Politik

Großfahndung

09.01.15

Zugriff auf Terror-Verdächtige von Paris läuft

Die Polizei hat die mutmaßlichen Täter von Paris eingekesselt. Sie haben eine Geisel genommen und sich verschanzt. Hubschrauber kreisen über dem Gebäude. Jetzt wollen die Behörden verhandeln.

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Bei der Jagd nach den beiden mutmaßlichen Attentätern, die für den Anschlag auf die Satire-Zeitung "Charlie Hebdo" mit zwölf Toten verantwortlich sein sollen, ist am Freitag nordöstlich von Paris eine Geisel genommen worden. Die Geiselnahme in der 8000-Einwohner-Gemeinde Dammartin-en-Goële im Département Seine-et-Marne sei noch im Gange, bestätigten die Behörden am Mittag.

Geiselnehmer sollen "neutralisiert" werden

Es hätten sich zwei verdächtige Personen in einer Fabrik verschanzt, hieß es weiter. Die Tageszeitung "Le Figaro" berichtet, dass die Einsatzkräfte mit den beiden mutmaßlichen Haupttätern des Attentats verhandeln. "Le Monde" berichtet unter Berufung auf den Bürgermeister von Dammartin-en-Goelle, dass es sich bei den Räumen, in denen sich die Brüder verschanzt haben sollen, um das Druckerei-Unternehmen "Création Tendance Découverte" handelt, das etwa fünf Angestellte beschäftige. Ein Sprecher des französischen Innenministeriums sagte, man sei "annähernd sicher", dass es sich bei den Geiselnehmern um die beiden Terrorverdächtigen aus Paris handele. Die beiden mutmaßlichen Dschihadisten sind offenbar mit Kalaschnikows und einem Raketenwerfer bewaffnet.

Täter wollen "als Märtyrer sterben", Behörden wollen reden

"Es läuft ein Einsatz, um die Verantwortlichen des feigen Attentats vor zwei Tagen zu neutralisieren", sagte Innenminister Bernard Cazeneuve am Freitag in Paris. Wie der Abgeordnete von Damartin-en-Goelle,Yves Albarello, dem französischen Sender I-Télé berichtete, sollen die beiden mutmaßlichen Attentäter beabsichtigen, als Märtyrer zu sterben.

Anwohner seien aufgefordert, in ihren Häusern zu bleiben, Kinder dürften die Schule nicht verlassen, hieß es auf der Website der Gemeinde. Priorität der Behörden sei es, eine Kommunikation mit den verschanzten Verdächtigen zu etablieren, sagte ein Sprecher des Innenministeriums am Mittag.

Verwirrung um angebliche Tote und Verletzte

Dammartin-en-Goelle liegt etwa eine halbe Stunde von der Gegend entfernt, in der die mutmaßlichen Attentäter am Donnerstag mit einem Großaufgebot von Polizei und Armee gesucht worden waren. Die Website von "Le Parisienne" meldete, dass es zwei Todesopfer und 20 Verletzte gegeben habe. In Berichten französischer Radiosender war dagegen von einem Toten und mehreren Verletzten die Rede. Die Staatsanwaltschaft wies Berichte über Todesopfer am Vormittag allerdings zurück.

Hubschrauber kreisen über Industriegebiet

Vor der Geiselnahme hatte es Agenturberichten zufolge Schüsse in der Nähe des Ortes und eine Verfolgungsjagd der Polizei nach den zwei Verdächtigen gegeben. Über einem Industriegebiet waren mehrere Hubschrauber zu sehen. Das französische Innenministerium bestätigte, dass es in dem Ort einen Polizeieinsatz gibt. Es seien Sondereinheiten im Einsatz, sagte Innenminister Bernard Cazeneuve. Die Polizei riegelte die Druckerei weiträumig ab, Elite-Einheiten der Sicherheitskräfte waren im Einsatz, Scharfschützen bezogen Position auf den Dächern.

Flugzeuge müssen durchstarten

Wegen der Geiselnahme in der Nähe des Pariser Flughafens Charles de Gaulle werden eine Reihe von Flügen umgeleitet. "Aus Vorsicht" würden die Flugzeuge nicht mehr auf der Nordpiste des Flughafens landen, sondern auf der Südpiste, sagte ein Flughafensprecher am Freitag. "Die Starts werden hingegen auf der Nordpiste in der Nähe von Dammartin aufrechterhalten."

