Düsseldorf

Inszenierung "Mutti"

21.05.14

Juli Zeh schickt Angela Merkel in die Therapie

Angela Merkel ist unnahbar. Sie sagt wenig, bewegt sich wenig – man soll ihr einfach die Problemlösung überlassen. Juli Zeh hat sich die "Mutti" der Nation in einer bitterbösen Kommödie vorgeknöpft.

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Von Dorothea Hülsmeier

Die Schriftstellerin Juli Zeh hat eine bitterböse Komödie über Merkel und ihre engsten Koalitionspartner geschrieben
Foto: dpa Die Schriftstellerin Juli Zeh hat eine bitterböse Komödie über Merkel und ihre engsten Koalitionspartner geschrieben

Irgendwann wurde aus der langjährigen CDU-Kanzlerin Angela Merkel "Mutti", die Mutter, die sich um alles kümmert und schon alles richtig machen wird. Sogar in ausländischen Medien hat sich der urdeutsche Kosename "Mutti", der heute einen negativen Beigeschmack hat, eingebürgert. "Mutti", so heißt auch das neue Theaterstück der mehrfach preisgekrönten Autorin Juli Zeh (39), das am Donnerstag bei den Ruhrfestspielen in Recklinghausen uraufgeführt wird. Der Titel ist Programm: Es geht um die Kanzlerin Angela Merkel (59).

Eine Satire sei das Stück, sagte die politisch engagierte Schriftstellerin Zeh kürzlich im NDR-Interview. Zeh selber ist nach eigenen Angaben eine Merkel-Kritikerin. Merkel reagiere auf komplexe Probleme wie die Euro-Krise nach dem Motto: "Das muss auch keiner verstehen, wir lösen das schon." Wichtig sei nur, "was hinten rauskommt". Sie halte eine solche Herangehensweise für falsch und nicht demokratisch, sagte Zeh in dem Interview. "Die Herausforderung an Politiker heute ist, zu kommunizieren." Andernfalls drohten Politikverdrossenheit und das Fehlen von demokratischer Legitimation.

Macht durch Nichtstun

Die promovierte Juristin Zeh hatte nach Bekanntwerden der NSA-Spähaffäre einen Offenen Brief an Merkel verfasst, den fast 70.000 Unterstützer sowie Schriftsteller unterzeichneten. Im September 2013 führte Zeh kurz vor der Bundestagswahl einen Protestmarsch von Schriftstellern vor dem Kanzleramt an.

Zusammen mit der Autorin Charlotte Roos schrieb Zeh nun das Stück "Mutti", in dem Merkel und ihre engsten Kabinettsvertrauten gemeinsam zur Gruppentherapie müssen und sich ein Macht- und Intrigengeflecht entspinnt. Ausgerechnet während des Endspiels der Fußball-Weltmeisterschaft – Deutschland gegen Spanien – sollen die Koalitionspartner Wege aus der Euro-Krise finden und ihre Kommunikationsprobleme abbauen. Wie wird sich die Kanzlerin verhalten? Inszeniert hat das Stück Hasko Weber, Intendant des Deutschen Nationaltheaters Weimar.

Sie sei neugierig, was Merkel für ein Mensch sei, sagte Zeh im NDR. "Sie steht immer wie eine Sphinx da, so völlig undurchschaubar." Merkel sei in "Mutti" die Hauptfigur, "die sich wie im richtigen Leben wenig bewegt und wenig sagt, aber gerade dadurch eine ungeheure Macht ausübt." Es gehe um die Frage, wie man "durch geschicktes Abwarten und Nichtstun" so eine Machtfülle bekommen könne.

Vereint unter der Sicherheitsglocke

Die Psychoanalytikerin Thea Bauriedl, die als Begründerin der Beziehungsanalyse gilt, sagte 2013 in einem "Zeit online"-Interview auf die Frage nach der Wirkung Merkels: "Wir sollen uns unter einer gemeinsamen Sicherheitsglocke vereint fühlen … Wir brauchen dann auch keine Aufklärung mehr: Alles ist in Ordnung, egal, was um uns herum geschieht." Das führe zu einer Entpolitisierung. "Wir sind überwiegend wie die Lämmer, die Merkel nachlaufen, weil wir fürchten, dass sie uns verlässt, wenn wir nicht brav sind …", sagte Bauriedl.

Auf ihrer Website schreibt Merkel in der Rubrik "Persönlich", sie sei angesichts ihrer vielen Termine und Treffen mit Menschen froh, wenn sie Zeit habe, "Probleme und Lösungswege in Ruhe zu durchdenken und mich mit meinen Mitarbeitern zu beraten. Ich glaube, dass es in unserer schnelllebigen Zeit ganz wichtig ist, sich Zeit zu nehmen, um die Dinge sorgfältig zu durchdenken und dann zu entscheiden."

Fast könnte man meinen, Zeh habe genau diese Sätze zum Thema ihrer Komödie gewählt. Was auf der Bühne "hinten rauskommt", ist noch ein Geheimnis. Ob am Ende des Theaterstücks jeder der Koalitionsakteure politisch überlebt, darf bezweifelt werden.

dpa/nago