Reaktion auf Sony-Hack: Obamas leere Drohungen
Nach der Absage der Premiere der Satire "The Interview" will US-Präsident Obama Nordkorea für seine mutmaßlichen Terrordrohungen bestrafen - aber wie? Viele Möglichkeiten hat der US-Präsident nicht.
Barack Obama ließ alle Optionen offen - das sollte jeder merken: "Wir werden antworten, angemessen und in einem Zeitrahmen und einer Weise, die wir wählen", sagte der US-Präsident in einer Pressekonferenz. Mehr ließ er sich nicht entlocken auf die Frage, wie die USA auf die mutmaßlich von Nordkorea ausgehenden Hackerangriffe und Terrordrohungen reagieren will, wegen denen sich die Filmproduktionsfirma Sony gezwungen sah, die Premiere der Satire "The Interview" am ersten Weihnachtsfeiertag abzusagen.
Noch ist nicht zweifelsfrei geklärt, ob wirklich Nordkorea hinter dem massiven Diebstahl von Daten aus Sonys Firmennetzwerk steckt. Die Diktatur ließ über ihre staatliche Nachrichtenagentur KCNA am Samstag wissen, dass man Beweise für die eigene Unschuld habe. Das Land schlug den USA eine gemeinsame Untersuchung der Cyber-Attacken vor und warnte vor "schweren Konsequenzen", wenn die Amerikaner sich dem verweigerten.
- Auf gleiche Weise zurückzuschlagen hält Geheimdienstexperte Brenner für keine gute Idee. Mit einer Cyberattacke würde man Nordkorea offenbaren, welche Schwächen in ihren Computernetzwerken den USA bekannt sind. So viel dürfte der US-Regierung eine Hollywood-Komödie kaum wert sein. Auch könnten die Nordkoreaner das Hochtechnologieland USA mit einem Vergeltungsangriff viel härter treffen als die Amerikaner die Steinzeitdiktatur.
- Auch für schärfere Wirtschaftssanktionen, etwa die Sperrung von Devisenkonten, ist nicht viel Raum. Die USA haben die Konten von Nordkoreas Außenhandelsbank schon im März 2013 eingefroren, als Reaktion auf einen Atomwaffentest des Landes. Den größten Schaden erlitt Nordkorea damals, als Chinas Staatsbank dem US-Vorbild folgte.
- Auch diesmal müssten die USA wohl mit China kooperieren, damit mögliche Strafmaßnahmen der Kim-Diktatur wirklich gefährlich werden. Danach sieht es derzeit nicht aus. In Peking kann man über den Film, an dessen Ende Kim Jong Un in die Luft fliegt, offenbar genauso wenig lachen wie in Pjöngjang. "The Interview" sei ein Zeichen "sinnloser kultureller Ignoranz" der USA, kommentierte die chinesische Zeitung "Global Times".
Viele Optionen hat er US-Präsident in Wahrheit also nicht. Nun muss Obama auch noch Kritik von unerwarteter Seite einstecken, von Sony selbst. Dessen Chef Michael Lynton wehrte sich gegen Obamas Vorwurf, die Filmfirma hätte einen Fehler gemacht, als sie die Vorführung der Satire abgesagt hätten. Man habe auf den Wunsch der Kinobetreiber reagiert. "Wir können nicht bestimmen, ob ein Kino den Film zeigt oder nicht", sagte Lynton im Interview mit CNN.
Zumindest Sony kann nun frei entscheiden, was mit seinem 44-Millionen-Dollar-Film um die Comedy-Stars Seth Rogen und James Franco passieren soll. Ein direkter Verkauf auf DVD oder an einen Video-on-Demand-Betreiber wie Netflix sei möglich, noch sei aber kein Interessent auf Sony zugekommen. Deshalb sei auch eine Veröffentlichung auf YouTube denkbar, wo jeder den Film kostenlos ansehen könne, sagte Lynton. "Wir wünschen uns, dass die amerikanische Öffentlichkeit diesen Film sehen kann."
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