Hackerangriff auf Sony: Skandal des Jahres

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AFP

Bei den Hackerangriffen auf Sony geht es nur um geleakte E-Mails und leere Drohungen? Nein, er lässt alle Beteiligten schlecht aussehen. Nur einer hat Grund zur Freude: Kim Jong Un.

Vielleicht liegt es daran, dass die Affäre mit etwas mittlerweile Alltäglichem begann: Fünf von Sony Pictures produzierte Filme wurden vorab ins Netz gestellt. Wer sich für "Herz aus Stahl" mit Brad Pitt interessierte, freute sich womöglich darüber, das Weltkriegsepos noch vor dem Kinostart sehen zu können.

Auch als E-Mails von Sonys Führungspersonal geleakt wurden, herrschte noch größtenteils Belustigung vor. Man kicherte über die Gehässigkeiten, die die Studiobosse für Angelina Jolie übrig hatten, und schüttelte den Kopf über ihre rassistischen Frotzeleien.

Erst seitdem Sony am Donnerstag den Kinostart seiner Nordkorea-Satire "The Interview" absagte, scheint vielen die ungeheure Brisanz bewusst zu werden. Als "eine ernsthafte Angelegenheit die nationale Sicherheit betreffend" hat US-Regierungssprecher Josh Earnest die Angriffe nun bezeichnet. Dabei müsste schon viel länger klar sein: Die Hackerattacke auf Sony ist ein Skandal, wie es ihn noch nicht gegeben hat - und ein Lehrstück darüber, wie moderne (Wirtschafts-)Kriegsführung heutzutage funktioniert.

Der Skandal hat drei Dimensionen. Zum einen die wirtschaftliche: Mit einer nahezu genial konzertierten Aktion haben die Hacker Sony gleich doppelt getroffen. Durch die geleakten Filme hat der Konzern materiellen Schaden und durch die Veröffentlichung der E-Mails immateriellen Schaden erlitten - für ein Kreativunternehmen ist beides gleichermaßen fatal. Dass Sony-Pictures-Chefin Amy Pascal infolge der E-Mail-Affäre zurücktritt, gilt in Branchenkreisen nurmehr als eine Frage der Zeit. Mit wie wenig Mitteln man offensichtlich die Führungsebene eines global agierenden Konzerns abschießen kann, sollte Managern in aller Welt zu denken geben.

Zum anderen liegt es aber auch den Medien, dass es überhaupt so weit kommen konnte. Aus den privaten E-Mails von Pascal und Scott Rudin zu zitieren, ist medienethisch ähnlich verwerflich, wie auf geleakte Nacktfotos von Prominenten zu verlinken. Dass es sich bei den Opfern um steinreiche Manager mit offenbar rassistischen Tendenzen handelt, darf bei der Beurteilung keine Rolle spielen: Der Schutz der Privatsphäre gilt, solange nicht öffentliche Interessen betroffen sind, auch für Idioten.

Am bemerkenswertesten an den Hackerangriffen ist aber die politische Dimension. Ohne dass es nach Einschätzung des Ministeriums für Heimatschutz eine nennenswerte Bedrohung gibt, hat Sony den Kinostart von "The Interview" abgesagt - wohlgemerkt auch den Start in den USA. Dass westliche Popstars ihre freizügigen Shows in islamischen Ländern abschwächen müssen oder einzelne Szenen aus US-Blockbustern in internationalen Fassungen fehlen, ist gang und gäbe. Doch dass eine Zensur im eigenen Land stattfindet, ist neu.

Die Frage, ob Nordkorea tatsächlich hinter den Hacks steht, ist in dieser Perspektive nachrangig. Dass eine Aktion von solch technischer Raffinesse und politischer Gerissenheit dem Land überhaupt zugetraut wird, ist ein Triumph für Kim Jong Un - und es ist ein Triumph, an dem der Westen maßgeblich mitgearbeitet hat, indem Sony vor vagen Drohgebärden eingeknickt ist und sich die Medien zum Komplizen der Hacker gemacht haben.

