Horrorfilmregisseur Romero Der Mann, der die Zombies tanzen ließ
In seinen Filmen zelebrierte er die Abgründe der Menschen, nun feiert George A. Romero seinen 75. Geburtstag. Seit seinem Erstlingswerk "Die Nacht der lebenden Toten" lehrte der Regisseur mit seinen Zombiestreifen die Welt das Fürchten.
Grunzen, Schlurfen, Stöhnen. Und dazu leere Blicke aus Augen, die nichts Menschliches mehr haben. In den Galerien einer amerikanischen Shoppingmall wandelt das Grauen durch die Gänge. Die Zombies sind los. Und sie suchen die Zivilisation dort heim, wo es doch eigentlich so unbeschwert zugehen soll - beim Einkauf.
Vor diesem Hintergrund und angereichert mit bis heute verstörender Brutalität wurde "Dawn of The Dead" 1978 weltbekannt. Gerade mal 500.000 Dollar kostete der Streifen. Eingespielt hat er über 55 Millionen. Heute gilt sein Schöpfer George A. Romero als Pionier des Zombiefilms und als einer der einflussreichsten Horrorfilmregisseure überhaupt.
Das Grauen erwacht
Die Passion für das Grauen auf der Leinwand entwickelte Romero schon früh. Aufgewachsen in der Bronx begeisterte er sich als Jugendlicher für die klassischen Horrorfilme mit Boris Karloff und Bela Lugosi. Er liebte Frankensteins Monster und die Mumie. Und statt zu Schulbällen oder Basketballturnieren ging Romero lieber ins Kino. Schon mit 14 drehte er eigene Filme mit der Super-8-Kamera. Seine Eltern schickten ihn auf eine katholische Schule, deren Moralvorstellungen ihm nie behagten. "Horrorfilme sind gut, um seine Meinung auszudrücken", sagte Romero später.
Vor der Wandlung zum Meinungsmacher des Grauens gründete Romero nach dem Abschluss an der Uni aber zunächst eine Produktionsgesellschaft - um Dokumentationen und Werbung zu drehen. Dort war der Horror zunächst etwas handfester. Während der Produktion des Lehrfilms "Mr. Rogers werden die Mandeln operiert" entschloss sich Romero, angeödet von Geschichten zur Mundhygiene, dem Schrecken direkt in den Rachen zu schauen. Er begann mit den Dreharbeiten zu seinem ersten Horrorfilm.
In "Die Nacht der lebenden Toten" ließ er den Zombie auf sein Publikum los - ein Ungeheuer, das sein künstlerisches Schaffen stark beeinflussen sollte. Der Film, der 1968 erschien, erlangte unter Cineasten und Horrorfans schon bald Kultstatus.
Das Geschäft mit den Untoten
Der Durchbruch für Romero und das Genre wurde dann aber "Dawn of The Dead". Der Film löste Ende der Siebziger einen wahren Zombie-Boom aus. Denn er traf den Großteil der westlichen Bevölkerung dort, wo es besonders wehtat - beim Verlust des überlegenen Way of life.
Die Idee, das übernatürliche Grauen mit der Banalität des Alltags der US-Gesellschaft zu kombinieren, kam Romero beim Gespräch mit den Besitzern der Monroeville Mall. Die Bekannten des Regisseurs rühmten ihr neues Shoppingzentrum. Das bunkerartige Gebäude in Monroeville, Pennsylvania, so sagten sie, würde sogar vor einem Atomangriff schützen. "Und vor einem Zombieangriff?", fragte Romero - und "Dawn of The Dead" war geboren.
Gedreht wurde der Zombieklassiker dann tatsächlich in der Monroeville Mall - von Mitternacht bis sechs Uhr, wenn die Shops geschlossen waren. Romero durfte nur die Geschäfte nicht filmen, die sich widersetzt hatten - und das waren nicht wenige.
Eingekapselt im Schlaraffenland
In seinem Film wird diese Mall zur Festung: Die Überlebenden "kaufen" in den besitzerlosen Geschäften "ein": Süßigkeiten, Honig, Wurst, Champagner, Kaviar - aus Spaß lassen sie die Kasse klingeln, zahlen aber nie. Ein Paradies. Während draußen die Zombies an der verrammelten Tür schaben, spielen die Überlebenden Golf im leeren Geschäft. Sie laufen Schlittschuh im Eiskunststadion oder ziehen teure Pelzmäntel an und behängen sich mit fetten Uhren. Doch jeden Tag wird die Meute an Zombies vor der Tür größer. "Scheinbar wollen sie zu dem Ort, der ihnen im Leben am liebsten war", bemerkt einer der Überlebenden lapidar.
"Dawn of The Dead" wurde schon als Metapher für so ziemlich alles gelesen. Als bissige Satire auf den amerikanischen Konsumterror - aber auch als Erinnerung an die Dritte-Welt-Länder, die an die Türen des Reichtums klopfen. Später wurden Bezüge zur Aids-Seuche hergestellt oder zum Umgang mit islamischen Terroristen.
Romero bewies aber auch ein gutes Auge für die psychologischen Vorgänge in der Gruppe der Überlebenden: Dominanz, Machtansprüche, Verrat und Vertrauen. Als im Film ein Mitglied der Gruppe gebissen wird, muss beraten werden, was mit ihm zu tun ist - und das ganze Spektrum an menschlichen Abgründen und Sozialdarwinismus tut sich auf.
Die Zombies werden dem Menschen ähnlicher
Im Remake von "Dawn of The Dead" fokussierte Regisseur Zack Snyder 2004 das Zombie-Thema auf den Zeitgeist. Bei ihm wurde der Zombie zur Metapher des Kampfes Amerikas gegen den Terrorismus.
Und auch Romero ließ das Thema nicht los. Nach "Day of The Dead" (1985) meldete er sich nach zwanzigjähriger Zombie-Abstinenz mit neuen Ideen. In "Land of The Dead" von 2006 haust die Elite eines Landes in einem gläsernen Turm. Elektrozäune und Flüsse sichern ihren Luxus, während der Rest der Bevölkerung keine Chance hat, aufzusteigen. Wie beim Einkaufszentrum kapseln sich einige ab. Auf der untersten Stufe wieder die Untoten.
"Zombies sind die Subproletarier in der Monsterwelt", sagt Romero. "Und das ist der Grund, warum ich sie so mag."
Das Vermächtnis des George A. Romero
In seinen Filmen arbeitete sich der Regisseur kontinuierlich an der Bestie Mensch ab. Gegenüber SPIEGEL ONLINE verriet er 2005: "Die größten Monster sind doch sowieso unsere Nachbarn, der schlimmste Horror befindet sich immer direkt nebenan."
Trotz seines umfassenden Werkes ist George A. Romero dann doch etwas frustriert. Denn obwohl seine Filme so bekannt sind, beinahe Legenden des Horrorfilms und der Gegenkultur, kam das große Geld nie bei ihm an. Zwar redete ihm nie ein großes Studio in seine Vision hinein, dafür musste er die Filme aber auch immer mit schmalem Budget drehen. Vielleicht könne man nur so Filme machen, die eine Spielzeit überdauern, sagte er in seinem Interview SPIEGEL ONLINE. Die Anerkennung im Underground und in der Kulturszene hat er zumindest erreicht. Sein Erstling "Night of The Living Dead" schaffte es in die Sammlung des Museum of Modern Art in New York. Ein Film, so unsterblich wie Zombies.
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