31.01.2015

Fährt Mohammed mit im Zug, Herr Tilly?

Von Jst,

Jacques Tilly,51, ist Bildhauer und Designer aus Düsseldorf. Seit 32 Jahren gestaltet er Wagen für Rosenmontagszüge.

SPIEGEL: Herr Tilly, wird es dieses Jahr den Karnevalswagen mit dem Propheten Mohammed geben?

Tilly: Wir halten die Entwürfe ja immer bis Rosenmontag geheim. Aber Mohammed wird es dieses Jahr sicher nicht geben, auch nicht nach den Anschlägen in Paris.

SPIEGEL: Warum nicht? Darf man sich nicht über den Propheten lustig machen?

Tilly: Natürlich, Satire darf das, und ich bewundere die Kollegen von "Charlie Hebdo". Aber Karneval ist der falsche Ort für Mohammed. Dieses Fest ist für Christen, Muslime und Atheisten. Es sind ja nicht die großen Propheten, die wir kritisieren, sondern das Bodenpersonal. Ich mache mich nicht über Jesus oder Gott lustig, sondern über Kardinal Meisner, Ahmadinedschad oder Osama Bin Laden.

SPIEGEL: 2007 zeigten Sie Selbstmordattentäter mit Sprengstoffgürtel und Säbel, 2010 einen Narrenkopf, der einem Dschihadisten in den Hintern beißt, 2011 gab es die Burka als Müllbeutel. Hatten Sie nie Sorge um Ihr Team?

Tilly: Nein, ich hatte mit Muslimen wenig Ärger. Da waren die Katholiken emotionaler. Ich durfte hier keinen Clown am Kreuz zeigen. Und nach meinem Wagen zum Thema "Kardinal Meisner und Abtreibung" gab es Beschimpfungen und Klageandrohungen ohne Ende. In Mainz wurde ein Wagen meines Kollegen zum Thema Zölibat mit Molotowcocktails beworfen. Der Fahrer wäre fast verbrannt. Das Gewaltproblem hat also nicht nur der Islam.

SPIEGEL: Gibt es Entwürfe, die Sie bereuen?

Tilly: Natürlich. 2011 bastelte ich Guttenberg, der ins Kanzleramt flog, darunter stand: "Merkels 11. September". Nicht so geschmackssicher nach 3000 Toten. Aber es ist auch ein Fehler anzunehmen, dass Satire automatisch auf der Seite des Richtigen ist. 1934 fuhr ein Wagen mit, auf dem als Juden verkleidete Männer mit Gepäckstücken standen, unter dem Motto "Die Letzten ziehen ab".

SPIEGEL: An einem Ihrer Wagen mit Dschihadisten stand: "Wer zuletzt lacht ...". Siegt Humor immer?

Tilly: Ja, ich bin da optimistisch. Gewalt geht vorüber. Der Humor besiegt die Angst, und ohne Angst kann es keine totalitäre Herrschaft geben. Deshalb hassen uns ja auch die Selbstmordattentäter. Und was wäre meine Alternative? Zurückschießen? Nein, Humor tötet nicht.


DER SPIEGEL 6/2015
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