Kultur

Letterman-Nachfolger

10.09.15

Stephen Colbert lacht als erstes über Clooney

Das TV-Betthupferl für Amerikas Bildungsbürger hat einen neuen Gastgeber: Stephen Colbert, 17 Jahre jünger als der Großmeister des Spätabendtalkens, hat das Erbe von David Letterman angetreten.

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Die USA sind derzeit nicht eben arm an Großmäulern, und Stephen Colbert gehört zu jenen unter ihnen, denen Arroganz einfach steht. "Sie erleben Fernseh-Geschichte, und wie meistens bei Geschichte ist sie nicht auf dem 'History-Sender'", versicherte er seinem Publikum im Ed Sullivan Theater am New Yorker Broadway zum Auftakt der ersten von ihm moderierten "Late Show".

Fernseh-Geschichte, das ist zunächst weniger der Start von Colbert, als der nun unwiderrufliche Abschied von David Letterman als Gesicht des CBS-Markenzeichens. Der 68-jährige Letterman hatte im Mai nach 23 Jahren die letzten Folgen der montags bis freitags spätabendlich ausgestrahlten "Late Show" produziert, die unter anderem von Harald Schmidt bis in Details der Studioeinrichtung und Mimik kopiert wurde.

Nun also Colbert. 17 Jahre jünger als der Großmeister, aber durch seinen immerhin auch fast eine Dekade lang auf dem Sender "Comedy Central" ausgestrahlten "Colbert Report" längst eine Institution im US-Fernsehen. Das Konzept bleibt unverändert. Satire als TV-Betthupferl für Bildungsbürger. Dazu High-End-Promis, die sich auf Kalauer und ernst gemeinte Fragen einstellen müssen. In seiner Auftaktsendung am Dienstagabend waren das George Clooney und Jeb Bush.

Natürlich wartet das Publikum beim ersten Erscheinen Colberts mit stehenden Ovationen und enthemmtem Klatschen auf. Jeder weiß, dass Animateure dieses Detail der Choreographie wiederholen lassen, bis es sendewürdig scheint. "Hätte ich gewusst, dass Sie das machen, wäre ich schon vor Monaten gekommen", ulkte der solchermaßen Gefeierte. Später pflaumte er Hollywood-Star Clooney an, ob er sich nicht eine Krawatte hätte anziehen können, und sprach mit ihm, vermeintlich, weil ihnen kein anderes Thema einfiel, über dessen neuen Film "Decision Strike". Den Film gibt es gar nicht, aber die Sex-Szenen, versicherte Clooney, seien echt.

Präsidentschaftskandidat Jeb Bush, dem Colbert eröffnete, es gebe "null Chancen, dass ich Sie wähle", sollte die Unterschiede zwischen sich und Bruder George W. darlegen. Er sei nicht nur "jünger und besser aussehend", antwortete der Ex-Gouverneur, sondern er sei auch "konservativer" in der Haushaltspolitik. Daheim in Florida habe man ihn "Veto Corleone" genannt, weil er immer wieder Projekte des Kongresses gestoppt habe.

Bush verließ die Bühne unbeschädigt. Das war nicht unbedingt zu erwarten, hatte Colbert doch beim Dinner der Weiße-Haus-Korrespondenten 2006 den dazu aus dem Weißen Haus herübergekommenen Bruder rhetorisch ziemlich vermöbelt. Dessen damalige Sympathiewerte von 32 Prozent bedeuteten nicht, dass das "Glas halb leer ist", tröstete Colbert – sondern dass es zu zwei Dritteln leer sei, und die restliche Flüssigkeit würde er nicht trinken, das schmecke meistens brackig.

Schon Lettermans Sendung kam aus dem Ed-Sullivan-Theater, wo einst die Beatles ihre US-Premiere hatten. Die Michelangelo-artige Deckenbemalung, deren einzelne Facetten in Dutzenden Colbert-Porträts münden ("Alles digital"), ist dem Neuen angepasst. Mit dem "Colbert-Report" hat sich der Katholik, aufgewachsen in South Carolina als Jüngster in einer Familie mit elf Kindern, ein Image als Nerd aufgebaut: Schlaumeiernd, dauerklügelnd, stets britisch korrekt gekleidet und seinen einstigen Southern-Dialekt, der von Amerikas Eliten als hinterwäldlerisch angesehen wird, durch überkorrekte, oft artifizielle Artikulation verbergend.

Colbert ist zugleich Amerikas kleinste Bürgerrechtsorganisation zur Ehrenrettung des Nerd. Er ist ein No-Bullshit-Komiker, der die albernsten Plattheiten umgeht und den Schenkelklopfer mit der Intelligenz aussöhnt. Da ist Colbert der würdigste Erbe Lettermans.

Von Ausnahmen abgesehen. In einer Zeit, in der ein Sprücheklopfer wie Donald Trump die Umfragen der Präsidentschaftskandidaten anführt, muss ein Satiriker wohl zwischendurch dem Niveau eine Pause gönnen. Der Immobilien-Tycoon, der die USA zum Schutz vor illegalen hispanischen Einwanderern mit einer 3000 Kilometer langen Mauer von Mexiko abschotten will, sei ja selbst eigentlich kein Weißer, blödelte Colbert. Sondern ein "Oompa-Loompa-Amerikaner". Das sind von Roald Dahl ersonnenen Zwergenwesen mit bemerkenswertem Haupthaar.

Unlängst hatte Trump den Boykott der beliebten Oreo-Kekse gefordert, weil die Firma ihre Produktion nach Mexiko verlagern will. "Nie wieder werde ich sie essen, nie, nie wieder", versprach Trump. Colbert zeigte Verständnis. "Nur einen noch", langte er in die Kekspackung. Und noch einen. Definitiv der letzte. Noch mal. Mit den Keksen geht der Komiker um wie mit Trump. Einen habe ich noch!

Trump dürfte noch Quelle vieler Colbert-Narreteien sein. Der Einstand ist geglückt. Keine simple Kopie von Letterman, sondern seine Modernisierung. Und für die Zukunft bleibt Luft nach oben.