Mohammed-Karikaturen : "Charlie Hebdo"-Chefredakteur kritisiert westliche Medien

Gerard Biard beklagt, dass einige Zeitungen das Titelbild der aktuellen Ausgabe nicht gezeigt haben. Sie verweigerten ein Symbol für Demokratie.
Gerard Biard, der aktuelle Chefredakteur des Satiremagazins "Charlie Hebdo" © Martin Bureau/Getty Images

Der Chefredakteur des französischen Satiremagazins Charlie Hebdo, Gérard Biard, hat Kritik an westlichen Medien geübt, die sich dagegen entschieden haben, das Titelblatt der jüngsten Ausgabe mit einer Mohammed-Karikatur zu veröffentlichen.

Wenn Zeitungen in totalitären Staaten so handelten, sei es ihnen nicht zu verübeln, da ihren Mitarbeitern Gefängnis oder sogar Tod drohe, sagte Biard in einem Interview des US-Senders NBC News. Mit Medien in Demokratien verhalte sich das anders.

"Diese Karikatur ist nicht einfach eine kleine Figur, ein kleiner Mohammed, der von Künstlern gezeichnet wurde", betonte Biard. "Es ist ein Symbol, ein Symbol für die Meinungsfreiheit, die Religionsfreiheit, für Demokratie und Säkularismus. Es ist dieses Symbol, dessen Veröffentlichung sie verweigern."

NBC News gehört zu den Medien, die sich dafür entschieden haben, das Titelblatt nicht zu zeigen, ebenso wie viele andere US-Medien. In Deutschland hatten einige Zeitungen das neu Charlie Hebdo-Cover nachgedruckt, andere hatten ebenfalls darauf verzichtet. Die gedruckte Ausgabe des Satiremagazins war hierzulande innerhalb von Minuten vergriffen.

"Wir sind keine Krieger"

Die Veröffentlichung der Karikatur wenige Tage nach dem Terroranschlag auf das Magazin in Paris mit zwölf Toten hat in Teilen der islamischen Welt gewalttätige Proteste ausgelöst.

Biard wandte sich dagegen, das Blatt als Provokateur anzuprangern. "Wir sind keine Krieger", sagte er. "Wir haben niemanden getötet. Wir dürfen Denker und Künstler nicht in dieselbe Kategorie einordnen wie Mörder." Weiter sagte er: "Wir müssen damit aufhören zu erklären, dass jene, die schreiben und zeichnen, Provokateure sind, die Benzin ins Feuer gießen."

Hoffnung auf mutige Journalisten

Der US-Medienfachmann Jeff Jarvis sieht nach dem Attentat Charlie Hebdo die Redefreiheit in Gefahr. Er hoffe, dass sich Journalisten jetzt nicht zurückzögen und weiter den Mut hätten, für die freie Meinungsäußerung einzustehen, sagte Jarvis auf der Internetkonferenz DLD. Er kritisierte etwa die New York Times, die anders als viele europäische Zeitungen keine der umstrittenen Karikaturen gedruckt hatte.

Der französische TV-Journalist Bruno Patino sagte in München, er sei sich nicht sicher, ob die Attentate Frankreich verändern würden. Die französischen Medien aber habe dies bereits verändert.

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Kommentare

198 Kommentare Seite 1 von 20 Kommentieren

Satire soll polemisieren, aber nicht anstacheln

"Was Sie fordern (mehr "Diplomatie" im Satirischen), läuft auf die Vernichtung der Satire selbst hinaus."

So wie es aussieht, läuft es gerade eher darauf hinaus, dass die Satire die Vernichtung des sozialen Friedens bewerkstelligt. Das ist auch nicht der Sinn der Sache gewesen!

Meinungsfreiheit darf niemals so weit gehen, dass ich andere durch den Ausdruck meiner Meinung willkürlich in Gefahr bringe. Wenn ich Extremisten eine Steilvorlage liefere, sich in ihrem Anliegen bestätigt zu fühlen, indem ich dieselbe Provokation jetzt erst recht wiederhole, bringe ich durch meine Meinungsäußerung andere Zivilisten in Gefahr. Dessen sollten sich die Zeichner bewusst sein.

Denn ihre Zeichnung ist nicht nur ein Zeichen der Meinungsfreiheit — sondern kann dadurch, dass sie bewusst ein islamisches Tabu angreift, auch als Arroganz und Triumph westlicher Werte über allen anderen verstanden werden.

@atencion

>Denn ihre Zeichnung ist nicht nur ein Zeichen der Meinungsfreiheit — sondern kann dadurch, dass sie bewusst ein islamisches Tabu angreift, auch als Arroganz und Triumph westlicher Werte über allen anderen verstanden werden.<

Niemand ist daran gehindert, dies zu kritisieren. Sie können die Karikaturen nach Belieben kritisieren, als "arrogant", "triumphal" etc.; jeder andere kann das auch. Was Sie in einem freien Land jedoch NICHT können, ist, ein Verbot solcher Karikaturen zu verlangen.

Wie wahnsinnig müsste man im Übrigen sein, ein solches zu verlangen?
Eine "geradere" Kapitulationserklärung gegenüber den Terroristen wäre kaum denkbar. Sie hätten ihr Ziel erreicht. Mit blanker Gewalt.

Denken Sie es bitte zu Ende: Wenn man Ihrer Auffassung folgte, könnte sich jede Gruppe gegen satirische Kritik immunisieren, indem sie einfach nur genügend oft für gewalttätige Ausschreitungen sorgt.

Blinde Gewalt würde letztlich bestimmen, was publiziert werden darf, und was nicht.

Satire lebt von der Provokation. Allein, dass Sie im vorigen Kommentar von der Satire verlangten, "diplomatischer" zu sein, zeigt, dass Sie nicht im Ansatz verstanden haben, was Satire ist.

@Standpunkt

"Eine 'geradere' Kapitulationserklärung gegenüber den Terroristen wäre kaum denkbar. Sie hätten ihr Ziel erreicht. Mit blanker Gewalt." Ich glaube eher, dass die Ziele der Terroristen sind, die Gesellschaft absichtlich zu spalten, denn in einer aufeinandergehetzten Gesellschaft ist es einfacher, seine Ideologie zu verbreiten.

"Was Sie in einem freien Land jedoch NICHT können, ist, ein Verbot solcher Karikaturen zu verlangen." Von einem VERBOT haben Sie als Erste/r gesprochen.

Was ich verlange, sind Besonnenheit, Verantwortungsbewusstsein, Reflektion und Gemeinsinn. Was ich sehe, ist aber, dass die Meinungsfreiheit so umgedeutet wird, als ob sie das absolute Gut sei. Meinungsfreiheit und Respekt sind zwei ebenbürtige Grundpfeiler einer Demokratie, und wenn schon nicht aus Respekt zu einer fremden Religion, dann schon aus Respekt zu ihren Mitbürgern, deren Leben sie in der Anheizung eines interkulturellen Konflikts bedenklos mit aufs Spiel setzen. Sie reden von Meinungsfreiheit, ich von sozialer Verantwortung. Denn wenn Sie mit dem Gebrauch Ihrer Meinungsfreiheit den sozialen Frieden gefährden, benutze ich mein Recht auf Meinungsfreiheit, Sie zum Einhalt zu gebieten.