Politik

TV und Parlament

20.10.14

Satire muss im Reichstag leider draußen bleiben

Der Bundestag verwehrt der "Heute-Show" den Zugang. Begründung: Bei der Satire-Sendung handele es sich nicht um "politisch-parlamentarische Berichterstattung". Der Schuss könnte nach hinten losgehen.

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Von Miriam Hollstein

Dem deutschen Volke" steht seit 1916 über dem Eingang des Reichstags. Das Problem ist, dass sich das Volk immer weniger dafür zu interessieren scheint, was im Innern des Gebäudes zu seinem Wohl diskutiert wird. Das zeigt auch die sinkende Wahlbeteiligung. Ein nicht ganz unbeträchtlicher Teil des deutschen Volkes schaut dafür die mehrfach ausgezeichnete ZDF-Sendung "Heute-Show", die satirisch die politische Woche Revue passieren lässt. Zwischen zwei und drei Millionen schalten jeden Freitagabend ein. Und nicht nur das Volk: Auch unter seinen Vertretern gibt es viele bekennende Fans.

Nun wurde einem Team der Sendung, das laut Auskunft des ZDF über die Debattenkultur im Bundestag berichten wollte, die Drehgenehmigung verweigert. Begründung des Bundestagssprechers: Dies sei "keine politisch-parlamentarische Berichterstattung". Für die "Heute-Show" war das eine Steilvorlage. Erst zitierte Moderator Oliver Welke genüsslich aus der Absage und nannte dabei auch den Namen des Leiters des Pressereferats. Dann wurde ein Reporter vor Ort geschickt, um doch noch Zugang zu erheischen. Ohne Genehmigung natürlich zum Scheitern verurteilt, aber für die "Heute-Show" eine gute Gelegenheit, um schnell noch ein paar Bundestagsabgeordnete vorzuführen (Jürgen Trittin: "Ich bin hier doch nicht der Hausmeister").

Doch auch bei einigen Spitzenpolitikern, von denen viele schon in der "Heute-Show" vorgeführt wurden, regt sich Unmut über den Vorgang. Die Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen, Britta Haßelmann, findet, dass die Begründung des Bundestagssprechers "auf jeden Fall gar nicht" geht. Auch die SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi kann die Absage nicht nachvollziehen: "Ich finde nicht, dass man sich von der 'Heute-Show' bedroht fühlen muss", sagte sie am Montag in Berlin.

Pressereferat des Bundestags verteidigt Absage

Das Pressereferat des Bundestags verteidigt hingegen die Absage. Die Produktionsfirma der "Heute-Show" habe in ihrer Anfrage angegeben, einen "Protagonisten" auf der Pressetribüne filmen zu wollen. Der Leiter des Pressereferats habe in einem Telefonat darauf hingewiesen, dass solche Inszenierungen jedoch nicht erlaubt seien. Denn die vom Ältestenrat des Bundestages 2005 beschlossenen Zugangs- und Verhaltensregeln erlaubten Film- und Fotoaufnahmen "nur zur unmittelbaren politisch-parlamentarischen Berichterstattung".

"Eine Ungereimtheit" habe auch darin bestanden, dass die Produktionsfirma den – regelmäßig mittwochs stattfindenden – Tagesordnungspunkt "Befragung der Bundesregierung" als thematische Begründung nannte, die Drehgenehmigung aber für den Donnerstag beantragt hätte: "Nachdem die Absicht offenbar wurde, unter Verstoß gegen die hiesige Geschäftsordnung im Reichstagsgebäude eine Satire-Inszenierung aufzuzeichnen, lehnte die Pressestelle die Akkreditierung des Filmteams ab."

Beim ZDF heißt es, die Anfrage sei als eine Anfrage der "Heute-Show" kenntlich gewesen und habe einem Dreh im Foyer des Bundestags gegolten. Man werde sich auch in Zukunft um eine Drehgenehmigung bemühen, sagte ein Sprecher der "Welt".

Im Netz formiert sich der Protest

Im Netz formieren sich unterdessen bereits die Protestgruppen, beispielsweise in einer Online-Petition. Moderator Oliver Welke hatte am Ende des Beitrags in der "Heute-Show" die Zuschauer zu Protesten ermutigt.

Die "Heute-Show" ist der Krawallbruder unter den Satiresendungen: brachial, schmerzfrei, alles andere als ausgewogen. 2010 verbot der damalige ZDF-Programmdirektor Thomas Bellut dem Team, bei der Arbeit mit anderen "Heute"-Marken zu operieren: Ein Gesprächspartner hatte sich beschwert, der Reporter habe suggeriert, es handele sich um einen Beitrag fürs "Heute-Journal".

Man muss solche Formate nicht mögen. Aber man muss sie aushalten können. Denn bei aller Häme bildet die "Heute-Show" ab, was die Gesellschaft gerade politisch umtreibt. Sie lädt ein, darüber zu lachen, zu streiten und zu diskutieren. Um mit Kurt Tucholsky zu sprechen: "Was darf die Satire? Alles". Das sollte auch für den Zugang zum Bundestag gelten.