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Satire : Bitte weiterhin pubertär sein

Alle fragen, was Satire darf. Dabei lehrt uns "Charlie Hebdo", was
Satire soll.
Von Lars Weisbrod
5. Februar 2015 DIE ZEIT Nr. 4/2015

"Was darf die Satire? Alles." Warum ist Tucholskys alter Spruch
eigentlich das Einzige, was uns zu der Kunstform der Satire einfällt?
Vielleicht weil wir uns nur dann mit Satire beschäftigen, wenn es uns
eigentlich um Meinungsfreiheit geht, also ums Dürfen. Auch nach den
Anschlägen von Paris dauerte es eine Weile, bis man merkte, dass ein
Magazin wie Charlie Hebdo Fragen aufwirft, die mit Tucholskys "Alles"
nicht zu beantworten sind. Denn nicht was Satire darf, ist die
interessanteste Frage. Sondern was sie eigentlich soll.



Beispiel. Der Tagesspiegel trieb diesen Gedanken zuletzt auf die
Spitze, unter der Überschrift Was Charlie Hebdo falsch gemacht haben
könnte empfahl man den Satirikern im Nachhinein, sie hätten sich doch
besser auf "mächtige Schlüsselgestalten der Politik" fokussieren
sollen. "Denn Satire, die sich über Minderheiten, Unterdrückte,
Entrechtete lustig macht, ist kein Spaß, sondern bestenfalls pubertär
und schlimmstenfalls ein Herrschaftsinstrument."

Zwischen diesen beiden Polen verheddern sich regelmäßig alle
Diskussionen über Satire: Sie soll bloß kein Herrschaftsinstrument
sein, aber bitte auch nicht pubertär. Dabei könnte Charlie Hebdo ein
gutes Beispiel dafür sein, dass sich das eine nicht ohne das andere
haben lässt. Was Satire davor schützt, zum Instrument irgendeiner
Herrschaft zu werden, ist ja gerade ihr pubertär-anarchistischer Geist,
der über alles seine Witze reißen will. Moralische Überlegungen sollen
diesen Geist bremsen, wenn er allzu wild um sich tritt. Aber Satire,
die sich rückstandslos auf eine simple Moral reduzieren ließe, wäre
keine.


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* Tagesspiegel



* Jahrgang 2015
* Ausgabe: 04
* Satire: Bitte weiterhin pubertär sein

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