Starke Quartalszahlen: Amazon kriegt die Kurve

Von , New York

Amazon-Logistikcenter in Polen: Quartalsgewinn von 591 Millionen Dollar Zur Großansicht
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Amazon-Logistikcenter in Polen: Quartalsgewinn von 591 Millionen Dollar

Ende der Durststrecke: Mit guten Bilanzzahlen überraschte Online-Händler Amazon die Wall Street - vor allem dank seines Streaming-Dienstes. Das Nachsehen haben Rivalen wie Netflix und Google.

Wenig Zeit? Am Textende gibt's eine Zusammenfassung.

Ein bisschen Glamour schadet nichts. Das muss sich Jeff Bezos gedacht haben, der Gründer und Vorstandschef des Online-Händlers Amazon, als er neulich der Verleihung der Golden Globes in Hollywood beiwohnte. Da stolzierte der Internetmilliardär im Smoking über den roten Teppich, posierte mit Stars, Starlets und schließlich mit zwei Golden Globes für "Transparent" - die ersten für eine eigene Amazon-Serie.

Bezos lag goldrichtig: Mit einer besser als erwarteten Bilanz ließ Amazon am Donnerstag nicht nur eine lange Durststrecke hinter sich - sondern auch Rivalen wie Netflix und Google. Die Ehre gebührte vor allem Amazons Video-Streaming-Dienst. Dessen Abonnentenkartei - über die exakte Zahl schweigt sich Amazon auch weiter aus - wuchs im vergangenen Jahr um 53 Prozent, trotz eines 25-prozentigen Anstiegs der Jahresgebühr auf 99 Dollar.

"Prime ist ein einzigartiges Buffet", prahlte Bezos und verriet ein sonst selten veröffentlichtes Detail: 2014 steckte Amazon 1,3 Milliarden Dollar in Prime Instant Video, sein Konkurrenzangebot zum Streaming-Marktführer Netflix. Dessen Wachstum verlangsamt sich, trotz dreimal so hoher Investitionen und zuletzt 57,4 Millionen Abonnenten weltweit.

Gesamtverlust - aber starke Quartalszahlen

Nach verlustreichen Quartalen, in denen es Milliarden an Investitionen verbrannte, ohne auf einen grünen Zweig zu kommen, scheint Amazon die Kurve zu kriegen. Bezos' riskante Strategie zahlt sich aus: Wachsende Umsätze bescherten ihm einen Quartalsgewinn von 591 Millionen Dollar, 81 Millionen Dollar mehr als im Vorjahresvergleich.

Zwar schloss Amazon 2014 immer noch mit 241 Millionen Dollar Gesamtverlust ab. Dennoch waren diese Ergebnisse viel besser, als es die skeptischen Wall-Street-Analysten erwartet hatten. Die Anleger dankten es Amazon denn auch mit einem nachbörslichen Kursschub.

Dafür sorgte nicht zuletzt eben Prime, Amazons VIP-Lieferdienst plus Video-Streaming für Musik, Filme, Serien und "Transparent", das bisher gewagteste Eigenprodukt. Die Story eines transsexuellen Familienvaters schlug die Netflix-Frauenknast-Satire "Orange Is the New Black" im Golden-Globe-Rennen um die beste Komödie - und verschaffte dem Hauptdarsteller Jeffrey Tambor, 70, ebenfalls einen Globe, den ersten seiner langen Karriere als Charakterschauspieler.

Produzieren, bestellen, liefern - Amazon macht alles

Das alles ist telegener Schmuck für Bezos' eiskaltes Kalkül: Er baut sein 20-jähriges Online-Kaufhaus zum autarken Markt aus, dessen Kunden Amazon-Produkte konsumieren, bestellt via Amazon, geliefert via Amazon, gestreamt via Amazon. Dahinein passt auch Amazons jüngstes Angebot, ein E-Mail-Dienst für Geschäftskunden, sowie sein gnadenlos durchgezogener Streit mit der US-Buchbranche um E-Book-Preise. Motto: Kontrolle ist alles.

"Amazon wird zu einer Organisation, die über den Einzelhandel hinausgeht und Dinge findet, die es interessant macht und langfristig unterscheidet", sagte der Analyst TJ Keitt der Zeitung "USA Today".

