Neue EU-Kommission Oettinger schult um auf Nerd

Neu im Digitalen: Manche fürchten, dass Günther Oettinger vor allem Konzerne schützen wird.

(Foto: Odd Andersen/AFP)

Bisher war er Energiekommissar, jetzt soll Günther Oettinger in Brüssel das Digitale übernehmen - und muss bis zum Hearing des EU-Parlaments noch büffeln. Gefahr droht ihm wohl am ehesten von Satiriker Martin Sonneborn.

Von Cerstin Gammelin und Javier Cáceres, Brüssel

Günther Oettinger fremdelt mit den neuen Kollegen und seinem Ressort. Oder will er bloß unterstreichen, dass er kein Herdentier, sich selbst Herde genug ist? Es ist Anfang September, und Oettinger trägt fast provokativ zur Schau, was er von der "Teambuilding"-Aktion des neuen Kommissionschefs Jean-Claude Juncker hält: Alle 27 designierten Kommissare hatte Juncker in einen Charter-Bus gesteckt, gemeinsam sollten sie an ein Schloss am See nahe Brüssel fahren.

Doch Oettinger säumt den Kollektivtransport. Als Einziger. Stattdessen reist der bisherige Energiekommissar, der künftig die Mitgliedstaaten digital vernetzen soll, separat an. In der Dienst-Limousine. Nicht jeder ist darüber begeistert. Erst recht nicht, als der Deutsche auch am Abend fehlt. Statt mit den Kollegen, die für die nächsten Jahre EU-Politik machen werden, an der Hotelbar zu plaudern, "hat sich Oettinger ein eigenes Abendprogramm organisiert", muffelt ein Teilnehmer. Und hofft, dass es schon noch werden wird mit Oettinger als neuem Digitalkommissar.

Neue EU-Kommission Juncker macht Oettinger zum Digital-Kommissar

Seinen ersten großen Auftritt wird Oettinger am Montag haben, wenn er vom Europaparlament geprüft wird. Es wird interessant sein zu sehen, wie viel Skepsis durchschimmern wird. Oettinger und Digitales, das ist ja auf den ersten Blick ein Oxymoron: ein gegensätzliches Begriffspaar.

Digitales - nicht Oettingers Wunsch?

Oettinger, das ist der 60-jährige Mann, der vor fünf Jahren durch die englische Sprache holperte, als habe er dieselbe Fremdsprachenakademie besucht wie einst der frühere FC-Bayern-Trainer Giovanni Trapattoni. Und dieser Mann soll nun mit Nerds debattieren? Über Clouds, IP-Adressen und die Zukunft des Turbo-Vectoring?

Dazu die Gerüchte: Das Digitale sei nicht Oettingers Wille gewesen. Sondern der Wunsch, der aus Berlin an Juncker herangetragen wurde. In Brüsseler Kreisen heißt es gar, Oettinger habe versucht, sich selbst zu desavouieren - indem er gezielt streute, dass er Digitalkommissar werden solle.

Tatsache ist, dass die Online-Ausgabe der Bild berichtete, Oettinger werde ebendieses Ressort anvertraut - kurz nach Oettingers Vorstellungsgespräch bei Juncker. Es soll den Gedanken gegeben haben, Oettinger mit einem unwichtigeren Ressort zu strafen. Doch dazu kam es nicht. Weil Merkel deutlich gemacht hat, dass sie das Digitale für zu wichtig hält?