Presseschau "Charlie Hebdo" : "Unsere Werte niemals ermorden lassen"

Den Anschlag auf "Charlie Hebdo" werten Medien weltweit als "Angriff auf unsere Zivilisation". Viele warnen davor, jetzt mit Intoleranz und Anti-Islamismus zu reagieren.
Zeitungsstand in Islamabad am Tag nach dem Anschlag in Paris © Aamir Qureshi/AFP/Getty Images

Der terroristische Anschlag auf das Satiremagazin Charlie Hebdo beherrscht weltweit die Schlagzeilen. Auf den Titelseiten von Zeitungen wird der zwölf Opfer der Tat gedacht. Zugleich zeigen viele Medien ihre Verbundenheit mit Charlie Hebdo, indem sie die Solidaritätszeile "Je suis Charlie" drucken und Mohammed-Karikaturen der Satirezeitschrift veröffentlichen.

Tageszeitungen einen Tag nach dem Attentat Einen Tag nach den Anschlägen auf die Redaktion der französischen Satire-Zeitschrift "Charlie Hebdo" ist das Attentat Aufmacherthema vieler deutscher und französischer Tageszeitungen.

In den Kommentaren französischer Zeitungen ist die Betroffenheit besonders groß. Viele werten das Attentat als Angriff auf die demokratischen Werte. "Wer Medien und damit die Informationsfreiheit angreift, lehnt eine Gesellschaft der Debatte, der Frechheit und des Pluralismus ab", schreibt etwa die katholische Tageszeitung La Croix. "Und er greift das Fundament der Demokratie an." Zugleich warnte die Zeitung, die Tat politisch auszuschlachten. "Dieser Zusammenhalt ist unsere Art und Weise, die Opfer zu würdigen."

Die Pariser Zeitung Le Parisien hebt die Bedeutung der zahlreichen Kundgebungen nach dem Anschlag auf die Redaktion von Charlie Hebdo hervor. "Die spontanen Versammlungen, die überall in unserem Land stattfanden, haben es gezeigt – wir haben verstanden, was unsere einzigen Waffen angesichts der Rohheit sind: Wir müssen immer wieder, gemeinsam sowie laut und deutlich sagen, dass wir unsere Freiheit und unsere Werte niemals ermorden lassen werden."

Der Figaro dagegen wertet den Anschlag als einen beginnenden Krieg. "Er wird nicht von schattenhaften Mördern geführt, sondern von methodischen und organisierten Killern, deren gelassene Rohheit uns das Blut in den Adern gerinnen lässt." Frankreich müsse gegen die Täter "ohne Schwäche und Zaghaftigkeit" zuschlagen. "Wenn der Krieg da ist, müssen wir ihn gewinnen."

Europäisches 9/11

Auch in anderen europäischen Ländern ist der Anschlag ein beherrschendes Thema in den Medien. Manche Zeitungen werten die Tat als europäisches 9/11. So auch die belgische Tageszeitung L'Echo: "Dieser Angriff ist in seiner Wirkung und seiner Gewalt genauso schwerwiegend wie jener, der am 11. September 2001 New York getroffen hat."

Es müssten aber die richtigen Konsequenzen gezogen werden. "Der erste Irrtum wäre es, der Gesamtheit der Muslime die Praktiken einer Handvoll Fanatiker zuzuschreiben, die vor nichts Respekt hat."

"Niederträchtige Attacke"

Die dänische Tageszeitung Politiken sieht in dem Anschlag eine "besonders niederträchtige Attacke" auf die Freiheit. "Frankreich hat eine stolze Tradition der Aufklärung, Meinungsfreiheit und Religionskritik, zu der sich Charlie Hebdo bekennt und die das Magazin weiterführt. Das Attentat war ein Attentat auf das Erbe der Französischen Revolution, auf dem alle westlichen Demokratien gründen."

