Panorama

Satire und Religion

22.01.15

Rhein-Karnevalisten lassen Finger von Mohammed

Mitte Februar ist es so weit: Die Jecken feiern exzessiv und nehmen alles auf die Schippe. Bei einem Thema sind die Komitees aber zurückhaltend: Religion. Die Begründung dafür ist ein Klassiker.

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Die Stänker lassen sich nicht einschüchtern. Die Kölner "Stunksitzung" schon gar nicht. Die Alternative zur "Prunksitzung" des organisierten Karnevals hat schon immer religiöse Themen verballhornt und Ärger riskiert. Nicht zuletzt mit "Ratze und Meise", der Darstellung von Papst Benedikt XVI. und dem damaligen Kölner Kardinal Joachim Meisner als schwulem Paar. Die Strafanzeige wurde eingestellt.

Die "Stunksitzung" macht weiter. Auch in diesem Jahr lassen sie sich bei religiösen Themen nicht den Mund verbieten und stecken ihre Mariechen erst mal in Ganzkörperschleier. Und die "Burka-Mariechen" sind ganz schön frech. Da fragt die eine die andere: "Was ist ein Salafist zwischen zwei Frauen?" – "Eine Bildungslücke". Ein Selbstmordattentäter mit 50? Ganz einfach: "Ein Spätzünder".

Humor hilft, Ängste zu überwinden, Bedrohungen, über die man gar nicht nachdenken will, weil sie so unerträglich sind. Humor hilft, Ereignisse, für die es keine Worte gibt, wegzulachen. Das war schon immer so. Und das ist einer der Gründe, warum wir Kabarett lieben und brauchen, Satire – und Karneval.

Abstimmen auf Facebook

Auch der etablierte Karneval will sich die Narrenfreiheit nicht nehmen lassen. Vor dem Hintergrund der islamistischen Anschläge auf das Pariser Satiremagazin "Charlie Hebdo" stellt sich für manche Vereine allerdings die Frage, wie sie das am besten machen. Das Festkomitee des Kölner Karnevals hat deshalb in diesem Jahr erstmals über die Gestaltung eines Wagens abstimmen lassen, der beim Rosenmontag rollen soll – über den Wagen zum Thema "Meinungsfreiheit".

Vier Tage lang konnten die Jecken auf Facebook zwischen 14 Entwürfen wählen. 7000 Menschen haben sich beteiligt. Am Donnerstag um zwölf Uhr fiel die Entscheidung. 2454 Likes gingen an die Darstellung eines Narren, der seinen Stift in den Lauf einer Pistole in der Hand eines Terroristen bohrt. Die Botschaft ist schlicht. Die Macht des Wortes, der Biss der Zeichnung, die ätzende Spitze der Karikatur gegen die Waffengewalt. Die Botschaft ist schön. Internationale Fahnen umranden den Wagen. Friedenstaube. "Pressefreiheit" steht darauf, und "Meinungsfreiheit". Dazwischen die Opfer des Anschlags auf "Charlie Hebdo".

Würde nicht ein Hund dem Terroristen ans Bein pinkeln, wäre die Karikatur fast zu weich für einen Rosenmontagsumzug. Und das spricht auch aus den Kommentaren. "Tut keinem weh", schreibt ein Facebook-Nutzer, "verschreckt niemanden. erschreckend zahnlos. wie allerdings alle Motive, die zur Wahl standen." Die Mehrheit hat entschieden. Und dass dieser Entwurf gewählt wurde, sagt viel. Er sagt, wie ernst es den Menschen ist, wie sehr sie sich wünschen, dass es aufhört mit dem Terror und der Angst und der Gewalt.

Angela Merkel als Muttersau

Mehr als 170.000 Facebook-Nutzer haben die Meldung des Festkomitees besucht. 300 Kommentare stehen darunter. Einige fragten, ob sich der Kölner Karneval nicht raushalten sollte aus dem Thema. Christoph Kuckelkorn, Zugleiter und Deutschlands berühmtester Bestatter, fand in der "Süddeutschen Zeitung" dazu klare Worte: "Die Taten von Paris waren ein Anschlag auf die Meinungsfreiheit – auf das, was Karneval als Narrenfreiheit bezeichnet: Die Freiheit, auf Missstände aufmerksam zu machen."

Das Festkomitee des Kölner Karnevals ist dabei oft schon ganz schön deftig gewesen. Beim Rosenmontagsumzug 2013 lachten Köln und die Welt über Bundeskanzlerin Angela Merkel als Muttersau, an deren sechs prall gefüllten Zitzen Ferkel aus Griechenland, Spanien, Italien und Portugal gierig saugten. Der Wagen zum Thema Meinungsfreiheit mutet dagegen wie eine Performance vom Evangelischen Kirchentag an. Überhaupt kommt keiner der Entwürfe an den Spott der Pariser Karikaturisten heran. So ist auf keinem der Prophet Mohammed zu sehen. Knicken die Karnevalisten vor den Islamisten ein?

Nur "das Bodenpersonal" wird veralbert

Auf Karikaturen, die den Propheten Mohammed abwerten, hat das Festkomitee bewusst verzichtet. "Das ist eine gute Tradition bei uns", sagt der Verantwortliche für den Bereich Neue Medien, Michael Kramp. "Wir wollen keine religiösen Gefühle verunglimpfen. Wir wollen kritisch sein, aber nicht beleidigend." Das sei schon immer so gewesen.

Auch das Comitee Düsseldorfer Carneval will beim Rosenmontagsumzug keine Karikaturen des Islam oder des Propheten Mohammed zeigen. Auch die Düsseldorfer betonen, dass das kein Ausdruck von Einschüchterung wäre. "Wir haben unsere Linie", sagt Pressesprecher Hans-Peter Suchand. Sie scheuten nicht vor religiösen Themen zurück. Die Spitzen würden sich aber nicht gegen religiöse Symbole richten oder gar gegen Gott. Im Schussfeld würde grundsätzlich nur "das Bodenpersonal" stehen, sagt Suchand. Und er betont, dass auch in diesem Jahr mit Wagen zu rechnen sei, die aktuelle politische Ereignisse aufgreifen, auch die von Paris.

In Köln wurde gleich damit begonnen, den Wagen zu bauen. Wer darauf sitzen wird, ist noch nicht entschieden. Fest steht, dass der von mehreren Facebook-Nutzern gemachte Vorschlag umgesetzt wird: Statt "Wir sind Charlie" wird die kölsche Version "Mir sin Charlie" an der Seite des Wagens stehen.