Politik

Dänischer Journalist

08.01.15

Seit 2005 bedroht wegen Mohammed-Karikaturen

Der Redakteur Flemming Rose ließ 2005 die Zeichnungen in der dänischen Zeitung "Jyllands-Posten" drucken. Seither lebt er unter Polizeischutz, bereut aber nichts. Er kämpft weiter für Meinungsfreiheit.

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Von Stv. Ressortleiter Außenpolitik

Flemming Rose hat seine leidvollen Erfahrungen mit fanatischen Islamisten in einem Buch verarbeitet. Es trägt den Titel: "Tyrannei des Schweigens" und ist eine 500-Seiten-Sammlung von Aufsätzen und Essays über die Meinungsfreiheit und ihre Grenzen. Rose hält in dieser Hinsicht nicht viel von Grenzen, hat er nie. Schon im Jahr 2005 nicht, als er – damals Feuilleton-Chef der dänischen Zeitung "Jyllands-Posten" – ein Dutzend vorher in Auftrag gegebene Mohammed-Karikaturen gedruckt und damit für heftigen Aufruhr in der islamischen Welt gesorgt hatte.

Dänische Flaggen brannten damals in den Straßen von Casablanca bis Karatschi. Monatelang protestierten wütende Muslime, aufgestachelt von ihren Imamen und religiösen Führern, gegen die mutmaßliche Entweihung und Verunglimpfung des Propheten. Die Proteste hielten über Monate an, 150 Menschen starben dabei. Noch immer nehmen radikale Muslime die Karikaturen zum Anlass, Rache zu nehmen an den respektlosen "Ungläubigen".

Im Februar 2008 deckten die dänischen Sicherheitsbehörden Mordpläne gegen den "Jyllands-Posten"-Zeichner Kurt Westergaard auf, der den Propheten Mohammed mit einer Bombe im Turban zu Papier gebracht hatte.

Zwei Jahre später entging Westergaard nur knapp dem Anschlag eines mutmaßlichen Islamisten, weil er sich rechtzeitig in einen speziell gesicherten Notraum retten konnte und von dort die Polizei alarmierte. Noch immer lebt der Zeichner unter Polizeischutz.

Satire überhöht, sie kann ironisch, sarkastisch, manchmal verletzend sein. Aber sie ist immer eine friedliche Art der Kritik gewesen. Doch zu dieser Differenzierung reichte es bei den Fanatikern nicht. Das radikal-islamische Netzwerk al-Qaida instrumentalisierte die Wut auf die dänischen "blasphemischen Beleidigungen" und verübte einen Bombenanschlag auf die dänische Botschaft in Islamabad, bei dem acht Menschen getötet wurden.

Muslimische Fanatiker bedrohten mehrfach die Redaktion des "Jyllands-Posten" sowie viele andere Redaktionen in Europa, die diese Karikaturen nachdruckten. Doch Anschläge gelangen ihnen nicht – bis jetzt. Das Team des Satiremagazins "Charlie Hebdo" zahlt mit zwölf Toten einen hohen Preis für seinen Mut und seine Respektlosigkeit, die Satirikern eigen ist und ohne die sie ihre Arbeit nicht machen können.

Beeinflussen Morddrohungen und kollektiver Hass radikaler Muslime die tägliche Arbeit einer Redaktion in einem demokratischen Land? Der 57-jährige Rose, inzwischen Außenpolitik-Chef von "Jyllands-Posten", hatte die Karikaturen mit dem erklärten Ziel veröffentlicht, der in Europa um sich greifenden Selbstzensur, die er erkannt haben wollte, ein Zeichen im täglichen globalen Kampf für die freie Meinungsäußerung entgegenzusetzen.

In einem Begleittext zu den Karikaturen schrieb er damals, in einer säkularen Demokratie müssten alle Individuen und gesellschaftlichen Gruppen Hohn, Spott und Satire akzeptieren – auch Muslime. Das sei eine Form von Anerkennung und Inklusion: Ihr seid weder Gäste noch Fremde oder eine Randgruppe, sondern ein gleichberechtigter Teil der Gesellschaft. Wer anfange, so argumentierte Rose, Tabus in der öffentlichen Debatte zu akzeptieren, gerate auf die schiefe Bahn. Dann könne jede gesellschaftliche Gruppe bestimmte Tabus für sich beanspruchen – am Ende sei die Meinungsfreiheit eine Karikatur ihrer selbst.

Rose ist Mahner, kein Provokateur oder geistiger Brandstifter. "Ich verteidige kompromisslos die Meinungsfreiheit, weil ich der festen Überzeugung bin, dass Gewalt da beginnt, wo Worte fehlen", sagte er einmal. Auf die Frage, ob er es bereue, die Karikaturen veröffentlicht zu haben, pflegt der Redakteur zu antworten: "Das ist eine hypothetische Frage, aber ich würde sagen, ich bereue es nicht. Mir diese Frage zu stellen ist das Gleiche, als würde man ein Vergewaltigungsopfer fragen, ob es bereue, Freitagnacht in einem kurzen Kleid in die Diskothek gegangen zu sein."