Kultur

Auftritt in Köln

19.01.15

Houellebecq warnt vor "Bürgerkrieg" in Frankreich

Es war sein erster öffentlicher Auftritt seit dem Mordanschlag auf "Charlie Hebdo": In Köln forderte Autor Michel Houellebecq einen Wandel der französischen Politik. Er fühle sich unwohl.

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Der französische Schriftsteller Michel Houellebecq hat am Montag in Köln seinen Roman "Unterwerfung" vorgestellt. Es war sein erster öffentlicher Auftritt seit dem Erscheinen des Buchs und dem Mordanschlag auf "Charlie Hebdo" in Paris. Die Veranstaltung war schon seit Wochen ausverkauft.

Im Interview erklärte er, die französische Gesellschaft stecke in einer Art Falle: Einer Gesellschaft, die zunehmend den rechten Front National akzeptiere, stehe ein linker Präsident gegenüber. Die demokratischen Parteien seien inhaltsleer geworden. Dem Front national sei es gelungen, die Sehnsucht der Franzosen nach einem unabhängigen, starken Frankreichs wie zu Zeiten von General de Gaulle für sich zu instrumentalisieren.

Erneut forderte der Autor einen radikalen politischen Wandel in seinem Heimatland, um einen "Bürgerkrieg" zu verhindern. Er fühle sich dort extrem unwohl. Houellebecq warb für eine umfassende direkte Demokratie; dann würde auch das Parlament abgeschafft.

Roman als Satire bezeichnet

Seinen Roman bezeichnete der Autor nicht als Zukunftsvision, sondern als Satire. "Unterwerfung" (im Original: "Soumission") spielt im Jahr 2022 und entwirft das provokative Szenario eines islamischen Gottesstaates in Frankreich. Um einen Sieg Marine Le Pens vom Front National (FN) bei der Präsidentschaftswahl zu verhindern, unterstützen Sozialisten und Konservative einen muslimischen Kandidaten.

Der Auftritt Houellebecqs in Köln, sein erster seit den Anschlägen von Paris am 7. Januar, war schon seit Dezember ausgebucht und wurde live im Internet von Köln.tv übertragen. Die Polizei hatte nach eigenen Angaben "angemessene Sicherheitsvorkehrungen" ergriffen, wollte aber keine Einzelheiten nennen. Vor dem Gelände waren nur einzelne Polizisten zu sehen. Die Lit.Cologne als Veranstalter begründete das Festhalten an der Buchvorstellung damit, dass sie sich "der Freiheit der Kunst und des Worts" verpflichtet fühle.

Michel Houellebecq
Die Verwahrlosung eines Schriftstellers

Das Werk, dessen deutsche Übersetzung vor knapp einer Woche erschienen war, schildert, wie bei der französischen Präsidentschaftswahl 2022 Marine Le Pen, die Kandidatin des rechtsextremen Front National (FN), im ersten Durchgang gewinnt. Um ihren Sieg bei der Stichwahl zu verhindern, unterstützen Sozialisten und Konservative einen gemäßigten muslimischen Kandidaten, der dann auch tatsächlich an die Macht kommt.

Der Roman war am 7. Januar in Frankreich erschienen. Am selben Tag hatten zwei islamistische Attentäter in der Redaktion von "Charlie Hebdo" in Paris zwölf Menschen ermordet. Das Satireblatt hatte eine Karikatur über den Autor auf der Titelseite.

Nach dem Terror hätten ihm die Demonstrationen eines klar gezeigt, sagte Houellebecq in Köln: "Dass die Franzosen sich etwas ganz einfaches wünschen – und zwar Meinungsfreiheit." Oft werde den Menschen in Europa vorgeworfen, sie hätten keinen Heldenmut, meinte Houellebecq. "Ich weiß nicht, ob das so überzeugend ist, ich denke nicht, dass man ein Held sein muss, um heldenhaft zu handeln. Dazu muss man einfach nur ein Sturkopf sein, und das waren die Journalisten von "Charlie Hebdo"", sagte er mit Blick auf die jüngste Ausgabe des Magazins nach dem Attentat.

Bei der Vorstellung des Romans in Köln las ein Schauspieler einige Passagen vor, und Nils Minkmar, der Europa-Kulturkorrespondent der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung", diskutierte mit dem Autor. Das ganze fand im "Depot 1", dem Ausweichquartier des Kölner Schauspiels, vor 600 Zuschauern statt.

Nachdenklich und zögerlich

Houellebecq antwortete den ganzen Abend hindurch nachdenklich, oft zögerlich. Auf die Frage, ob er mit seinem Buch dem rechtsextremen FN nütze, sagte er: "Erst einmal ist mir das egal. Und es hat noch nie jemand seine politische Meinung geändert, weil er ein Buch gelesen hat."

Und er gab auch einen Einblick in seine Art zu recherchieren: "Man sollte den Menschen nicht widersprechen, man sollte sie ausreden lassen, denn ansonsten werden sie nichts mehr sagen. Nur so bringt man sie dazu, von ihrem Leben zu erzählen."

Die Halle war trotz der Anschläge in Paris voll, aber das Thema Sicherheit spielte eine Rolle. "Ich habe die Karten von einer Freundin bekommen, der es zu gefährlich war, hier zu sein", sagte eine Zuhörerin aus der Nähe von Köln. "Kurz darüber nachgedacht habe ich schon, ob ich kommen sollte", meinte ein Houellebecq-Fan, "aber dann überwog die Neugier."

Der DuMont Buchverlag hatte "Unterwerfung" am vergangenen Mittwoch in einer Auflage von 100.000 Exemplaren auf den deutschen Markt gebracht. Der Roman verkaufte sich sofort gut, eine zweite Auflage mit 50.000 Stück ist schon in Arbeit.

KNA/dpa/fp