"Charlie Hebdo" : Er hätte es wieder getan

Chefredakteur Charb und die Zeichner von "Charlie Hebdo" eckten oft an. Damit machten sie die Zeitschrift zum Symbol. Viele Franzosen liebten sie wie schräge Verwandte.
Der Chefredakteur von "Charlie Hebdo", Stéphane Charbonnier, 2012 in der Redaktion des Pariser Satiremagazins © Fred Dufour/AFP/GettyImages

Während des Treffens mit Charb im Herbst 2012 war kaum jemand in der Redaktion. Die Schreibtische bei Charlie Hebdo waren verwaist. "Viele Zeichner und Redakteure unserer 20-köpfigen Redaktion arbeiten zu Hause", sagte Chefredakteur Charb. Viel los sei hier vor allem bei der wöchentlichen Redaktionssitzung.

Charb ist seit Mittwoch tot. Die Täter, die den Anschlag auf die Redaktion von Charlie Hebdo verübten und zwölf Menschen töteten, müssen gut informiert gewesen sein: Am Mittwoch war Konferenz. Viele aus der Redaktion, die 20 Mitglieder hat, waren da, als die Attentäter eindrangen.

2012 saß Stéphane Charbonnier, so Charbs wirklicher Name, hinter seinem Schreibtisch und sagte: "Ich würde es wieder machen." Wieder die Mohammed-Karikaturen in Charlie Hebdo veröffentlichen, die zum Zeitpunkt des Gesprächs mit ihm weltweit für Aufregung sorgten. Die ihm Morddrohungen einbrachten und Vorwürfe, er würde Öl ins Feuer gießen. Charb sagte, er könne momentan nicht mehr in seine eigene Wohnung. Er stehe unter Polizeischutz. Jeden Morgen bringe ihn ein Polizist zur Arbeit. Aber ernst sagte er noch einmal: "Ich würde es wieder so machen."

Weil Satire so etwas eben machen müsse. Charb, Jahrgang 1967, musste in den vergangenen Jahren häufig erklären, warum Charlie Hebdo ist, wie sie ist: frech, rotzig, provokant, respektlos, gnadenlos, böse. Auf die Frage, was er Leuten sage, die wissen wollten, warum er Mohammed mit nacktem Hintern zeichnen müsse, antwortete er trocken: "Wir wollen Leute zum Lachen und zum Nachdenken bringen. Wir machen, was wir Satiriker nun mal gerne machen: Grenzen testen und auch überschreiten. Wenn die Zeichnung intelligent ist, umso besser, wenn nicht, auch nicht schlimm."

"Schütte die Asche in die Toilette"

Charlie Hebdo ist in Frankreich Kult – wenngleich viele Franzosen das Blatt wohl nur aus der Kioskauslage oder der Berichterstattung der Medien kennen. Die Auflage der wöchentlich erscheinenden Satirezeitung jedenfalls betrug in den vergangenen Jahren am Kiosk höchstens 75.000 Stück. 200.000 waren es, wenn die Wellen hochschlugen, etwa wegen Mohammed-Karikaturen.

Doch Satire und Karikaturen haben einen hohen Stellenwert in Frankreich. Die bedeutendste satirische Wochenzeitung ist der 1915 gegründete Le Canard enchaîné (Auflage 400.000). Die Zeitung Le Monde druckt jeden Tag eine Karikatur des Zeichners Plantu auf ihrer Titelseite. Auch Charlie Hebdo ist zum Symbol geworden, für Meinungsfreiheit, also auch für Aufklärung und Menschenrechte. Und wenngleich die Auflage nicht groß ist, die Karikaturisten von Charlie sind im Land berühmt. Charb, der 2009 Chefredakteur wurde, veröffentlichte seine Beiträge – wie weitere Charlie-Zeichner – immer wieder auch in anderen Magazine und Zeitungen, etwa in Marianne, L'Humanité (die der kommunistischen Partei nahe steht) oder Nouvel Observateur. Charb zeichnete seine Figuren mit groben Strichen, sie sind derb, gelb mit dicken pickeligen Nasen – unsympathisch und sympathisch. In seiner Rubrik "Charb mag die Leute nicht" schrieb er über alle, vom Raucher bis zum Präsidenten.