Damit macht Bezos - der die US-Medienlandschaft schockierte, als er die "Washington Post" kaufte - nicht nur Netflix Konkurrenz. Sondern auch anderen Web-Giganten wie Microsoft und Google.

Google-Aktie sackt trotz Gewinn ab

Letzteres tritt zurzeit auf der Stelle. Ebenfalls am Donnerstag mussten sich Google-Finanzchef Patrick Pichette und der aus London zugeschaltete Chief Business Officer Omid Kordestani telefonisch für eine enttäuschende Bilanz rechtfertigen - in einer Konferenz mit Analysten, die ironischerweise von technischen Pannen geplagt war.

Zwar wuchs Googles Quartalsumsatz von 15,7 Milliarden auf 18,1 Milliarden Dollar. Doch war das - umgekehrt als bei Amazon - weniger, als die Wall Street erwartet hatte. Prompt sackte die Google-Aktie ab.

Verantwortlich für den Dämpfer war die Onlinewerbung: Zwar stiegen die Klicks dort um 14 Prozent, brachten aber drei Prozent weniger Geld ein. Diese Sorge drückt den Google-Kurs seit Monaten - obwohl längst täglich mehr als eine Milliarde Nutzer allein das Google-Videoportal YouTube nutzen. Doch YouTube und die digitale Streaming-Plattform Google Play sind nur vergleichsweise kleine Teile des Google-Puzzles.

Amazon denkt derweil schon dramatisch voraus: Als nächstes will es Hollywood durcheinanderwirbeln und eigene Kinofilme produzieren. Beim Sundance Film Festival war Amazons Studiochef Roy Price - dessen Vater in den Achtzigerjahren die altehrwürdigen Universal Studios leitete - auf allen Partys zu sehen. Nächster Stop - ein Oscar?

Zusammenfassung: Amazon hat einen überraschend hohen Quartalsgewinn eingefahren - die Anleger reagierten positiv. Das liegt vor allem am florierenden Video-Streaming-Dienst. Bei Google ist die Stimmung schlechter: Der - immer noch sehr hohe - Gewinn blieb hinter den Erwartungen zurück, die Aktie sackte ab.

Das SPIEGEL-ONLINE-Wirtschaftsressort testet für eine Woche den "Zusammengefasst"-Absatz. Kritik, Feedback, Anregungen? Bitte hier.

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insgesamt 34 Beiträge
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1.
s342 30.01.2015
Das ist ja für die Aktionäre gerade noch gut gegangen. Ein Glück das Amazon in Deutschland kaum Steuern zahlt, denn dann wäre der Gewinn noch wesentlich schlechter ausgefallen...
2. Amazon
berney 30.01.2015
steht für mich für Kapitalismus im Jahr 2015. Verluste über Verluste werden Jahr für Jahr in exorbitanter Höhe gemacht, die nur mit der Aussicht auf eine baldige Refinanzierung. Da ist Geld doch wirklich nur noch zahlen auf Papier. Erinnert mich ein wenig an die Finanzpolitik von Staaten.
3.
andihh75 30.01.2015
Mir wäre es lieber gewesen wenn dieser Saftladen die Kurve NICHT gekriegt hätte! Wenn die Welt in Zukunft nur noch so wie Amazon funktioniert dann gute Nacht! Konsum Konsum und nochmal Konsum funktioniert hoffentlich auf Dauer NICHT!!!
4. Es sei Amazon gegönnt
Brother Lui 30.01.2015
Seit über 15 Jahren nutze ich Amazon und hatte nie einen Grund der Beanstandung, inzwischen sind es in Spitzenmonaten rund 20 Bestellungen, in Summe oft mehr als 1000 Euro. Wenn etwas einfach perfekt ist, warum noch im muffigen und schlecht sortierten Einzelhandel kaufen? Ich freue mich jetzt schon auf neue Innovationen von Amazon!
5. Sicherlich...
fatherted98 30.01.2015
...nicht nur dem Streaming Dienst geschuldet. Amazaon hat gewaltig in die Verbesserung seiner Logistik investiert...das schmällerte den Gewinn im letzten Jahr erheblich...und zahlt sich jetzt aus.
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