5. November 2014, 10:45 Uhr

Satire im Ersten Weltkrieg Saure-Gurken-Zeit für Spott und Häme

Deutsche Soldaten im Manöver, 1909 simplicissimus Satire Erster
Weltkrieg Bild vergrößern

Satirische Karikatur von marschierenden Soldaten im Manöver aus einer
Simplicissimus-Ausgabe von 1909



Eine aberwitzige Flottenrüstung, ein sinnloses Zeppelinprogramm: Im
ersten Weltkrieg hätte das Militär vor 100 Jahren ein gutes Ziel für
Witz und Ironie sein können. Warum die deutschen Satiriker trotzdem
konsequent schwiegen.
Von Philipp Obergaßner

Satirezeitschriften begleiten das Zeitgeschehen gemeinhin mit ätzender
Kritik und beißendem Spott. Nicht so in Deutschland während des Ersten
Weltkriegs. Da schwenkten die meisten auf einen deutsch-nationalen



SZ.de: Herr Zimmermann, was bedeutete der Ausbruch des Ersten
Weltkriegs für Satirezeitschriften wie den Simplicissimus?

Hans Zimmermann: Das war für alle Satirezeitschriften eine
Saure-Gurken-Zeit. Witz und Ironie, vor allem aber innenpolitische
Kritik waren vier Jahre lang fehl am Platz. Im Grunde sind alle


dafür entschieden, die "Burgfriedenspolitik" mitzumachen, also
innerdeutsche Auseinandersetzungen angesichts der Bedrohung von Außen
ruhen zu lassen. Themen, die sich für Satire einfach anboten - die
aberwitzige Flottenrüstung oder das militärisch sinnlose
Zeppelinprogramm - wurden, wenn überhaupt, nur wirtschaftlich in Frage


Selbstverständnis als ihre Pendants in Demokratien wie England oder
Frankreich. Albert Langen beispielsweise, den Gründer des
Simplicissimus, plagte ein schlechtes Gewissen, weil er Satire für
zersetzend hielt. Er selbst nannte sie "negativ". Als moralische
Wiedergutmachung gründete er dann auch die Kulturzeitschrift März.


überhaupt ist. Außerdem wurde die Heimatfront im Gegensatz zur
Kriegsfront noch halbwegs realistisch dargestellt. Daher galten
Satirezeitschriften wie der Simplicissimus eher als Spiegelbild des
Kriegsalltags als beispielsweise die Frontzeitungen, die ja gelenkte
Propaganda waren.