Benedikt Eichhorn muss begleiten.
Pigor & Eichhorn scheitern – Berlin-Spezial
12. – 24. April 2016 [außer 16., 18. + 23. April] | Di – Sa 20 Uhr, So 19 Uhr
Bar jeder Vernunft, Schaperstr. 24, 10719 Berlin
Tickets: Telefon 030.883 15 82 oder reservierungen@bar-jeder-vernunft.de
Karten inkl. aller Gebühren: VVK € 24,50 – 29,50 // Abendkasse € 21,50 – 26,00
Ermäßigte Karten: € 12,50
Website Pigor & Eichhorn mit allen Tourterminen – Bar jeder Vernunft – World of Friends
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