Neben Charb starben bei dem Attentat die wichtigsten Karikaturisten der Redaktion, Cabu, Wolinski und Tignous. Sie alle machten die linksgerichtete Charlie Hebdo aus. Es ist, als ob ein Medium ausgelöscht werden sollte. "Ich bin mit denen groß geworden, sie haben mich so oft zum Lachen gebracht", sagt ein älterer Franzose weinend vor einer Fernsehkamera am Mittwochabend während der spontanen Kundgebung in Paris. Der Zeichner Georges Wolinski etwa, 1934 in Tunis geboren, soll laut Le Figaro einmal gesagt haben, wenn er sterbe, wolle er eingeäschert werden, um seiner Frau zuzuraunen: "Schütte die Asche in die Toilette, dann werde ich weiterhin auf alle Tage deinen Hintern sehen." Viele Franzosen liebten diese Typen, als wären es schräge Verwandte.

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Kommentare

66 Kommentare Seite 1 von 7 Kommentieren

Meinungsfreiheit

Nur weil jemand seine Meinung frei äußert muss man nicht derselben Meinung sein.

Jeder darf alles veröffentlichen was als Meinung druchgeht. Mohammed in Strapse oder der Papst beim Maulwurfbumsen. EMan darf sogar provozieren, denn Meinungen sind ablehnbar.

Jetzt in ihrem Beispiel sieht man dass sie eine falsche Vorstellung von Meinungsfreiheit haben. Die Zeit war schlicht anderer Meinung als Charlie Hebdo. Das darf man sehr wohl sein.

Als Heuchler entlarvt hätten sie die Weichspülpresse erst, wenn sie gefordert hätte diese Zeichnungen zu verbieten.

@Meinungsfreiheit

ist gut und schön, jedoch der Papst und Mohammed sind nicht vergleichbar.

Ersterer ist da und handelt und könnte durchaus das Ziel der Satire sein
(nicht der aktuelle ;-)
Zweiter ist seit Jahrhunderten gestorben und lediglich ein generationsübergreifendes Symbol für sehr viele Gläubige einer vielschichtigen, nicht mal organisierten Religion, die sich Islam nennt.
Darüber sich lustig machen ist nur blöde.

@ja und

...will sagen, dass Satire nur dann auch wirklich böse und verletzend sein darf, wenn das Objekt/Subjekt konkret fassbar ist !

Diesen Jahrhunderte alten Propheten Mohammed zu veralbern ist
bestenfalls müssig, sicherlich nur blöde,
seine heute aktiven Jünger (zum Beispiel die verantwortlichen in Saudi Arabien...) wäre hingegen vornehme Pflicht, z.B. auch in dieser ZEITung.

Und Sie legen das fest?

"will sagen, dass Satire nur dann auch wirklich böse und verletzend sein darf, wenn das Objekt/Subjekt konkret fassbar ist !"

Warum, haben Sie auch ein Argument für Ihre Auffassung, daß unsere Freiheit auf kulturelle Entfaltung und die Meinungsfreiheit einzuschränken sind? Und wie legen Sie fest, nach welchen Maßstäben, was "böse und verletzend" ist? Und was ist Ihrer Meinung nach "Subjekt", was "Objekt", und warum? Und wie definiert sich "konkret fassbar"?

Ich erwarte mit Aufmerksamkeit Ihre schlüssigen Argumente gegen die Meinungsfreiheit, wie sie bisher in Europa verstanden wurde.

@ leider legt niemand fest

Diese unsere ach so schöne Meinungsfreiheit beschränkt sich leider zunehmend betroffen auf das Beliebige, das Vordergründige:

z.B. lästern hier alle locker über den Bau des Berliner Flughafens, der Elbphilharmonie, den Stuttgarter Bahnhof..., ja ich auch,

doch die dafür konkret verantwortlichen Betrüger und Versager werden niemals entlarvt, sie bleiben verantwortungslos, setzen sich zur Ruhe oder machen weiter...

