Webcomic-Antiheld: Not-All-Man beschützt diskriminierte Männer

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Auszug aus dem Lubchansky-Comic: Not-All-Man beschützt die Beschützten Zur Großansicht
Matt Lubchansky

Auszug aus dem Lubchansky-Comic: Not-All-Man beschützt die Beschützten

Mit seinem neuesten Antihelden hat der Comic-Zeichner Matt Lubchansky einen Nerv getroffen: Der Not-All-Man taucht überall auf, wo "umgekehrter Sexismus" droht. Im Netz ist er mittlerweile ein Star - dabei kennen ihn andere schon länger.

Alarm, das Mann-Signal ist am Himmel zu sehen. Das bedeutet: Irgendwo auf der Welt wird gerade in diesem Moment ein Mann diskriminiert, höchste Not. Doch fürchten muss sich niemand, denn schon ist er zur Stelle: Not-All-Man, der Verteidiger der Verteidigten, Beschützer der Beschützten, die Stimme der Stimmgewaltigen.

Der Not-All-Man ist ein neuer Comic-Held aus den Weiten des Internets, und er wird nicht zulassen, dass auch nur ein einziger seiner Geschlechtsgenossen ungerechtfertigt beschuldigt wird, irgendetwas getan zu haben - erst recht nichts Sexistisches.

Dem Not-All-Man ist das Differenzieren wichtig: Während sicher einige Männer vielleicht und ganz eventuell auch mal etwas frauenfeindlich, gewalttätig oder zumindest übermäßig von sich eingenommen sein könnten, gilt das eben nicht für alle Männer. Und das zu sagen, ist dem Not-All-Man sehr, sehr wichtig.

"Ich bin zum Beispiel gar nicht so"

Die Figur ist ein Geistesblitz des Comiczeichners Matt Lubchansky, er taucht in einer Episode seines Webcomics "Please listen to me" auf. Mit flatterndem Poloshirt und Schlapphutmaske vor den Augen wirft er sich flughörnchenmutig all jenen entgegen, die es in Diskussionsforen, an Bartresen, auf Twitter, Facebook oder queer-feministischen Konferenzen wagen, Sexismus aus dem toten Winkel zu zerren und im Hinblick auf Männer zu generalisieren.

Männer vergewaltigen Frauen? "Aber nicht alle Männer!" Männer verdienen mehr als Frauen und sind auch in sonstiger Hinsicht oft privilegiert? "Nicht alle Männer!" Männer hacken sich eher ein Ohr ab, als ihre Karriere für Kinder leiden zu lassen? "Aber nicht alle Männer!" Männer belehren Frauen, als hätten diese ihren Uni-Abschluss im Supermarkt erstanden? "Aber nicht alle Männer!", brüllt Not-All-Man. "Ich bin zum Beispiel gar nicht so."

Einen solch Mutigen wie Maskierten kennen fast alle, die sich im Netz oder anderswo bemühen, über Sexismus zu diskutieren. Kommt der Einwand "Aber nicht alle Männer!", hebt dieser die Diskussion mit einem schnellen Hebel und minimalem Kraftaufwand sofort aus dem Gleis und lässt sie in die nächste Böschung krachen. Denn fortan geht es nicht mehr um das besprochene Problem, sondern nur noch um die Frage, ob nun alle Männer dieser Schurkenhaftigkeit beschuldigt werden können oder nicht.

Eine Sache kapiert der Not-All-Man nicht

Analog zum echten Leben taucht der Not-All-Man auch in Matt Lubchanskys Comic immer dort auf, wo "umgekehrter Sexismus" droht, also die Diskriminierung von Männern. Wie sein Vorgänger Batman ist auch Not-All-Man dabei ein Meister der Verkleidung, versiert im Nahkampf und mit feinstem detektivischen Vermögen ausgestattet. Nur was die berüchtigte geniale Intelligenz angeht, steht er seinem Kollegen aus Gotham City etwas nach. Denn, dass es ausnahmsweise Mal nicht um ihn geht, wenn Frauen über Geschlechterungerechtigkeit diskutieren, das hat er noch nicht kapiert.

Lubchanskys Antiheld erreichte schon kurz nach der Veröffentlichung des Comics am 14. April eine gewisse Netzprominenz: Der Comic wurde einige zehntausend Mal weitergetweetet und -gebloggt. Offensichtlich hatte Lubchansky irgendjemandes Nerv getroffen, zum Beispiel den von Feministinnen, die sich seit Jahren mit Alter Egos von Not-All-Man duellieren.

Im Netz fand sich der Not-All-Man übrigens schon vor dem Comic: Zwei Wochen zuvor war ein Tumblr-Blog gleichen Namens aufgetaucht. Darin zu sehen: Der weiße Hai, wie er auf ein Fischerboot springt. Das Alien, wie es durch den Brustkorb seines Wirtes bricht. Beide rufen in Sprechblasen: "Not all Men!" Die erste dokumentierte Nennung geht aber noch viel weiter zurück: auf einen Tweet der Autorin Shafiqah Hudson aus dem Februar 2013.

Eins der erfolgreichsten feministischen Netzphänomene

Falls der Eindruck also nicht täuscht, ist Not-All-Man eins der bislang erfolgreichsten feministischen Netzphänomene. Die feinste Form der Satire, nämlich jene, die sich gegen die Geschonten und Privilegierten richtet und sie zum Nachdenken über ihre Privilegien und Geschontheit zwingt. Denn Männer sind im Vergleich zu Frauen nach wie vor in der besseren Lage, ob sie wollen oder nicht. Sie werden seltener vergewaltigt und angegrabscht. Sie verdienen nach wie vor im Schnitt mehr für die gleiche Arbeit. Sie müssen weniger im Haushalt machen und...

Crash!

"Scheiße, wer ist das?"

"Ich bin es, Not-All-Man! Verteidiger der Verteidigten, Beschützer der Beschützten, Stimme der Stimmgewaltigen. Ich bin aus den Kommentaren unter dem Artikel hierher durchgebrochen, um dir heimzuleuchten. Ich werde es nicht zulassen, dass du auch nur einem einzigen meiner Geschlechtsgenossen ungerechtfertigt beschuldigst. Denn es ist wichtig zu differenzieren: Nicht alle Männer..."

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