Kultur

"Papa ou Maman"

11.07.15

Nichts ist so schwer, wie seine Kinder loszuwerden

Nudeln mit Spüli kochen kann helfen, die Kinder zu Partys begleiten auch: "Papa ou Maman" ist eine herrlich herzlose Kinokomödie für den Sommer und kommt natürlich wieder einmal aus Frankreich.

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Von Leitender Feuilletonredakteur

Und wieder ein Film, der in Deutschland undenkbar wäre. Dabei ist eine Satire auf heutige "Erziehungsberechtigte" eigentlich überfällig. Nichts nervt ja inzwischen so wie diese übervorsichtigen Eltern, die ihren Kindern nichts mehr zutrauen, weil sie selber so verunsichert sind. Und wenn sich das "Helicopter"-Verhalten noch mit Karrieregeilheit sowie mit der Haltung paart, Kinder als "Partner" ernst zu nehmen, dann sind wir endgültig in Absurdistan.

Jedenfalls in Frankreich wird das so gesehen, wo man schon immer ein deutlich pragmatischeres Verhältnis zum eigenen Nachwuchs hatte als hierzulande. Und so ist denn dem Newcomer Martin Bourboulon eine herrlich herzlose, sommerlich leichte Farce über die Familie Leroy gelungen, in der wirklich alles drunter und drüber geht – bis, ja bis sich am Ende natürlich alle wieder weinend in den Armen liegen.

Tja, die Leroys. Marina Foïs und Laurent Lafitte spielen sie gekonnt als strahlendes Vorzeige-Ehepaar. Madame ist Bauleiterin in einem Windräderpark, Monsieur ein allseits umschwärmter Gynäkologe. Als sie Freunden ihre Scheidungsabsichten eröffnen, wollen die daher zunächst auch gar nicht glauben, was sie hören: "Aber ihr wirkt doch so entspannt und geht so liebevoll miteinander um!" "Ja, aber erst, seit wir uns durchgerungen haben, uns zu trennen." Der Freund kommt ins Grübeln, schaut seine Angetraute an, die gereizt daneben sitzt und sinniert: "Vielleicht sollten wir uns daran mal ein Beispiel nehmen, Schatz?"

Wie sorge ich dafür, dass sie nicht bei mir bleiben wollen?

Wesentlich weniger erbaut von der Scheidungsidee sind jedoch die drei Kinder der Leroys. Sie unterbrechen glatt ihr dauerndes Herumstochern auf dem Smartphone, mit dem sie sonst die "Aussprachen" mit den lieben Eltern demonstrativ desinteressiert begleiten. "Ich muss kotzen", bricht es aus der Tochter hervor, während ihr neunjähriger Bruder sogleich gezielt zur Rotweinflasche greift. Und der pubertierende Älteste versucht es mit Vernunft: "Überlegt's euch doch noch mal und wartet zehn Jahre, die vergehen ja so schnell in eurem Alter."

Aber für Mama und Papa ist die Entscheidung längst gefallen. Sie verfestigt sich noch, als beide einen tollen Job angeboten bekommen: Maman soll nun auch Dänemark mit ihren ökologisch korrekten Landschaftsverunstaltern beglücken, Papa darf zu Ärzte ohne Grenzen gehen. Da überlegt man sich dann nur noch eins: Wie werde ich die Kinder los? Wie sorge ich dafür, dass sie garantiert nicht bei mir bleiben wollen, sondern zum Partner abwandern?

Nudeln mit Spüli kochen, ist kein feiner Zug

Hier muss man sagen, dass dem Regisseur wirklich erstaunlich viel einfällt, um zu zeigen, welches Ausmaß destruktiver Energie Herr und Frau Leroy aufbringen, um ihre Kinder in die Arme des Partners zu treiben. Die Frau Mama beginnt damit, Nudeln mit Spüli zu kochen, damit sich die lieben Kleinen tüchtig den Magen verderben und nach Papas Schonkost sehnen. Doch der Paterfamilias ist auch nicht faul. Er nimmt seine Tochter mit in den Kreißsaal und zeigt ihr für die Zukunft, wie ein Kaiserschnitt gemacht wird. Prompt fällt das heillos überforderte Kind in Ohnmacht vor Entsetzen.

Schön auch die Szene in "Mama gegen Papa. Wer hier verliert, gewinnt" (so der deutsche Titel), wo die Mutter ihren Ältesten auf seine erste Party begleitet, sich besäuft und als Schlampe vom Dienst den besten Freund anbaggert. Es werden wirklich alle Register gezogen, einschließlich brutaler Gewalt. Man genießt dieses programmatische Aus-der-Rolle-Fallen zweier Erwachsener umso mehr, als sie sich zuvor alle Mühe gaben, ihr Gutmenschentum so plakativ wie möglich unter Beweis zu stellen. Schwarzen Humor auf drei reizüberflutete, unliebenswürdige, aber ja auch in ihrer Hilflosigkeit an unseren Mitleidreflex appellierende Kinder anzuwenden ist für ein deutsches Publikum, das so gern die Familie verklärt, natürlich eine Gratwanderung. Aber hier gelingt sie perfekt. Umso schöner, wenn dann am Schluss die gebeutelte Familie wieder zusammenfindet.