Preis für Meinungsfreiheit: Schriftsteller-Streit um Auszeichnung für "Charlie Hebdo"

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Autor Peter Carey: Protest gegen PEN-Auszeichnung für "Charlie Hebdo"

Hat "Charlie Hedbo" einen Preis für Mut und Meinungsfreiheit verdient? Prominente Autoren wie Peter Carey, Teju Cole und Taiye Selasi lehnen die Ehrung ab. Salman Rushdie widerspricht energisch.

Die Auszeichnung der Satire-Zeitschrift "Charlie Hebdo" mit dem PEN-Preis für Mut und Meinungsfreiheit sorgt in den USA für Diskussionen. Die Schriftsteller Peter Carey, Taiye Selasi, Michael Ondaatje, Teju Cole, Francine Prose und Rachel Kushner haben aus Protest gegen die Ehrung ihre Teilnahme an der Preisgala am 5. Mai abgesagt, berichtete die "New York Times" am Montag. Auf das Magazin "Charlie Hebdo", das immer wieder religionskritische Karikaturen veröffentlicht hatte, war im Januar ein Anschlag von Islamisten verübt worden, bei dem zwölf Menschen ums Leben kamen.

Der zweimalige Booker-Preisträger Peter Carey ("Oscar und Lucinda") schrieb in einer E-Mail an die "New York Times", wenn auch ein schreckliches Verbrechen begangen worden sei, sei dies doch nicht der richtige Anlass für den PEN, Selbstgerechtigkeit in Sachen Meinungsfreiheit zur Schau zu stellen. "Der Umstand, dass der PEN angesichts der kulturellen Arroganz der französischen Nation, die ihre moralische Verpflichtung gegenüber einem großen und benachteiligten Teil ihrer Bevölkerung nicht anerkennt, die Augen verschließt, macht die Sache noch komplizierter."

Der Schriftstellerverband PEN zeigte sich überrascht von der Ankündigung der sechs Mitglieder. "Wir wussten alle, dass es eine in einigen Hinsichten kontroverse Entscheidung war", sagte PEN-Präsident Andrew Solomon. "Aber ich hätte nicht gedacht, dass das Thema gerade diese speziellen Bedenken bei diesen speziellen Autoren auslösen könnte."

"Sympathisanten" des Islamismus?

Der frühere PEN-Präsident und Bestsellerautor Salman Rushdie kritisierte die Bedenken der Schriftsteller als "entsetzlich falsch". "Wenn PEN als Organisation der Meinungsfreiheit nicht die Menschen verteidigen und feiern kann, die dafür getötet worden sind, Bilder zu zeichnen, dann ist die Organisation ihren Namen nicht wert."

Mit Bezug auf Carey schrieb Rushdie weiter, dass es sich bei dem Streit keinesfalls um eine unterdrückte und benachteiligte Minderheit drehe. "Es dreht sich allein um den Kampf gegen den fanatischen Islam, der bestens organisiert und finanziert ist und uns alle, Muslime wie auch Nicht-Muslime, zum Verstummen bringen will. Diese sechs Schriftsteller haben sich als Sympathisanten dieses Projekts erwiesen."

Francine Prose, ehemalige PEN-Präsidentin und eine der sechs Protestierenden, erklärte in einem Gastbeitrag im britischen "Guardian" ihre Haltung. "Ich war zutiefst erschrocken von den tragischen Morden in der 'Charlie Hebdo'-Redaktion. Ich habe nichts außer Mitgefühl für die Opfer und die Überlebenden. Ich verabscheue Zensur jeder Art, und ich verachte Gewalt als Mittel, um Schweigen zu erzeugen. Ich glaube, dass 'Charlie Hebdo' jedes Recht dazu hat zu veröffentlichen, was immer sie wünschen. Aber das ist nicht das gleiche wie das Gefühl, dass 'Charlie Hebdo' einen Preis verdient hat."

Als in ihren Augen würdige Kandidaten nannte Prose die Whistleblower Edward Snowden und Chelsea Manning sowie die mexikanische Journalistin Lydia Cacho, die über Menschenhandel und Korruption in ihrem Land berichtete und nach Morddrohungen ins Exil flüchten musste.

Mitte April erschienen in Frankreich erste Auszüge aus dem letzten Buch des "Charlie Hebdo"-Chefs Stéphane Charbonnier, genannt "Charb". In dem kurz vor seiner Ermordung beendeten Text hatte der den Vorwurf der Islamfeindlichkeit zurückgewiesen.

hpi/dpa/AP

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