Front National : Sarkozy wildert bei den Extremisten

Die rechtsextreme Partei Front National erstarkt. Doch der konservative Ex-Präsident Sarkozy rückt ihr politisch näher – und triumphiert so bei der Regionalwahl.
Wahlgewinner Nicolas Sarkozy mit der Front-National-Chefin Marine Le Pen © Alain Apaydin/dpa

Nicolas Sarkozy kann sich freuen. Für den ehemaligen französischen Staatschef waren die Wahlen in den Departements der erste politische Test seit seiner Ernennung zum Parteichef der konservativen UMP im vergangenen Herbst. Er hat ihn bestanden. 

Die Wahlen waren auch ein inoffizielles Referendum darüber, ob Sarkozy bei der Präsidentschaftswahl 2017 der geeignete Kandidat wäre, das gespaltene Frankreich zu einen und die rechtsnationale Front National (FN) zurückzudrängen. Die Franzosen trauen das mehrheitlich Sarkozy zu: Nach dem ersten Wahlgang liegt seine UMP deutlich in Führung. Etwa 170 der französischen Kantone gingen auf Anhieb an konservative Räte. Die FN schnitt schwächer ab als erwartet und kann sich erst sechs Kantone sicher sein. Die regierenden Sozialisten stellen 44 Räte, sind aber bei der Stichwahl am nächsten Sonntag in etwa 500 Departements überhaupt nicht mehr mit von der Partie.

Ein Ergebnis ist deutlich und lieferte Sarkozy noch am Wahlabend das Argument für seine Überzeugung eines bevorstehenden Regierungswechsels in Paris: Nach den Kommunalwahlen im März vergangenen Jahres, als die Sozialisten ihre Mehrheit in den Gemeinden verloren, haben die Franzosen ihnen nun auch das Vertrauen in einer Vielzahl der Departements entzogen.

Das zweite Ergebnis ist: Gegen die europafeindlichen Rechtsnationalen von Marine Le Pen kann zumindest derzeit nur gewinnen, wer einen Teil ihres ausländer- und islamfeindlichen Vokabulars übernimmt. Das hat Sarkozy getan. Bei seinem letzten Wahlkampfauftritt am Freitag in Dammarie-les-Lys südlich von Paris verwandte er die Hälfte seiner Redezeit auf die Themen nationale Identität und Immigration. "Wir sind ein im Christentum verwurzeltes Land, das einer Zivilisation angehört, der europäischen Zivilisation", sagte er. "Wir wollen unsere Art zu leben beibehalten. Wer zu uns kommt, muss sich assimilieren, unsere Lebensart und unsere Kultur annehmen."

Fast so deutlich wie Le Pen

Angriffslustig fragte er, ob "wir vielleicht unsere Schuhe anbehalten, wenn wir eine Moschee besuchen". Zudem lobte sich Sarkozy selbst dafür, dass er als Staatschef sämtliche Vorstöße zu einem EU-Beitritt der Türkei abgelehnt habe, und kritisierte die Europäische Union erneut für das Schengen-Abkommen, das die Grenzen abgeschafft habe und nun alle Ausländer von den "großzügigen Sozialleistungen Frankreichs" profitieren lasse.

Deutlicher hätte es auch Le Pen nicht ausführen können.

Wer nun stutzt, weil landes- und europapolitische Themen derart über den Ausgang von Wahlen entscheiden können, die doch eher jenen von Kreistagen in Deutschland ähneln, dem sei Folgendes gesagt: Über Fragen, die künftig in den Departements entschieden werden sollen, ging es in diesem Wahlkampf nie. Schon deshalb nicht, weil erst im Laufe des Jahres ein Gesetz ihre Zuständigkeiten bestimmen soll. Noch vor einem Jahr sollten die etwa 4.000 Kantone im Rahmen einer Reform zum Abbau der überbordenden französischen Bürokratie ganz abgeschafft werden. Da dies am Aufstand der betroffenen Politiker scheiterte, sollen ihre Kompetenzen nun neu justiert werden.

