Kultur

Angriff auf Amazon

09.12.14

Bei Twitter gibt es bald Bücher zu kaufen

Bestseller-Autoren sollen künftig ihre Bücher direkt an ihre Twitter-Follower verkaufen. Das teilte der US-Verlagsriese Hachette mit. Den Verlagen winkt ein Millionengeschäft – zulasten von Amazon.

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Von Feuilletonredakteur

Die Meldung kommt harmlos daher: Hachette, einer der fünf großen Verlagskonzerne der USA, möchte künftig seine Starautoren als Vertriebsstars einsetzen. Bestsellerschreiber mit einer großen Zahl von Followern beim Kurznachrichtendienst Twitter, Paulo Coelho etwa oder John Green ("Das Schicksal ist ein mieser Verräter"), sollen ihre Bücher mit den magischen 140 Zeilen via Twitter bewerben: Direktmarketing heißt das in der Sprache der Werbestrategen und nichts daran ist neu.

Neu allerdings ist der Buy-Button, der Kauf-Knopf. Der wird Hachette vom Start-up Gumroad (Slogan: "Werde einer der tausenden Kreativen, denen wir ermöglichen, Millionen von Dollars zu verdienen") zur Verfügung gestellt. Der Knopf erlaubt es den Followern, das beworbene Buch gleich jetzt und sofort zu erwerben: Direktkauf heißt das in der Sprache der Werbestrategen und ist auf der Treppe des Marketing die Stufe, die auf das Direktmarketing folgt.

Funktioniert der Twitter-Direktkauf, erwächst Amazon in den sozialen Netzwerken ein gefährlicher Konkurrent

Dass sich das lohnen könnte, sagen die Zahlen: Die durch und durch crossmediale Amanda Palmer etwa, Musikerin, Kabarettistin und mit dem SchriftstellerNeil Gaiman verheiratete Schriftstellerin, hat bei Twitter mehr als eine Million Follower. Ihr neuer Roman "The Art of Asking" würde sich aus dem Stand den Bestsellerrängen nähern, klickten nur zehn Prozent ihrer Folgschaft auf "Buy".

Ob es so kommt, soll, wie Hachette mitteilt, in diesem Monat ein Experiment zeigen: Zunächst schicken Hachette und Gumroad neben Palmer noch den Ex-Astronauten und YouTube-Performer Chris Hadfield (1,2 Millionen Follower) und ein Buch des Satire-Magazins "The Onion" (6,6 Millionen Follower) ins Rennen und testet das neue Direktkauf-Projekt. Niemand dürfte das Experiment aufmerksamer beobachten als der Internethändler Amazon.

Denn funktioniert der Twitter-Direktkauf, erwächst dem zunehmend unbeliebten Versandhändler in den sozialen Netzwerken ein gefährlicher Konkurrent, während die Buchverlage (und letztlich alle Medienanbieter) einen zusätzlichen Vertriebskanal gewinnen. Es dürfte jedenfalls kein Zufall sein, dass ausgerechnet Hachette, das sich mit Amazon zuletzt einen erbitterten Konditionenstreit geliefert hat, nach neuen Vertriebswegen sucht.

Die Meldung ist also alles andere als harmlos: Im Kampf gegen den einen Gatekeeper (Amazon) macht der Content-Lieferant Hachette den anderen (Twitter) ein ganzes Stück kompletter: Wo man alles kaufen kann, kann man auch immer bleiben. Das war die Idee der Shoppingmall.