Terroranschlag in Paris : Der Stolz, Journalist zu sein

Die Pariser Untat, die Lügenpressevorwürfe, die wachsende Intoleranz gegenüber allem Offenen erinnern uns daran, wie verletzlich Demokratie und Pressefreiheit sind.
Demonstration in Paris nach dem Anschlag auf "Charlie Hebdo" © Laurent Dard/AFP/Getty Images

Am liebsten würde man den Attentätern von Paris ins Gesicht schreien, dass ihre irre Tat nichts bewirken wird, gar nichts. Aber das stimmt nicht. Im schlechteren Fall schüchtert uns dieser Angriff auf die europäische Pressefreiheit ein, im besseren Fall weckt er uns auf.

In den vergangenen Monaten haben wir uns unablässig mit der Krise unserer Branche beschäftigt, mit Auflagen und Klicks, mit dem Verhältnis von Print und Online, zuletzt auch viel mit dem permanenten Shitstorm gegen die "Lügen- und Mainstreampresse". Diese Diskussionen waren weder überflüssig noch werden sie nach dem 7. Januar 2015 aufhören. Doch vielleicht hat all das uns vom Wesen unserer Arbeit und der Würde unseres Berufs mitunter abgelenkt. Und von den Gefahren, die damit verbunden sind, nach der Wahrheit zu forschen, seine Meinung zu sagen und der Intoleranz Schmerzen zuzufügen, wie das in drastischer – und man muss jetzt sagen: todesverachtender Weise Charlie Hebdo getan hat.

Zeitungen, Nachrichtenportale, Radio und Fernsehen sind die Werkzeuge der Wahrheit und die Medien des großen, immerwährenden Selbstgesprächs unserer demokratischen Gesellschaft, sie verwandeln Aggression in Argumente, Feinde in Gegner, Vorurteile in Urteile, Entfremdung in Bekanntschaft; sie testen Grenzen aus, bisweilen Schmerzgrenzen. Auch letzteres müssen Medien tun dürfen. Zum Stil von ZEIT und ZEIT ONLINE gehört diese Art des verletzenden und blasphemischen Journalismus nicht, zu unserem liberalen Wesen aber gehört, dass Satire, auch verletzende in der Demokratie ausgehalten werden muss und unter keinen Umständen von Repression oder gar Mord bedroht sein darf. Schrecklich, das überhaupt aussprechen zu müssen.

Bernd Ulrich

Bernd Ulrich ist stellvetretender Chefredakteur und Leiter des Politikressorts der ZEIT. Seine Profilseite finden Sie hier.

Wenn die Medien ihre Funktion erfüllen sollen, dann müssen sie plural sein, also sehr verschiedene Standpunkte vertreten. Mit einer Ausnahme: Zeitungen können, wenn sie denn demokratisch sind, gar nicht anders, als jederzeit, für alle und überall die Freiheit der Meinungsäußerung zu fordern und jene anzuprangern, die sie verweigern. Das gilt für gewalttätige Islamisten ohnehin, ebenso aber etwa wie für die chinesische Regierung, die noch immer unsere Mitarbeiterin Zhang Miao gefangen hält und für die arabischen Regime, die all jene Menschen in der Region bedrohen, mit denen wir journalistisch zusammenarbeiten. So sehr der Anschlag von Paris uns erschüttert, so sehr wir intern auch über unsere Ängste sprechen, so sehr verspüren wir nun etwas, das sich sonst nur selten einstellt und auch zu normalen Zeiten beileibe kein Thema ist: der Stolz, Journalist zu sein.

Die Pariser Untat, aber auch der oft hysterische Kampf gegen die freiheitliche Presse, überhaupt die neuerdings schnell wachsende Intoleranz gegenüber allem Offenen, Widersprüchlichen, Fremden erinnern uns daran, dass die Presse und die Demokratie eben keine feststehenden Institutionen sind, sondern fluide, verletzliche, letztlich auf Vereinbarung und täglicher Übung beruhende Handlungen von Menschen. Es ist nicht da, wir machen es oder wir lassen es verkommen. Den Intoleranten, den Fremdenfeindlichen und Lügenpressehassern sei also gesagt: Wir sind da, wir sind wach, wir machen weiter

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Kommentare

285 Kommentare Seite 1 von 34 Kommentieren

Ja, sowas wird gemacht

und fällt unter die "Hausordnung" dieser Internetseite, nicht unter Meinungsfreiheit. Wenn der Redaktion danach wäre, das Wort "Wurstbrötchen" im Forum für immer zu sperren, kann sie das auch tun. Selbst wenn es zu unserer Freiheit gehört, "Wurstbrötchen" zu schreiben. Liebes Bisschen... dass das so viele miteinander verwechseln, ist mir unbegreiflich.

Hier noch ein einfaches Beispiel: Jemand besuchen ein Haus als Gast und trifft Aussagen, die der Gastgeber so nicht stehenlassen kann. Es ist das Recht des Hausbesitzers, diese Person von seinem Grundstück. Ohne dass das die Meinungsfreiheit einschränkt.

Nennt man Humor

Also ich fands witzig.
Das heißt selbstverständlich nicht dass die Absicht dahinter nicht ernst und nachvollziehbar wäre. Auch wenn die Antwort natürlich verweigert wird weil es schlicht und einfach keine gibt. Oder nur eine mit der man sich selber lächerlich machen könnte.
"Was (mal wieder) zu beweisen war.."

Apropos Humor:
Sie kennen Kabarett "Neues aus der Anstalt" oder "Scheibenwischer" ? Ich vermute nicht.

Re: Nazivokabular

> "Vernunft" und "gesunder Menschenverstand"
> sind auch Nazivokabular. Sollen wir wirklich auf
> dieser Ebene noch argumentieren?

Sie schließen also aus der banalen Tatsache, dass die Nazis (als Deutschsprachige) selbstverständlich auch deutsche Alltagsbegriffe verwendeten, dass es überhaupt keine nationalsozialistisch vorbelasteten Begriffe gibt?

In der Tat, auf dieser Ebene brauchen wir nicht zu "argumentieren".

@147 Sie werden damit leben müssen, dass es Menschen gibt

die genau das nicht akzeptieren und deswegen auch zur Gewalt
bereit sind.

Und genau hier fehlt Ihnen die Konsequenz: Denn die erfolgreichste
Bekämpfung der Terrors führen Israel un die USA durch. Sie haben
erkannt, dass wir uns in einem Krieg ohne Fronten befinden.

Die Mittel der Wahl simd militärische Bekämpfung, starke Geheim-
dienste, Kommandoeinsätze, Drohnenangriffe und hohi Sicher-
heitsstandards.

Genau das aber lehnen Sie und viele andere Linksintellektuelle
ab und schwächen dadurch unsere Länder.

Aber morgen könnte der Terror auch zu uns und zu Ihnen kommen.