Es ist davon auszugehen, dass sie etwa die Verantwortung für den Bau und Erhalt von Schulen und Bibliotheken behalten, die Zuständigkeit für die Auszahlung von Sozialhilfe und bestimmten Wirtschaftsförderungsmaßnahmen sowie für die Instandhaltung eines rund 380.000 Kilometer langen Straßennetzes.

Sozialisten gehen unangenehmen Fragen aus dem Weg

Mangels konkreter Aufgaben für die zu wählenden Politiker konzentrierte sich der Wahlkampf auf den seit vorigem Jahr zu beobachtenden Höhenflug der FN, der Sozialisten wie Konservative gleichermaßen beunruhigt. Halten sich die beiden Parteien doch für die einzig berechtigten Vertreter eines "republikanischen Frankreichs". Gleichzeitig leiden beide Parteien unter einer grassierenden Politikverdrossenheit der Franzosen. Sie trauen den etablierten Parteien die Lösung der aktuellen Probleme wie die hohe Arbeitslosigkeit und die wirtschaftliche Schwäche des Landes nicht mehr zu. Bei der Europawahl im Mai 2014 wählte jeder vierte Franzose die FN. Sie wurde stärkste Partei in Frankreich. Für 2017 kann sich Parteichefin Marine Le Pen gute Chancen ausrechnen, in die Stichwahl um das Amt des Staatschefs zu gelangen.

Während der sozialistische Premierminister Manuel Valls wörtlich seine Furcht formulierte, Frankreich könne an der FN "zerschellen", packte Sarkozy den Teufel bei den Hörnern und spannte ihn für seine Zwecke ein.

Zu Recht, wie Jean-Pierre Le Goff, Soziologie am renommierten Forschungsinstitut CNRS, meint. Le Goff wirft den Sozialisten vor, dass sie seit den Attentaten islamischer Extremisten im Januar gegen die Redaktion des Satire-Magazins Charlie Hebdo und einen jüdischen Supermarkt in Paris sämtlichen unangenehmen Fragen aus dem Weg gingen. "Probleme werden um jeden Preis negiert oder zumindest minimisiert", kritisiert der Wissenschaftler. Da sie im demokratischen politischen Rahmen keine Ausdrucksmöglichkeit fänden, "kommen sie über die Hintertür des Populismus und des Extremismus."

Ex-Präsident Sarkozy könnte also recht behalten mit seiner Einschätzung, dass die Uhr für die Sozialisten tickt. Die Frage ist nur, wie weit rechts die nächste Regierung steht.

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Kommentare

91 Kommentare Seite 1 von 10 Kommentieren

Na dann,

viel Spaß beim Spaziergang durch Ihre kleine Welt.

Hier sind Sie mit Ihresgleichen unter sich, müssen keinen Widerspruch fürchten, können in aller Ruhe Ihre Verschwörungstheorien ausbrüten.

Sie werden damit aber nie mehr sein als eine geschlossene Gruppe von einigen Tausend.

Schauen Sie, wenn die Mehrheit der Deutschen so denke die einige Tausend Pegidarasten, dann wäre Deutschland ein Schwellenland!

Sie werden niemals die Mehrheit sein.

Wie kommen Sie darauf, dass diese Gruppe nicht

informiert ist? Das unterstellen Sie, aber wissen tun Sies nicht. Die Kampagne gegen Unzufriedenheit, macht Opfer zu Tätern und andersherum. So hat die Politik geschafft, was sie wollte. Reale Probleme werden nicht benannt oder weggeschwiegen, weil linke Realitätsverweigerer und rechte Idioten schön aufeinander losgehen, während die sozialen Probleme munter anwachsen. Aber es gibt die unzufriedene Mitte (und das ist nicht synonym mit uninformierten Glatzköpfen)