Noch wird der Strom der Enthüllungen durch die Hacks nicht abreißen und die Diskussion darum, wie man "The Interview" dennoch zugänglich machen kann, weitergehen. Doch irgendwann wird man sich der schmerzhaften Erkenntnis nicht mehr verschließen können: So einfach und gekonnt wurden ein Weltkonzern und die westlichen Medien noch nie ausgetrickst.

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1.
explorer88 19.12.2014
Wie wär's mit Schleichwerbung? Einen Skandal kreieren, ist die Beste Werbung! Hollywood war und ist mit der Politik in den USA bestens vernetzt und macht Propaganda für diese. Wieso wird kein Snowden Film gepusht? Sondern völlig absurd mit PG18 gerated? Warum kein Film über die US/GB Spähprogramme? Schlüpfen die USA jetzt in die Rolle eines Verfolgten? Und - wieso gibt Sony den Film nicht einfach ins Netz - dann ist er öffentlich.
2. DVD&Blu-Ray
RedKore 19.12.2014
Warum veröffentlicht Sony den Film denn nicht stattdessen einfach auf DVD und Blu-Ray, dann kann ihn jeder sehen wo er möchte. Ich bin mir sicher, dass der Film nach den ganzen Meldungen, einschlagen wird wie eine Bombe (haha). Diese ganze Sache ist doch die perfekte Werbung: Patrioten werden sich ihn angucken um ihrem Land einen Dienst zu erweisen (lol) und alle anderen werden ihn sehen, weil sie einfach nur über die größte Witzfigur (kim-jong-un) lachen wollen.
3. Auf die Nase
spon-facebook-10000523851 19.12.2014
Auf der einen Seite recht erfreulich , dass der selbstgefaellige Verein eins auf die Nase gekriegt hat, auf der anderen Seite beaengstigend, wie das Internet zur Gefahr wurde. ZB. koennten Hacker verschiedener Laender die gesamte Infrqastuktur einiger Laender, die USA eingeschlossen lahmlegen. Wie immer hat es die Menschheit geschafft, das was gut sein koennte zu missbrauchen und in eine Waffe zu verwandeln.
4. Karma
arkimethans 19.12.2014
Mein Mitleid hält sich in Grenzen. Das ist halt Karma. Wer so mies mit seinen Mitarbeitern umgeht, verdient es nicht besser. Unter diesem Führungspersonal hat sich Imageworks zurückentwickelt. Ohne Not. Und die Kosteneinsparungen, die Pascal so beeindruckten, haben zu einem massiven Brain Drain geführt, was auch die mittelmäßige Qualität erklären dürfte, die Imageworks seit Jahren auf den Markt wirft. Das Betriebsklima ist nun zerstört. Zukünftige Bewerber wissen nun genau, wie sie in Gehaltsverhandlungen gehen müssen. Ex-Mitarbeiter verklagen bereits die Firma. Und in Hollywood wird sich mancher fragen, ob er überhaupt noch mit Sony zusammenarbeiten möchte. Sollte sich ein Hinweis darauf finden, dass Sony massiv Blacklisting betrieben hat, dann wird es noch sehr lustig werden. Das hätte auch strafrechtliche Konsequenzen. Und es gibt nicht Wenige, die derzeit die Emails danach durchforsten. Ach ja, die Brancheninsider haben sich übrigens für den Gossip-Quatsch nicht wirklich interessiert. Das ist was für die Boulevardmedien und deren Leser. Dass es natürlich auch heute noch Journalisten gibt, die sich an Experten wenden, um den gesamten Sachverhalt zu verstehen, ist sehr lobenswert, aber eben die Ausnahme.
5. Eventuell
hermann_huber 19.12.2014
sollte Sonys mehr als drei Leute in der Cybersecurity beschäftigen. . Nur mal so als Gedanke. Auch wenn das alles nur Kostenstellen sind für ein Manager scheinen die doch eventuell wichtig zu sein. Diese Typen mit ihren blöden PCs halt... Hier in Deutschland ist es das gleiche oder schlimmer.
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