Sonntag, 17. Januar 2016

Wirtschaftsglosse Jetzt erlebt der Euro sein Waterloo

Sichtlich besorgt um den Zusammenhalt in Europa: Belgiens Finanzminister Johan van Overtveldt mit der neuen 2,50-Euro-Münze

Waterloo, das sprechen Sie bitte aus wie man's schreibt, ist nämlich ein flämischer Ortsname. Nicht englisch, sonst bekommen Sie einen Ohrwurm von Abba. Ha, jetzt haben Sie ihn schon!

Egal, jedenfalls haben Briten, Niederländer, Preußen, Hannoveraner (ich weiß), Braunschweiger und Nassauer (ja, ja) einen Grund zu feiern: Vor fast genau 200 Jahren zogen ihre Vorfahren siegreich gegen Napoleons Franzosen vom Feld bei Waterloo.

Grund zum Feiern sehen auch manche, die eigentlich keine Sieger von Waterloo sind, weil es sie damals noch gar nicht gab: die Belgier. Das 1830 gegründete Königreich würdigt die auf seinem heutigen Boden ausgefochtene Schlacht von 1815 mit einer Gedenkmünze.

Dass die den eigenartigen Nennwert von 2,50 Euro trägt, bereitete dem Brüsseler Finanzminister Johan van Overtveldt einen triumphalen Auftritt: eine Schelmentat im Geiste des Manneken Pis! Vorher war dasselbe Motiv nämlich auf normale belgische Zwei-Euro-Münzen geprägt worden.

Da hatten jedoch die Franzosen mitzureden und ernsthaft Protest eingelegt, wie die "New York Times" berichtet. Nur nebenbei ging es darum, dass François Hollande (1,70 m) nicht wie Napoleon (1,69 m) sein Waterloo erleben wollte. Ganz Frankreich hat die Niederlage der Grande Armée bis heute nicht verwunden. Sie ist ein Grund, warum Victor Hugo das nördliche Nachbarland als "traurige Ebene" beschrieb - neben den offensichtlichen anderen Gründen: Erdbeerbier, Brüssel, traurige Ebene ... Vor allem fand die französische Regierung, eine Botschaft der Spaltung entlang nationaler Linien brauche die Euro-Zone jetzt gerade nicht so dringend.

Lasst François Hollande Abba singen!

Der belgische Finanzminister jedoch wollte es dabei nicht bewenden lassen. Natürlich gab sich der langjährige Chefredakteur eines Wirtschaftsmagazins staatsmännisch: "Das Ziel ist nicht, alten Streit in einem modernen Europa aufzuleben - und es gibt wichtigere Dinge zu regeln."

Ha ha, Scherz! Van Overveldts Gesichtsausdruck verriet, was sein wirkliches Ziel war: alten Streit in einem postmodernen Europa aufzuleben. Es ist doch wirklich zu absurd:

Die Wirtschaftsglosse im manager magazin
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Belgien, das oft genug von fremden Mächten auf der Durchreise verheert wurde, feiert ein ebensolches Ereignis, an dem es selbst gar nicht teilhatte. Verantwortlich dafür ist ein Minister, dessen Partei NVA nicht nur für Ostdeutsche einen militärischen Beiklang hat, sondern sich tatsächlich die Auflösung des von ihr regierten Landes zum Ziel gesetzt hat. Und als Form der Würdigung wählt er den Euro, obwohl er vor seiner Politkarriere ein Buch mit dem Titel "Das Ende des Euro" veröffentlichte.

Die Gedenkmünze kann nichts anderes sein als eine subversive Aktion, um ebendieses Ende zu beschleunigen. Zweieinhalb Euro? Ein Witz, aber die Münze ist ganz offiziell staatlich garantiertes gesetzliches Zahlungsmittel, nach Ansicht von Bargeldfreunden also werthaltiger als alles auf Ihrem Konto, wenn auch nur innerhalb der belgischen Grenzen.

Und was hat Abba dazu zu sagen? Die Schnulze zur Schlacht ist in Wahrheit ein Liebeslied. "Ich wurde besiegt, du hast den Krieg gewonnen / Ich verspreche, dich für immer zu lieben / könnte nicht entkommen, wenn ich wollte / wissend, dass mein Schicksal ist mit dir zu sein" Wäre das nicht eine hübsche Versöhnungsformel, um zum 200-Jährigen den Zusammenhalt Europas zu beschwören?

Historisch korrekt müsste sich Hollande damit an den Briten-Premier David Cameron wenden. Der ist bisher noch nicht auf die Idee gekommen, irgendwelche Euro-Münzen herauszugeben.


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