Politik

Bassem Youssef

05.07.14

"Mentaler Terrorismus" zermürbt Polit-Satiriker

Der ägyptische Polit-Satiriker Bassem Youssef kann seine populäre Late-Night-TV-Show nicht mehr produzieren – aus Angst vor der Staatsgewalt. Sicher aber ist: Schweigen, das wird er nicht.

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Von Stv. Ressortleiter Außenpolitik

Das Wichtigste vorweg: Bassem Youssef, weit über Ägyptens Grenzen hinaus bekannter Fernseh-Talker, Satiriker und Komiker, hat seinen Humor nicht verloren. Ob er sich vorstellen könne, wieder in seinem erlernten Beruf als Herzchirurg zu arbeiten? "Niemals", sagt er im Gespräch mit der "Welt" und fügt mit diesem für ihn typischen, verschmitzten Augenzwinkern hinzu: "Ich bin jetzt vier Jahre raus aus der Medizin und könnte es nicht ertragen, dass jüngere Ärzte nun womöglich meine Chefs wären."

Ein Scherz, halb witzig, halb ernst gemeint. Man weiß bei ihm nie so recht, woran man ist. So ist der 40-jährige Ägypter berühmt geworden, ein Fernsehstar, ein Pionier der arabischen Satire. Seine einstündigen Bestandsaufnahmen politischer Inkompetenz, gespickt mit kühnen Sprüchen und köstlichen Bonmots, versammelten die ägyptischen Familien jeden Freitag vor dem Fernseher und füllten die Cafés, aber nur die mit TV-Geräten.

Versammelten, füllten – Vergangenheit. Youssef musste sein Programm "al-Barnamag" (Das Programm), das der saudi-arabische Sender MBC ausgestrahlt hatte, Anfang Juni einstellen, weil die Machthaber am Nil, ob Muslimbrüder oder Autokraten im Generalsrang, mit seiner Art von Humor nicht umgehen können. Aber Youssef wäre nicht Youssef, wenn er sich nicht mit einer satirischen Pointe vom Bildschirm verabschiedet hätte: "Wir leben in den wundervollsten Jahren der Demokratie in Ägypten. Wer das nicht so sieht, dem soll die Zunge herausgeschnitten werden."

Es war einer seiner letzten, scharfzüngigen Scherze in seiner Sendung, bei denen einem nur allzu oft das Lachen im Halse stecken blieb, weil sie auf furchtbare Art nahe an der Realität waren. Bassem Youssef ist verstummt, zumindest im Fernsehen. Am Ende beugte er sich der Gewalt, den Drohungen, den Repressionen seiner Gegner. Er, seine Familie und seine Mitarbeiter waren in Gefahr. Youssef musste die Reißleine ziehen.

Der Satiriker spricht von "mentalem Terrorismus"

Was genau den Ausschlag dafür gab, dass ihn der Mut verließ, will er nicht sagen. Ein Grund sicherlich: Im Februar reichten ägyptische Staatsanwälte Klagen gegen Youssef ein wegen Beleidigung der Armee, des ägyptischen Volkes und nationaler Symbole. Das ist keine Kleinigkeit in einem Land mit einem Justizapparat, der dem ehemaligen Feldmarschall und nunmehrigen Staatschef Abdel Fattah al-Sisi hörig ist.

"Satire war unsere Waffe, um die Lügen und Phrasen zu entlarven, die dazu benutzt wurden, das Volk zu kontrollieren", resümierte der Politsatiriker diese Woche auf dem Global Media Forum der Deutschen Welle in Bonn. Angst verkaufe sich, Angst schüchtere ein, Angst bringe Menschen dazu, gegen ihre ehrlichen Überzeugungen zu handeln, meint Youssef.

Angst lasse die Menschen ihre Würde und ihre Humanität verlieren, sie sei auch ein Wegbereiter des Faschismus gewesen. Diese Mechanismen seien immer noch gültig. Youssef weiß das genau, denn am Ende hatte auch er Angst. Vielleicht nicht um sich, aber um seine Familie und um sein Team, das zuletzt rund 200 Mitarbeiter umfasste. "Mentalen Terrorismus" nennt Youssef das.

Seine Waffen waren und sind die Worte, politische Witze, Satire und Comedy. Wer lache, der verliere seine Angst, sagt er und blickt trotz der Einstellung seiner wöchentlichen Show optimistisch in die Zukunft, weil sie der Jugend gehöre. "Die Propaganda, die noch bei ihren Eltern funktioniert hat, ist nicht mehr in der Lage, sie einzuschüchtern."

Die jungen Ägypter glauben nicht mehr an die alten Mythen

Die jungen Menschen hinterfragten inzwischen die Mythen, sie seien kritischer geworden. Das Schlachtfeld zwischen Angst und Freiheit seien ihre Hirne und Herzen. "Meine Show gibt es zwar nicht mehr, aber im Netz leben die Ideen weiter." Es sei nie die Frage gewesen, ob seine Show gestoppt würde, sondern nur, wann.