Zwei Flugzeuge der französischen Gesellschaft Air France mussten den Angaben zufolge ihre Landung abbrechen und durchstarten, weil Polizeihubschrauber tief in dem Gebiet flogen. "Es könnte weitere Landungsabbrüche geben", sagte ein Sprecher des Unternehmens. In Flughafenkreisen hieß es, einige Flugzeuge hätten schon am Donnerstag wegen der Polizeieinsätze in der Gegend durchstarten müssen.

12 Tote bei Attentat am Mittwoch

Die verdächtigen Brüder Chérif (32) und Said Kouachi (34) sollen den Ermittlungen zufolge am Mittwoch schwarz vermummt die Redaktion des Magazins "Charlie Hebdo" mitten in der Hauptstadt gestürmt sein und mit Maschinenpistolen um sich geschossen haben.

Unter den zwölf Todesopfern waren acht Journalisten von "Charlie Hebdo" und ein weiterer Kollege, der unter anderem für den Radiosender France Inter arbeitete. "Charlie Hebdo" war mehrfach wegen Mohammed-Karikaturen angefeindet worden.

Terrorausbildung im Jemen

Einer der beiden Terrorverdächtigen soll zum Terrortraining im Jemen gewesen sein, wie der Fernsehsender CNN und die "New York Times" berichteten. Die US-Zeitung schrieb unter Berufung auf einen hochrangigen US-Regierungsvertreter, Said Kouachi habe 2011 einige Monate bei einer örtlichen Al-Qaida-Einheit den bewaffneten Kampf trainiert. Angaben des jemenitischen Geheimdienstes zufolge soll er dort auch einen islamistischen Prediger getroffen haben, den die Ermittler al-Qaida zurechnen. Der Prediger, Anwar al-Awlaki, galt als Sprachrohr der Al-Qaida-Propaganda für Europa und wurde im September 2011 bei einem Drohnenangriff getötet.

Zugleich hieß es bei CNN und der "New York Times", auch die USA hätten die beiden Attentäter im Visier gehabt. So hätten die beiden terrorverdächtigen Franzosen unter anderen auf einer No-fly-Liste gestanden, was ihnen Flüge in die USA untersagte.

IS kündigt weitere Anschläge an

Die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) hat den Anschlag auf das Satiremagazin "Charlie Hebdo" inzwischen als Start einer größeren Terrorkampagne mit weiteren Angriffen in Europa und den USA bezeichnet. "Wir haben mit der Operation in Frankreich begonnen, für die wir die Verantwortung übernehmen", sagte der IS-Prediger Abu Saad al-Ansari nach Angaben von Anwesenden beim Freitagsgebet in einer Moschee der nordirakischen Stadt Mossul. "Morgen werden es Großbritannien, die USA und andere sein." Die Drohung gelte für alle Länder des Bündnisses, das Luftangriffe auf den Islamischen Staat fliege. Bereits am Morgen hatte die Terrororganisation die Täter von Paris als "heroische Dschihadisten" bezeichnet.

Polizistenmörder in Kontakt zu Bruderpaar

Derweil wurde nach der tödlichen Attacke auf eine Polizistin südlich von Paris der mutmaßliche Täter identifiziert. Zwei Menschen aus dem "sehr nahen Umfeld" des Verdächtigen seien bereits festgenommen worden, verlautete am Freitag aus französischen Ermittlerkreisen. In Montrouge südlich von Paris hatte ein Mann am Donnerstagmorgen – einen Tag nach dem Anschlag auf "Charlie Hebdo" eine Polizistin erschossen und einen Mann schwer verletzt. Dieser Verdächtige, meldet die französische Website "20minutes", habe "in Kontakt" zu den beiden Brüdern gestanden, die das Attentat auf "Charlie Hebdo" verübt haben sollen. Auch Polizeivertreter bestätigten das. Es gebe eine "Verbindung" zwischen den mutmaßlichen Tätern der beiden Angriffe, sagten Polizeivertreter am Freitag.

AFP/DW
"Je suis Charlie" – Trauer in Frankreich

In Paris wie in anderen französischen und europäischen Städten kamen nach dem Terrorangriff auf das Satiremagazin "Charlie Hebdo" Zehntausende Menschen zu Solidaritätskundgebungen zusammen.

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Foto: dpa

Trauernde versammelten sich u.a. in Brüssel (Belgien), ...

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Foto: dpa

... im französischen Nantes,

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Foto: AFP

Hunderte Menschen gedachten auch auf dem Pariser Platz am Brandenburger Tor in Berlin der Opfer des Terroranschlags.

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Foto: AP