Die Welt kompakt
20.11.14

Lachen ist die beste Medizin

Zwei Künstlerinnen begegnen Frauenfeindlichkeit mit Satireaktion

Von Hannah Kessler

Unser Ziel ist es, das Lachen der Frauen von den Straßen unser Stadt aus der Öffentlichkeit in einen geschlossenen Raum zu verlagern." Was die beiden Künstlerinnen Lucie Ella Jürgens und Jenny Cremer in ihrem offenen Brief schreiben, klingt haarsträubend. Doch wer die beiden jungen modernen Frauen in ihrem Agentinnenkostüm mit beigem Trenchcoat, großer Sonnenbrille und Melone sieht, begreift unmittelbar, dass ihr Schreiben Satire ist. Doch wen verspotten sie?

Ihre Anklage richtet sich an Bülent Arınç. Der stellvertretende türkische Regierungschef hatte im Sommer für Empörung gesorgt, als er das Lachen von Frauen in der Öffentlichkeit diskreditierte. Er bekannte, sich zurückzusehnen nach jenen leicht errötenden Mädchen, die den Kopf senkten – schamvoll, anstatt ihn selbstbewusst in den Nacken zu legen, um die Welt mit ihrem tugendlosen Lachen zu provozieren. Auf seine frauenfeindlichen Äußerungen hin gründeten Jürgens und Cremer "Die Initiative" und entwickelten den Prototyp einer Lachkiste.

Die Lachkiste, das ist ein rollbares Gerüst, versehen mit schwarzen Vorhängen. Von außen ist sie nicht einsehbar, ihr Innenraum entspricht in etwa der Kabine eines Fotoautomatens. Dieses Ding erfüllt nach Aussage des offenen Briefes den Zweck, "das weibliche Lachen zu kontrollieren und eine neue, moralische Zeitenwende einzuläuten". Ihre Mission starten die beiden Agentinnen in Ehrenfeld. Schließlich gebe es auch in Köln überall frei und unkontrolliert lachende Frauen. Auf dem Gezi Soul Festival im September stellen Jürgens und Cremer also ihren Prototypen an jenen offensichtlich "verdorbenen" Ecken auf, um eine Passantin nach der anderen, zum Lachen in die Kiste zu schicken. Bevor Fotografin Jürgens den Auslöser drückt, bringt sie die Besucherinnen zum Lachen. Wie? Das verrät sie nicht. Aber es muss verdammt komisch sein. Davon zeugen ihre Porträts.

Mittlerweile hat Jürgens etwa 600 Frauen abgelichtet – junge Muslima, Kölner Hipsterbräute, türkische Omas mit Kopftuch, Konfessionslose. Entstanden sind Aufnahmen, bei denen der Betrachter das schallende Gelächter förmlich zu hören glaubt. Wie laut ihre Aktion sein kann, berichtet Cremer, die das Geschehen filmisch dokumentiert: "Eine Frau hatte ein so ansteckendes Lachen, dass der ganze Platz auf dem Boden lag." Die Rede ist vom Taksim Platz in Istanbul. Denn dorthin fliegt "Die Initiative", nachdem sich ihre Lachkiste hierzulande bewährt hat. Im Gepäck: Die Porträts der Kölnerinnen vom Gezi Soul Festival, ausgedruckt auf Plakaten, die der berühmte französischer Fotograf und Streetart-Künstler JR gesponsert hat.

In der Türkei wird "Die Initiative" gleich in zweifacher Hinsicht aktiv. Wie schon in Ehrenfeld lichtet Jürgens auch hier Frauen in der Lachkiste ab. Während in Köln nur gut die Hälfte von der Äußerung des türkischen Politikers wusste, kennt in Istanbul jeder dessen Aussage. Viele Türkinnen sind sofort bereit, mitzumachen. Manche werden sogar von ihren Männern ermutigt. Vor konservativen Moslems sollen sich die beiden Künstlerinnen aber in Acht nehmen, warnen ihre Freunde. Letztlich aber reagiert niemand feindlich. Auch nicht, als "Die Initiative" in einer Nacht- und Nebelaktion die Frauenporträts an die Häuserwände von Kadıköy kleistert. Das Viertel auf der asiatischen Seite von Istanbul ist beides – traditionell konservativ und zugleich ein kreativer Ort, ein Künstlerquartier. Die Stadtteilseite von Kadıköy hat die Aktion bemerkt und ein Foto auf Facebook gepostet. Die Reaktionen darauf bestärken "Die Initiative" in ihrem Vorhaben: 1265 Likes. Außerdem wurde der Post geteilt – schon über 400 Mal.

Derartigen Zuspruch können Cremer und Jürgens gerade gut gebrauchen. Schließlich erfolgt nun der mühsame Teil ihrer Aktion: Die Fotos müssen gesichtet und bearbeitet werden. Vielleicht werden sie im Frühjahr ausgestellt. Zunächst aber müssen die Bilder gemeinsam mit dem offenen Brief ihren eigentlichen Adressaten erreichen: Bülent Arınç. Wie der wohl reagieren wird? 600 Frauen, die nicht den Blick senken, sondern mit einem schallenden Lachen auf seine Misogynie reagieren: In Your Face!