Wir beklagen den Terror, geboren im zerstörten Nahen Osten, und machen nur eine uralte, undefinierbare Religion dafür verantwortlich.....

Wir verurteilen in der EU Steuerhinterziehung und gleichzeitig erlaubt es die Gesetzgebung verschiedenen Konzernen/Ländern .... usw.... usw....

Wenn man Meinungen immer nur folgenlos äussern kann, dann ist diese Freiheit eine kleine.

Das Vorgehen, um politische Ziele durchzusetzen...

Ich nehme aus dem Zitat diesen Satz: "Der Verdacht bleibt, es gehe den Autoren nur darum, die Angehörigen einer Glaubensgemeinschaft zu provozieren. Und zwar einer, die in Frankreich diskriminiert wird.“

Wird sie dort wirklich diskriminiert oder ist das nur ein beliebtes Narrativ? Hier in Deutschland habe ich nicht den Eindruck, dass der Islam diskriminiert wird: Muslime dürfen Moscheen bauen, ihre Religion lehren und ihre Sitten pflegen. Im Gegenteil: Leute aus muslimischen Ländern haben in Deutschland mehr Macht, als andere Gruppen. Sie haben nicht nur mächtige Verbände, deren Verbindungen bis in ein außereuropäisches Land reichen (Ditip, Muslimbrüder), sondern auch mächtige Fürsprecher bei Grünen und SPD, Migrationsforschern, Anwälten, Rappern und Medienschaffenden, wie z.B. Lamya Kaddor und die Journalistin Beate Kraft-Schöning, die in ihrem Buch „Blutsbande“ zu einer verharmlosenden Darstellung des Miri-Clans beiträgt. Beliebtes Narrativ ist, dass nicht die Muslime verantwortlich seien, wenn etwas schief geht, sondern die deutsche Gesellschaft: Schnell mal eine Schuldzuweisung gegenüber der deutschen Gesellschaft formulieren (Ausgrenzung, Diskriminierung, Rassismus), dann bekommt die Politik ein schlechtes Gewissen und Muslime können Privilegien durchsetzen, z. B. Polygamie mit Kassen-Versorgung aller Imam-Ehe-Frauen, Schwimmzeiten für muslimische Frauen, Gebetsräume an Schulen, Doppelpass etc… Das Narrativ der Diskriminierung dient politischer Instrumentalisierung.

Genau, ganz viele machen es so

„…Sollte ich mal wieder einen muslimischen Kollegen bekommen, werde ich alle kritischen Themen umschiffen, bis zu dem Punkt, wo ich mich, für meinen eigenen Lebensstil rechtfertigen muss.“

Sehen Sie, das ist das was ich damit meine, wenn ich schreibe: Muslimische Menschen haben von unserer Gesellschaft (Politik, Medien, Migrationsforschern) schon erstaunlich viel Macht bekommen. Anders ist es nicht zu erklären, dass Sie, als hier angestammter Deutscher, der ein RECHT darauf hat, so zu leben und so zu sein, wie er ist, zurückweichen und das Gefühl haben, kritische Themen nicht mehr diskutieren zu „dürfen“. Die Medien lassen uns da auch oft im Stich. Es ist doch eine unzulässige Anmaßung von manchen Muslimen, wenn sie Sie dazu treiben wollen, dass Sie das Gefühl haben müssen, sich vor ihnen für Ihren Lebensstil „rechtfertigen“ zu müssen.

Aber so weit ist es nur gekommen, weil der ganze Diskurs in Politik und Medien in Deutschland so läuft, dass viele Deutsche immer wieder geistig zurückweichen und nicht für Werte, wie z. B. Meinungsfreiheit und Gleichheit bedingungslos einstehen. Wir lassen uns einschüchtern von denjenigen, die uns mit Ängsten und Schuldgefühlen beladen (wollen).