19.05.2014

Humor Viele Satiriker sind keine

Von Akü,

Jürgen Kessler, 65, Leiter des Deutschen Kabarettarchivs, über fehlenden Ernst und seinen Antrag an die Unesco

SPIEGEL: Sie fordern, dass Satire Weltkulturerbe wird. Ist sie denn gefährdet?

Kessler: Solange es Menschen gibt, wird es Missstände geben, und so lange gibt es Satire. Aber in Ländern wie Ägypten, der Türkei oder sogar Dänemark muss der freidenkende Satiriker um sein Leben fürchten. Die Aufnahme in die Unesco-Liste des immateriellen Weltkulturerbes wäre ein wichtiges Signal.

SPIEGEL: Wie ist es bei uns um die Satire bestellt?

Kessler: Viele Satiriker sind keine. Sondern Moderationswichtigtuer, die andere unter die Gürtellinie schlagen, oder Rundum-sorglos-Unterhalter, die unsere Verfassungswirklichkeit nicht interessiert. Da hilft es auch nichts, wenn der Name einer Fernsehsendung Gegenteiliges behauptet.

SPIEGEL: Sie meinen den ARD-"Satire Gipfel" mit Dieter Nuhr?

Kessler: Ich erlebe, wie die Kabarettszene vom "Gipfel"-Präsentator enttäuscht ist und dem Sender Eingaben schickt. Einige seiner Gäste reißen es immer wieder raus, Andreas Rebers zum Beispiel oder Max Uthoff. Anderen aber hängt Satiremissbrauch an.

SPIEGEL: Wem denn?

Kessler: Etwa dem Comedian Ingo Appelt. Im Archiv bin ich auf alte Schoten von ihm gestoßen wie: "Warum ist Schäuble nicht schwul? Weil er seinen Arsch nicht mehr hochkriegt." Das ist keine Satire, sondern geschmacklos.

SPIEGEL: Der "Satire Gipfel" ist immerhin die Nachfolgesendung von Dieter Hildebrandts "Scheibenwischer."

Kessler: Das behauptet die ARD. Aber Nuhr will Star sein, kein Satiriker. Hildebrandt war immer auch Moralist, lebte Satire als ernsthafte Auseinandersetzung, wurde das Synonym für politisches Kabarett. Deshalb wollen wir vom Kabarettarchiv ihn am 28. Mai ehren.

SPIEGEL: Was planen Sie?

Kessler: Seine Witwe und eine seiner Töchter werden in unserem Museumsgewölbe eine Büste enthüllen, in Anwesenheit von Freunden wie Ottfried Fischer, Dieter Hanitzsch oder Klaus Staeck. Sie wird gegenüber der Büste von Hanns Dieter Hüsch ihren Platz finden, dem anderen Großen. Beide werden einander anlächeln - Hüsch milde, Hildebrandt spöttisch.


DER SPIEGEL 21/2014
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