Frankreich : Der Front National greift nach dem nächsten Mandat

Eine Nachwahl zum Parlament kann den Rechtsextremen in Frankreich heute einen Prestigesieg bringen. Sie profitieren vom unklaren Kurs der zerstrittenen bürgerlichen UMP.
"Eine Abgeordnete für das Volk" plakatiert die Kandidatin des Front National Sophie Montel im ostfranzösischen Doubs. © Sebastien Bozon/AFP/Getty Images

Frankreich blickt am heutigen Sonntag auf das kleine Département Doubs im Osten des Landes. Die erste Wahl nach den Terroranschlägen von Paris vor vier Wochen findet weit mehr Interesse als andere Abstimmungen auf lokaler Ebene. Das liegt auch an der ambivalenten Konstellation dieser Stichwahl: Erstmals tritt eine Kandidatin des rechtsextremen Front National (FN) gegen einen Sozialisten an, während die konservative UMP – drittplatziert im ersten Wahlgang ausgeschieden – über ihren Kurs streitet und keinerlei Empfehlung an ihre Anhänger im Doubs gibt.

Im 4. Wahlkreis dieser Industrieregion – Peugeot ist der größte Arbeitgeber – an der Schweizer Grenze wurde eine Nachwahl nötig, da der Sozialist Pierre Moscovici seit November EU-Wirtschafts- und Währungskommissar ist. Sein 2012 gewonnenes Mandat in der Pariser Nationalversammlung ist also vakant. Sollte die FN-Kandidatin Sophie Montel wie im ersten Wahlgang vorn liegen, würde die Partei von Marine Le Pen ihren dritten Sitz in der Pariser Nationalversammlung erringen. Das wiederum wäre ein alarmierendes Omen für die landesweiten Départements-Wahlen am 22. und 29. März.

Die Weder-Noch-Strategie

Die Europa-Abgeordnete Sophie Montel, die unablässig vor der "islamistischen Gefahr" in Frankreich warnt, erhielt in der ersten Runde 32,6 Prozent der Stimmen. Der Sozialist Frédéric Barbier, der im Juli 2012 als Ersatz für Moscovici – der als Finanzminister ins Kabinett eintrat – ins Parlament nachgerückt war, bekam nur 28,8 Prozent. In der Stichwahl würden normalerweise die Wähler des knapp gescheiterten UMP-Kandidaten Charles Demouge (26,5 Prozent) den Ausschlag geben. Doch die zerstrittene bürgerliche Mitte-Rechts-Partei hat die Parole "Weder noch" (ni-ni) ausgegeben – das könnte dem Front National den Weg zum Sieg ebnen. Die im Januar viel beschworene "republikanische Front" für Pluralismus und gegen rechtsextremen Hass findet somit im Testgelände Doubs nicht statt.

Die Sozialisten setzten eigentlich darauf, von der demonstrativen Einheit zu profitieren, die Frankreich nach den Anschlägen mit 17 Toten auf die Satirezeitschrift Charlie Hebdo und einen koscheren Supermarkt gezeigt hatte. Vor allem Staatspräsident François Hollande hatte nach den Attentaten für sein besonnenes Krisenmanagement viel Zustimmung erhalten: Er bemühte sich, der Stimmungsmache gegen die fünf Millionen Muslime in Frankreich entgegenzutreten.

Angesichts der niedrigen Wahlbeteiligung von 40 Prozent im ersten Gang kann der sozialistische Kandidat Barbier aber kaum darauf hoffen, heute die Unentschlossenen und Nichtwähler gegen den Front National zu mobilisieren. Ohnehin ist hier die Neigung zum Flirt mit den Rechtsextremen groß: Der FN hatte 2014 bei den Europawahlen 36 Prozent der Stimmen im 4. Wahlkreis des Doubs erreicht – und landesweit sensationelle 25 Prozent. Nur das Mehrheitswahlrecht hat bisher verhindert, dass die Rechtsextremen entsprechend ihrer Wählerzahl in der Nationalversammlung vertreten sind. Dieser Effekt hält allerdings nur so lange, wie keine der anderen Parteien einen FN-Kandidaten offen oder auch indirekt – durch Enthaltung – unterstützt.

Streit zwischen Sarkozy und Juppé

Genau dieser Dammbruch steht jetzt bei der UMP zur Debatte. Die hochgradig verunsicherte Partei von Ex-Staatschef Nicolas Sarkozy sucht eine Strategie für die Präsidentschaftswahlen 2017 – und den richtigen Kandidaten. Am Samstag gab es Pfiffe und Buhrufe für den Ex-Premierminister Alain Juppé, der sich auf einem UMP-Parteitag in Paris gegen jede Kooperation mit dem FN stellte. Juppé hatte vorab gescherzt, er würde mit Schutzhelm und kugelsicherer Weste zu dem Treffen gehen, denn er empfiehlt, bei der Nachwahl im Doubs für den Sozialisten zu stimmen. Jedes Entgegenkommen in Richtung FN sei "Selbstmord" für die UMP, so Juppé, der eine Öffnung zur Mitte will, wo seiner Ansicht nach viele enttäuschte Hollande-Wähler warten.

Sarkozy warf seinem Rivalen Juppé vor, die Partei mit solchen "Provokationen" zu spalten – zugleich scheiterte er am Samstag mit dem Versuch, die Feindseligkeit eines Teils der UMP-Delegierten gegen Juppé zu verhindern. Seine Autorität als Vorsitzender ist nach dem Wahldebakel im Doubs beschädigt. Dass laut Umfragen ein Drittel der UMP-Wähler bei der Stichwahl bereit sind, der FN-Kandidatin ihre Stimme zu geben, sieht Sarkozy nicht als Problem einer ideologischen Vergiftung seiner Partei. Er glaubt, dass darin nur eine Botschaft stecke: "Ändert euch und wir kommen zurück." Er meint: Zurück zu einem Kandidaten für 2017, Nicolas Sarkozy, der unzweideutig nach rechts blinkt.

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