24.01.2015

Briefe Misstrauen überall

Nr. 4/2015 Der Terror der Verlierer - Warum junge Männer Europa den Krieg erklären

"Wir müssen uns fragen, inwieweit wir an den brutalen Eruptionen einer verlorenen Generation Schuld tragen."

Bernd Reich, Buxtehude (Nieders.)

Angesichts des Erfolgs, mit dem islamistische Rattenfänger diese Jugendlichen zu Kanonenfutter des IS oder der Qaida machen, ist klar, dass wir mit dem Problem mehr zu tun haben, als uns recht sein kann. Möglicherweise müssen wir dann erkennen, wie weit wir als ehemalige Solidargemeinschaften mit sozialer Marktwirtschaft zu turbokapitalistischen Kapitalaristokratien verkommen sind, die unfähig sind, die Schwachen und Unterprivilegierten in ihrer Mitte zu halten.

Volkhard Ziegler, Witten (NRW)

Ihr Titelbild ist ja geradezu ein weiterer Ansporn für gewaltbereite Islamisten, wieder ein paar Leute umzubringen, um sich so über den Tod hinaus den Gesinnungsgenossen zu zeigen. In derselben Ausgabe spricht Olivier Roy von der "narzisstischen Gewaltkultur" der Attentäter. Das bestätigt mich darin, dass Sie mit diesem Cover dem nächsten Attentat Vorschub leisten.

Wolfgang Schaefer, Altleiningen (Rhld.-Pf.)

Es macht mich traurig, ja fast wütend, dass ausgerechnet diejenigen, die durch die strikte Auslegung, dass der Prophet nicht abgebildet - geschweige denn durch Satire verunglimpft - werden darf, den Nährboden für die Morde in Paris bereitet haben, in der ersten Reihe der Demonstrationen und sogar vor Redaktionen für Meinungs- und Pressefreiheit eintreten. Hätten sie das mit einer Ausgabe von "Charlie Hebdo" in der Hand getan, hätten sie meine Hochachtung. Solange die Imame, Muslimverbände und Gelehrten keine eindeutige Stellungnahme dazu abgeben, sind sie für mich mitverantwortlich für weitere Attentate und Morde - wie die Reaktionen der arabischen Zeitungen auf die neue "Charlie Hebdo"-Ausgabe es erwarten lassen.

Hubert Krämer, Leverkusen

Die muslimischen Teilnehmer unseres Kreises werden schon länger mit antiislamischen Ressentiments konfrontiert. Nach den Attentaten von Paris befinden sie sich in einer bedrückenden Situation. Die durch nichts zu rechtfertigenden Morde in Paris (oder in Nigeria oder Syrien) haben nichts mit ihrem Verständnis des Islam und ihrer Praxis zu tun, nach der sie hier ihr Leben gestalten. Dennoch werden sie ständig gedrängt, ihre Friedfertigkeit durch öffentliche Distanzierungen unter Beweis zu stellen. Diese Forderung wird zunehmend als Ausgrenzung erfahren. Das Misstrauen, das hinter solchen Forderungen steckt, erschwert das Zusammenleben im Alltag. Gerade auch jüngere Muslime registrieren dies sehr genau. Ihre legitime Forderung nach gleichberechtigter Teilhabe am Leben verhallt und zeigt, dass die Gesellschaft sich trotz aller Lippenbekenntnisse immer noch nicht auf die Präsenz des Islam in Deutschland eingelassen hat.

Prof. Dr. Wolf-Dieter Just,

Christlich-islamischer Gesprächskreis Duisburg

An dem Tag, an dem man mir mindestens ein Land nennt, das den Islam als Staatsreligion führt und das nicht auto- oder plutokratisch, despotisch oder terroristisch beherrscht wird und in dem man nach seiner Fasson selig werden kann, glaube ich, dass der Islam auch zu uns gehört.

Manfred Schwarz, Paderborn

Haben wir, die demokratische Welt, es wirklich nötig, den Propheten Mohammed zu verunglimpfen, nur weil einige Verrückte seinen Namen missbrauchen, um zu morden? Wir haben es nicht nötig und schon gar nicht, um der Welt unsere Prinzipien der Pressefreiheit zu beweisen. Also könnten wir es auch lassen.

Imri Rapaport, Berlin

Ich sehe Deutschland in einer ähnlichen Situation wie Frankreich und würde mir wünschen, dass unsere Politiker mit ihren Äußerungen, dass der Islam zu Deutschland gehört, etwas dezidierter darauf eingehen, welche Form des Islam in Deutschland geduldet und akzeptiert wird.

Klaus Schepull, Berlin

Vier Tote beim Attentat auf das Jüdische Museum in Brüssel im vergangenen Mai, schlimm genug für anderthalb Tage TV-Berichterstattung, einen Artikel im  Spiegel , nicht schlimm genug für eine ausgedehnte Ursachenforschung, denn dann ist wieder Ebbe. Bomben in Madrid und London, kurze Empörung, Aufschrei, dann kehrt der Alltag ein. Hunderte Tote in Nigeria nach dem Terror von Boko Haram Anfang Januar, fast zeitgleich mit den Paris-Morden, doch nur eine Randnotiz. Und jetzt dieses mediale Dauerfeuer. Vielleicht auch, weil jetzt Journalisten Opfer sind? So übel diese Morde sind, frage ich mich nach der Verhältnismäßigkeit der Berichterstattung.

Stephan Hamacher, Düsseldorf


DER SPIEGEL 5/2015
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