Politik

Umfrage

06.10.15

Für die meisten gehört der Islam nicht zu Deutschland

Eine klare Mehrheit der Deutschen widerspricht der berühmten These von Ex-Bundespräsident Wulff. Das ist nicht Intoleranz, sondern schlicht Resultat unserer kulturellen Prägung, sagen Forscher.

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Von Politikredakteur

Gehört der Islam zu Deutschland? Nein, sagen zwei Drittel der Deutschen – auch wenn Millionen von Menschen muslimischen Glaubens in Deutschland leben. Nach einer repräsentativen Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach stimmen dennoch nur 22 Prozent der Deutschen der These zu, die Christian Wulff als Bundespräsident geprägt hatte. In Ostdeutschland ist die Ablehnung dabei mit 75 Prozent noch höher als im Westen mit 60 Prozent. Die Skepsis zieht sich durch alle Altersgruppen, berichtete Thomas Petersen vom Allensbach-Institut. Jüngere zeigten sich zwar aufgeschlossener, aber auch in der jüngsten Altersgruppe liege die Ablehnung noch bei 55 Prozent.

Selbst unter den Anhängern der Grünen sei eine relative Mehrheit der Meinung, der Islam gehöre nicht zu Deutschland, ergab die Studie im Auftrag des John Stuart Mill Institut für Freiheitsforschung in Heidelberg. "Man muss solche Befunde ernst nehmen", riet der Meinungsforscher.

Sie zeigten aufseiten der eingesessenen Bevölkerung "erhebliche Integrierungsprobleme", die "kein Kennzeichen aggressiver Ausländerfeindlichkeit und Intoleranz, sondern das Resultat tiefer westlicher kultureller Prägungen" sei. Das Unbehagen der Deutschen, das sich in Umfragen zu diesem Thema immer wieder zeige, habe tiefe historische Ursachen, erklärte Petersen.

Es spreche einiges dafür, dass der eineinhalb Jahrtausende alte Konflikt zwischen dem Morgen- und dem Abendland tief im Unterbewusstsein der Bevölkerung verankert sei. Viele bemühten sich um eine differenziertere Sicht auf Menschen muslimischen Glaubens, doch überwiege bei vielen ein Gefühl der Fremdheit, das "durch die Bemühungen der Akteure des öffentlichen Lebens nur schwer überwunden werden kann". "Diese Frage wird uns weiter beschäftigen", sagte der Meinungsforscher mit Blick auf Hunderttausende von Flüchtlingen aus islamischen Ländern voraus, die derzeit nach Deutschland kommen.

Freiheitsindex klettert auf "minus 1"

Das Heidelberger Institut ermittelt jedes Jahr einen "Freiheitsindex", der auf einer repräsentativen Meinungsumfrage und einer Medienanalyse beruht. In diesem Jahr kletterte der Index von minus 7 auf minus 1, damit ist die Wertschätzung der Freiheit in Deutschland gestiegen. 51 Prozent der Deutschen fühlen sich subjektiv "sehr frei" und der Ruf nach staatlichen Verboten nimmt ab. Allerdings finden nur 63 Prozent, sie könnten ihre politische Meinung frei äußern, das ist der niedrigste Wert seit den 90er-Jahren. Insgesamt befindet sich die Freiheit immer noch leicht im Hintertreffen gegenüber konkurrierenden Werten wie Gleichheit, Gerechtigkeit oder Sicherheit, hieß es.

Die leichte Verschiebung zugunsten der Freiheit führten die Heidelberger Forscher auf eine veränderte Berichterstattung in den Medien zurück: Nach dem Attentat auf das Pariser Satire-Magazin "Charlie Hebdo" seien die Medien freiheitsaffiner geworden.

Als größte Bedrohung für die Freiheit sehen die Deutschen die Ungleichheit zwischen Arm und Reich (23 Prozent), noch vor dem internationalen Terrorismus (22 Prozent). Eine Repräsentativumfrage war in diesem Jahr den "westlichen Werten" gewidmet, da der Westen von Islamisten und der "neoimperialen Politik" des russischen Präsidenten Wladimir Putin herausgefordert werde, wie Institutsleiterin Ulrike Ackermann betonte.

Globalisierungskritik mischt sich mit Putin-Verehrung

Anstelle einer offensiven Verteidigung der westlichen Freiheitswerte habe man in Deutschland zuweilen eher den Eindruck einer Freiheitsvergessenheit, klagte Ackermann. Antiwestliche Ressentiments reichten bis in die Mitte der Gesellschaft hinein: "Antikapitalismus und Globalisierungskritik vermischen sich mit Antiamerikanismus, Putin-Verehrung, Ausländerfeindlichkeit oder auch einer Verharmlosung des Islamismus."

Der "Westen" steht für die Deutschen nicht nur für persönliche Freiheit und Demokratie, es klängen auch liberale Werte wie Individualismus, Leistungsorientierung und Wettbewerb mit, erläuterten die Forscher. Gefragt wurde auch nach der Bedrohung der westlichen Welt. Die Vorstellungen ließen sich in zwei Kategorien zusammenfassen. Erstens die Annahme, es gebe gegenüber dem Islam und besonders dem islamischen Extremismus eine zu große Toleranz. Und zweitens die Vorstellung, der Westen werde durch den Verlust seiner eigenen Werte und Tugenden bedroht. Vorstellungen, wonach die Politik der USA, immer rigidere Maßnahmen zum Schutz der inneren Sicherheit oder Einschränkungen der wirtschaftlichen Freiheit die Position des Westens bedrohten, stünden dem gegenüber zurück.