Kultur

Phänomen "duang"

05.03.15

Dieses "englische" Wort lässt Chinesen durchdrehen

Eine Shampoo-Reklame mit Jackie Chan hat China ein Modewort beschert. "Duang" schwirrt millionenfach durch die sozialen Medien. Dabei kann man es gar nicht mit chinesischen Zeichen schreiben.

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Chinas Internetnutzer sind verrückt nach einem neuen Wort. Seit knapp zwei Wochen überbieten sie sich darin, duang zu benutzen. Innerhalb kürzester Zeit ist duang mehr als zehn Millionen Mal auf Weibo (dem chinesischen Äquivalent zu Twitter) aufgetaucht. Das Wort könnte man gut als Klangeffekt für das Geräusch benutzen, das ein Kung-Fu-Tritt macht, wenn er durch die Luft zischt: duang. Seine naheliegende deutsche Entsprechung wäre: "Wusch!"

Der Erfinder von duang ist ein Mann, der sich in Kampftechniken gut auskennt: der in Hongkong geborene Filmstar Jackie Chan. Er benutzte das Wort zuerst 2004 in einem Reklamefilmchen für das chinesische Kräutershampoo Bawang. Damals erklärte er in einem fingierten Interview: "Wenn Werbespots gedreht werden, können Sie hinterher Spezialeffekte hinzufügen, und das sieht aus wie ,Duang!'. So dicht! So glänzend! So weich! Aber wenn ich das tun würde, würde das Publikum mich beschimpfen, weil ich in Wirklichkeit dieses Haar gar nicht habe."

Obwohl Chan in China ein Superstar ist, schlummerte das neue Wort mehr als zehn Jahre in der Halbvergessenheit jener Videoportale, die alte Werbespots archivieren. Es existierte auch nur als spontanes Geräusch aus Chans Mund, nicht in schriftlicher Form. Bis zum 24. Februar. Da tauchte auf Youku (dem chinesischen Gegenstück zu YouTube) eine scheinbar neue Reklame auf, deren Schöpfer den alten Spot mit neuen lustigen Spezialeffekten versehen hatten. Über das Shampoo scheint Chan zu sagen: "Es ist einfach ..., einfach ..., einfach ... duang!" Der Film ist eine Satire sowohl auf Chan als auch auf die Praktiken des Shampoo-Herstellers. Chan hat sich bei vielen unbeliebt gemacht, als er sagte, uneingeschränkte Freiheit führe zu Chaos "wie in Hongkong oder Taiwan". Die Haarwaschmittelfirma wurde 2010 beschuldigt, statt traditioneller Kräuter krebserregende Stoffe zu verwenden. Für den neuen Fake-Spot transkribierte jemand das, was Chan scheinbar sagte, in Untertitel in lateinischer Schrift.

Das war die zweite und wahre Geburt des Wortes duang. Innerhalb kürzester Zeit widmete ihm die staatliche chinesische Nachrichtenagentur Xinhua einen Bericht, und mittlerweile hat es auch einen Eintrag auf Baidu Baike, Chinas Wikipedia-Klon. Die Bedeutung von duang lässt sich mit "das Ergebnis eines Spezialeffekts" am ehesten erklären.

Jackie Chan ist in Chinas Medien zurzeit sehr präsent, weil sein Sohn Jaycee eine sechswöchige Gefängnisstrafe wegen Drogenbesitzes verbüßt hat und sein neuer Film "Dragon Blade" die Kinohitparade anführt. Aber das allein erklärt den Hype, den junge Chinesen um duang betreiben, nicht. Die Webseite thenanfang erklärt die Duang-Mode auch mit der wachsenden Neigung chinesischer Netzbürger, ihre Unterhaltungen mit "chinglischen" Worterfindungen zu würzen. Chinglisch bezeichnet, ähnlich dem deutschen Denglisch, ein Gemisch aus Chinesisch und Englisch. Beispiele sind die Redensart no zuo no die (was sich vage mit "Wer keine Dummheiten macht, kriegt auch keiner Ärger" übersetzen lässt) oder das Wort zhuangability.

Duang ist zwar kein englisches Wort, und für Europäer oder Amerikaner klingt es auch nicht wie eins. Aber Chinesen empfinden das offenbar anders. Die Webseite Language Log beleuchtet sehr ausführlich, dass duang als Silbe im modernen Standard-Mandarin eigentlich gar nicht möglich ist. Es gibt auch kein chinesisches Schriftzeichen dafür. Zwar haben Internetnutzer eines dafür erfunden, das eine Zusammenziehung der beiden Zeichen für den Namen Jackie Chan ist. Doch dieses Logogramm schwirrt im Netz nur als Zeichnung oder Bild herum. Es lässt sich nicht in Unicode tippen, dem digitalen Standard, der allen Schriften im Internet zugrunde liegt. Das führt zu einem Paradoxon, das zeigt, wie im Internet die sprachlichen Grenzen bröseln: Das zurzeit populärste chinesische Wort kann man nur in lateinischen Buchstaben schreiben.