Die Welt kompakt

Kommentar

30.10.14

Satire darf alles

Von Stv. Ressortleiter Meinung

Es ist keineswegs so, dass nur Muslime schnell beleidigt sein können. Als die Komikerin Carolin Kebekus im Sommer 2013 das satirische Video "Dunk den Herrn" ins Netz stellte, in dem sie als Nonne verkleidet an einem Kruzifix schleckt, rief die Piusbruderschaft dazu auf, sie wegen der Verunglimpfung religiöser Symbole anzuzeigen. Rund 100 Katholiken taten das auch. Was immerhin dazu führte, dass der WDR den Beitrag aus dem Programm der Komikerin strich. Allerdings war Kebekus' Geschmacklosigkeit auch von einem härteren Kaliber als der Spott, den Dieter Nuhr zum Thema Islam formuliert.

Dass ein Muslim in Deutschland gegen den Komiker Anzeige erstattete, war ja sein gutes Recht. Wirklich beängstigend wirkten einige Reaktionen von deutschen "Experten". Da wurden doch tatsächlich Migrationsforscher und Islam-Theologen bemüht, um darüber aufzuklären, dass vieles, was Dieter Nuhr über den Islam sage, doch ziemlich "undifferenziert" sei. Eine Aussage, die selbst satirisches Potenzial enthält, ist es doch das Wesen von Spott und Satire, zu verzeichnen und zu überziehen. Mit ein wenig Verspätung fand der Präsident des Zentralrats der Muslime in Deutschland, Aiman Mazyek, die richtigen Worte, als er darauf hinwies, dass Satiriker nicht in erster Linie dafür da seien, die Religion auszulegen. Die Anzeige gegen Nuhr spiegele nicht die Haltung der Muslime in Deutschland.

Seit Jüngstem wissen wir nun, dass es nicht nur Muslime und Katholiken gibt, die schnell gekränkt sind, sondern auch Freunde des deutschen Schlagers. Beim Deutschen Comedypreis hatte Kebekus eine rasante Parodie von Helene Fischer und ihrem Hit "Atemlos" präsentiert. Selbst das führte zu einem Aufschrei und heftigen Anfeindungen gegen die Komikerin in den sozialen Netzwerken. Nur eine Anzeige ging noch nicht ein.

Dabei ist die Frage, was Satire darf, in einer freiheitlichen Demokratie so einfach mit dem berühmten Wort des großen Kurt Tucholsky zu beantworten: "Alles." Das Übrige regeln die Gesetze.

rainer.haubrich@welt.de