Angst habe keine Zukunft, sie könne keine Staaten aufbauen, nur zerstören, meint Youssef und schreibt den arabischen Potentaten ins Stammbuch: "In den Geschichtsbüchern werdet ihr verlieren, in den Herzen der Jungen habt ihr bereits verloren!"

Ob er mit seiner Art der Nachrichtenanalyse und Verspottung politischer wie gesellschaftlicher Missstände ein Prophet sei? "Allein dieser Vergleich würde mich in meiner Heimat wegen Blasphemie ins Gefängnis bringen", sagt er in Berlin, wohin ihn die Akademie der Künste am Pariser Platz zwischen Hotel "Adlon" und US-Botschaft eingeladen hat. Ein Pionier vielleicht, der die politische Satire in der arabischen Welt etabliert habe, die in den USA zum Beispiel von seinem Freund Jon Stewart erfunden worden sei. Ein Mann mit einer Mission.

Von der 100-Dollar-Produktion zum Superstar

Im Zuge der ägyptischen Revolution lud Youssef am 8. März 2011 seinen ersten Videoclip auf YouTube hoch. Youssef ertrug die Berichterstattung der staatlichen Medien nicht mehr, die noch nach dem Sturz von Husni Mubarak die bizarre Behauptung vertraten, die Demonstranten auf dem Tahrir-Platz würden nur tanzen, Unzucht treiben und Drogen nehmen.

Vom YouTube-Aktivisten mit 100-Dollar-Produktionen respektloser Videoclips im Hinterzimmer seiner Kairoer Wohnung, die sich vor allem über die Berichterstattung weitgehend gleichgeschalteter Medien lustig machten, entwickelte sich Youssef schnell zum TV-Star mit einem Millionenpublikum. Seine Show wurde jeden Mittwoch in einem Kairoer Theater aufgezeichnet und am Freitag, dem islamischen Sonntag, zur Primetime gesendet.

Im fußballverrückten Ägypten mag diese Zahl beredt Auskunft geben über seine Popularität: Er hatte Einschaltquoten von 33 Prozent, 30 Millionen bis 40 Millionen Menschen. Das ist doppelt so viel wie bei den Spielen der ägyptischen Fußballnationalmannschaft. "Ich werde von sehr vielen Menschen gehasst – und von allen gesehen", sagt er, das sei ihm durchaus recht.

Das Internet ist ein "Sammelbecken für Hass"

"Am Anfang fühlte ich mich verletzt von den Hassbeiträgen. Warum hassen die mich, habe ich mich gefragt, und warum verfluchen sie meine Mutter?" Aber irgendwann habe er begriffen: Das ist die Norm, nicht die Ausnahme. Das Internet sei ein Sammelbecken für Hass. "Aber sie gewinnen, wenn man sich ärgert. So beschloss ich also, mich nicht mehr zu ärgern."

Auftritte in der "Daily Show" des berühmten US-Komikers Jon Stewart sowie ein Gegenbesuch Stewarts in Youssefs Programm steigerten seine Popularität und schützen ihn auch eine Zeit lang vor denjenigen, die Ziel seines Spotts waren. Er twitterte an seine riesige Fangemeinde sogar noch aus einem mehrstündigen Polizeiverhör heraus.

Jeder andere Ägypter wäre wohl auf unabsehbare Zeit im Gefängnis verschwunden wegen Diffamierung der Sicherheitsbehörden oder sonst was. Nicht so Youssef. Er war bereits zu berühmt.

"Schland!", ruft der ägyptische Superstar zum Abschied

Seinen humoristisch-satirischer Kampf gegen die Verdummung der Menschen kann er nun aus seiner Heimat heraus nicht mehr führen. Wie es weitergeht, weiß Bassem Youssef noch nicht genau oder will es zumindest nicht sagen. "Neue Formate, vielleicht mehr hinter der Kamera", meint er lakonisch, aber seine grünen Augen blitzen wieder. Er hat den Schalk im Nacken, ständig. Auch wenn er sagt: "Ich genieße meine Arbeitslosigkeit."

Eine neue Show im Ausland will er aber nicht produzieren, das sei nicht authentisch. Auch zu YouTube-Billigproduktionen will er nicht zurückkehren, das wäre ein fataler Rückschritt. Sicher aber ist: Schweigen, das wird er nicht.

Und seinen Humor und seine Zuversicht verlieren, das auch nicht. "Kommen Sie uns besuchen in Ägypten. Wir können für nichts garantieren, aber das Essen ist gut", sagt er und entlässt den Reporter mit einem der ganz wenigen Worte, die er auf Deutsch beherrscht: "Schland!"

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