Wird der Angriff auf die französische Satirezeitung Auswirkungen auf die Entscheidungen von Nachrichtenredakteuren haben? Diese Frage stellt der britische Guardian. Journalisten würden sich in Zukunft fragen müssen: "Werden Menschenleben gefährdet, wenn etwas veröffentlicht wird, das Fanatikern inakzeptabel erscheint?" So würden durch Dogmatismus und Intoleranz Werte wie Pluralismus, Vielfalt und Rechtsstaatlichkeit herausgefordert werden.

Der britische Zeitung Independent würdigt die ermordeten Zeichner von Charlie Hebdo als Märtyrer. Die Satiriker seien die "wagemutigsten Journalisten in Europa". Die Veröffentlichung der Mohammed-Karikaturen sei zwar anstößig gewesen. Aber: "Es war das Recht von Charlie Hebdo, anstößig zu sein."

Das Kalkül der Terroristen

Die slowakische Tageszeitung Pravda vermutet, dass die Attentäter von Paris in Europa eine anti-islamische Stimmung provozieren wollten. "Denn gerade die Stärkung islamfeindlicher Fanatiker im Westen bereitet den Boden für die Rekrutierung neuer islamistischer Fanatiker auf der Gegenseite. Wir dürfen nicht erlauben, dass sie mit diesem Kalkül Erfolg haben."

Auch in den Kriegsgebieten des Nahen Ostens sind Journalisten immer wieder die Ziele islamistischer Terroranschläge. Darauf verweist die Neue Zürcher Zeitung."Nur tote Journalisten sind gut für die Wahrheit der Terroristen." Dieser Kampf gegen Journalisten sei nun auf den Westen ausgeweitet worden. "Der Angriff auf Charlie Hebdo ist darum ein Angriff auf unsere Zivilisation. Wir müssen ihn mit Konsequenz, Mut und Ausdauer abwehren."

Der Standard aus Wien sieht die Gefahr, dass der Anschlag Ressentiments gegen den Islam schüren könnte. Man müsse sich aber vergegenwärtigen, dass die vielen Muslime und Musliminnen, die in Europa leben, heute keine anderen seien, als sie gestern waren. "Dennoch ist zu fürchten, dass das Morden in der Redaktion von Charlie Hebdo, das unter dem Ruf der Rache für den Propheten des Islam verübt wurde, in der Zukunft einmal als Wendepunkt der Beziehung zwischen Nichtmuslimen und Muslimen in Europa ausgemacht werden wird."

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Kommentare

71 Kommentare Seite 1 von 10 Kommentieren

Bei allem vVerständnis

für Trauer und entsetzen.

Solche Statements wie "europäisches 9/11" halte ich für völlig überzogen, unangebracht und hat in meinen Augen nichts mit Solidarität zeigen zu tun.

Bei dem schrecklichen Vorfall am 09.11. mussten einige Menschen mehr Ihr Leben lassen. Menschen, die überhaupt gar nichts mit Islamismus oder Kritik daran zu tun hatten.

Bei der schrecklichen Tat in Frankreich, haben 12 Menschen Ihr Leben gelassen. Menschen die genau wussten dass so etwas passieren kann. Dass auf Provokation eine Reaktion erfolgen kann. Ich will die Täter nicht in Schutz nehmen oder "selber Schuld" sagen, aber das muss man ganz klar berücksichtigen und da muss man differenzieren.

Die Medien sind jetzt gefragt sachlich zu bleiben, nicht weiter Panik zu verbreiten und Hass zu schüren. So spielt man nur den Rattenfängern in die Karten, die man hier sonst so gerne kritisiert. Und natürlich auch denjenigen, die permanent eine totale Überwachung fordern.

Wollen wir hier wirklich US-Amerikanische Verhältnisse? Ich für meinen teil nicht. Ich habe es schon in einem anderen Post geäußert: einen 100% Schutz vor Wahnsinnigen wird es niemals geben, da kann man Überwachen wie man will!