Terror in Paris : Sind wir stark genug?

Der Pariser Anschlag trifft alle Europäer: Nichtmuslime und Muslime. Wir müssen uns gegen den Hass immunisieren, mit dem uns die Terroristen anstecken wollen.

Es gibt Tage, die zerfallen in ein Davor und ein Danach. Als Attentäter in Paris das Satiremagazin Charlie Hebdostürmten und zwölf Menschen töteten, konferierte die ZEIT-ONLINE-Redaktion über Michel Houellebecqs neuen Roman, der das Frankreich des Jahres 2022 zum Islamstaat macht, über Pegida und die verschobene Wahrnehmung von Islam und Islamismus in Europa, über die Möglichkeit, dass sich viele europäische Staaten in den nächsten zehn Jahren dramatisch radikalisieren. Dann erreichten uns die Eilmeldungen. Das Danach begann. 

In den Räumen von Charlie Hebdo muss es ähnlich ausgesehen haben wie hier. Brummende Drucker, brummende Redakteure, mal ein Lachen, mal ein heftiger Wortwechsel. Der Alltag von Leuten, die es zu ihrem Beruf gemacht haben, vom Weltgeschehen zu berichten, im Falle von Charlie Hebdo mit den Mitteln der Satire. Leute, die wissen, dass sie dafür auch beleidigt werden, manchmal verklagt und hin und wieder auch bedroht. Die es dennoch tun, weil es wichtig ist und sie deshalb glücklich macht. Besonders auch, dafür Widerspruch zu ernten.

Was in Paris geschehen ist, war kein Widerspruch. Es ist die Manifestation einer Weltsicht, die keine Argumente und keine Ideen, keinen Spott und keinen Streit erträgt. Einer Weltsicht, die nur die eigene Wahrheit kennt und jeden bedroht, der sie nicht teilt. Was gestern geschehen ist, war die Negation unserer wichtigsten Errungenschaft: der des freien Wortes.

Muss man das betonen? Man muss.

Dieser Anschlag betrifft nicht nur all jene, deren Beruf auf dem Recht des freien Worts fußt. Er betrifft alle, die in Europas Freiheit leben und sie lieben. Natürlich auch alle Muslime. Der Polizist Ahmed Merabet, der gestern von den Attentätern gleichsam hingerichtet wurde, war auch einer, berichteten Medien.

Zehntausende gehen für "Charlie Hebdo" weltweit auf die Straßen In Paris kamen 35.000 Menschen zusammen, um nach dem Anschlag auf das Pariser Satire-Magazin ihre Solidarität zu bekunden. Auch anderorts gab es Demonstrationen.

Muss man das betonen? Man muss. Viele Europäer halten den Islam für eine gewalttätige, demokratieunfähige Religion. Es war lange vor dem Anschlag, dass die rechtsextreme Marine Le Pen zu einer ernsthaften Anwärterin für die französische Präsidentschaft wurde. Es war vor dem Anschlag, dass sich in Deutschland eine nie da gewesene Feindseligkeit gegenüber dem Islam auf den Straßen zu manifestieren begann. Und das, obwohl Millionen Muslime seit Generationen zu Europa gehören: hier leben, arbeiten, wählen. Bürger sind.

Glaubt man den Umfragen, sieht eine Mehrheit der Deutschen den Islam als Bedrohung. Schon vor dem Anschlag. Kurz nach dem Massenmord lobte AfD-Vize Alexander Gauland die Pegida-Bewegung, ihre Warnung vor dem islamistischen Terror sei richtig gewesen. 

Voriger Artikel Terroranschlag Was der Islam und der Westen versäumt haben Nächster Artikel Mutmaßliche Attentäter Die Brüder Kouachi
Verlagsangebot

Entdecken Sie mehr.

Lernen Sie DIE ZEIT 4 Wochen lang im Digital-Paket zum Probepreis kennen.

Hier testen

Kommentare

555 Kommentare Seite 1 von 62 Kommentieren

Es geht hierbei um die Frage, wieweit die Gestalt Mohammeds

tatsächlich verbindlich ist, für einen, wie auch immer sonst gearteten Islam.

Bemerkenswert ist daher, dass in jenen Konfessionen, wo Mohammed nicht als ausschlaggebende Autorität und "Siegel" betrachtet wird, so bei den Aleviten, ein wesentlich humanistischeres und aufgeklärteres Menschenbild herrscht.

Die Aliviten pflegen ein Bekanntnis, wonach Mohammed lediglich ein Drittel der "Wahrheit" von Allah vermittelt wurde, dann mußte er hinter einem Vorhang warten, während sein Neffe Ali den Vorhang durchschreiten durfte und die ausschlaggebenden zwei Drittel der "Wahrheit" erhielt, das "Geheimnis", in der Theologie der Aliviten. Hierbei geht es im wesentlichen um die ethische Eigenständigkeit des Menschen, unabhängig von äusseren Autoritäten, also um die persönliche Gewissensentscheidung
Wer sich, so das Alevitentum, nur auf den Koran Mohammeds berufe, der nur ein Drittel der Wahrheit sei, befolge nur äussere Regeln ohne Einsicht und lebe automatenhaft.

... dann...

... belehren sie uns ahnungslose doch wo das "Grundproblem" liegt, und wie man es lösen sollte!
Aber bitte kommen sie jetzt nicht mit Flüchtlingen oder "Einwanderung" im allgemeinen, das ist einfach nur stumpf und wird der Komplexität des Problems nicht gerecht.

Es hat aber schon ironische Züge, dass Menschen wie sie die Presse und Meinungsfreiheit in unserer Gesellschaft anprangern, und das genau dann, wenn Menschen, die für die Presse und Meinungsfreiheit eingetreten sind, dafür starben.

Sie werden es wohl nicht glauben, aber ich bin auch Kritisch ... aber nicht "Islam kritisch" .... ich bin kritisch Menschen gegenüber, die Extreme Ansichten vertreten und aus ihrer Stumpfen Überzeugung Dinge tun die ich nicht nachvollziehen kann.

Sie können sie jetzt angesprochen fühlen oder nicht ....

Ja und gerade deswegen!

Damit haben Sie natürliche recht. Ich bezog meinen Kommentar allerdings auf die aktuelle Situation und in dieser meine ich, wäre es ein gutes Zeichen diese Karikaturen mit dem Einverständnis der Millionen friedlich gesinnten Muslime nochmals in allen Zeitungen zu veröffentlichen.Dieses allerdings nicht aus Gründen der Provokation, sondern als ein Symbol einer friedliebenden, demokratischen menschlichen Gemeinschaft, die zum Ausdruck bringen will, welch hohes Gut die Meinungsfreiheit ist.