03.02.2012 17:30 | Meine Presse Merkliste0

Vom arabischen Frühling in den iranischen Herbst

STEPHAN GRIGAT (Die Presse)

Das beste Rezept gegen den Einfluss von Islamisten auf die ägyptische Revolte wäre ein Sturz des iranischen Regimes.

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Wer sich über die tunesische Revolution kein bisschen freuen kann und nicht zumindest jenen Revoltierenden in Ägypten Sympathie entgegenbringt, die Besseres zu tun haben, als kollektiv Allah zu preisen, klammert sich an eine „politische Stabilität“, die dem Staat Israel in der Vergangenheit zwar eine fragile Sicherheitsarchitektur in der Region ermöglicht hat, aber kaum noch Perspektiven für eine langfristige Minimierung der Gewalt bietet.

 

Mubarak als „Judenknecht“

Wer sich jedoch von seiner Begeisterung dazu verleiten lässt, den arabischen Aufbruch blindlings abzufeiern, verschließt die Augen davor, dass Volksaufstände schon viel zu oft das Schlechte durch etwas Schlimmeres ersetzt haben. Die keineswegs dominierenden, aber immer wieder auftauchenden Bilder, auf denen die Demonstranten Mubarak mit aufgemalten Davidsternen als Judenknecht brandmarken, rufen in Erinnerung, worin dieser Aufstand enden könnte.

Es ist kein Zufall, dass iranische Oppositionelle, von den Rätekommunisten bis zu den Liberalen, ihre Grußadressen an die tunesischen und insbesondere die ägyptischen Revolutionäre stets mit eindringlichen Warnungen spicken, nicht die Fehler aus der iranischen Revolution von 1979 zu wiederholen und die Islamisten zu unterschätzen. Ihre Sorgen werden durch die offen zur Schau gestellte Begeisterung des Regimes in Teheran über die Kairoer Demonstrationen gespeist. Die ist nicht verwunderlich, sehen die Ajatollahs die prowestliche ägyptische Diktatur doch seit dem Friedensschluss mit Israel als einen ihrer Erzfeinde an.

Die Ziele der ägyptischen Moslembrüder, deren ideologische Vordenker Schriften mit so eindeutigen Titeln wie „Unser Kampf mit den Juden“ verfasst haben, sind trotz des sunnitisch-schiitischen Gegensatzes jenen des iranischen Regimes durchaus ähnlich. In der wichtigsten Oppositionsgruppe existieren zweifellos unterschiedliche Flügel, von denen sich einer eher an der türkischen AKP orientiert. Schaut man sich deren immer hemmungslosere antiisraelische Politik und die Annäherung an das Regime in Teheran an, ist allerdings fraglich, warum das von zahlreichen Nahostexperten als Anlass zur Entwarnung gesehen wird.

 

80 Prozent für Steinigungen

Israel hat gute Gründe, nicht nur den Machtzuwachs der Islamisten zu fürchten. Der im Westen als moderat gepriesene Mohamed ElBaradei kooperiert offen mit den Moslembrüdern und hat dem iranischen Regime in seiner Zeit als IAEO-Direktor viel Freude bereitet. Das ägyptische Oppositionsbündnis Kifaya, in dem sich Linke, Islamisten und Nationalliberale zusammengeschlossen haben, hat Mubarak in den vergangenen Jahren immer wieder scharf für seine Kooperation mit Israel attackiert und eine Petition zur Aufkündigung des Friedensvertrags von Camp David gestartet.

Leider fällt es den Optimisten unter den Beobachtern schwer, stichhaltige Gründe anzugeben, warum sich ausgerechnet die viel beschworenen „jungen Liberalen aus der Bloggerszene“ oder eine „neue Arbeiterbewegung“ auf Dauer in Ägypten durchsetzen sollten. Immerhin reden wir von einem Land, in dem sich noch 2010 ganz im Gegensatz zu Tunesien über 80 Prozent für die Steinigung von Ehebrecherinnen und die Ermordung von Apostaten ausgesprochen haben.

 

Moslembrüder schöngeredet

Die zentrale Frage lautet, ob jener für den Nahen Osten so typische Mechanismus durchbrochen werden kann, bei dem die innergesellschaftlichen und durch den Weltmarkt evozierten Widersprüche, die allein durch einen Sturz des Regimes nicht verschwinden würden, stets in hemmungslose Aggression gegen den jüdischen Staat transformiert werden. Diese Verschiebungsleistung erfolgt keineswegs automatisch, und es gibt in Tunesien zahlreiche und in Ägypten zumindest einige Anzeichen, dass die Sache ausnahmsweise einmal erfreulich ausgehen könnte.

Aber es wäre fatal, den Kopf in den Sand zu stecken und darauf zu vertrauen, dass schon alles gut gehen wird. Man sollte lieber das Schlimmste annehmen – in der Hoffnung, widerlegt zu werden. Aber nicht durch Nahostexperten, welche die Moslembruderschaft und andere ägyptische Oppositionsgruppen einfach schönreden, sondern durch die hoffentlich ausreichend vorhandene Vernunft und den Freiheitswillen der Demonstrierenden in Ägypten. Nur wenn sie sich gegen die mächtigen Feinde der Freiheit unterschiedlichster Couleur am Nil durchsetzen, würde dem iranischen Regime die Freude über die ägyptische Revolte vergehen. Eine Regierungsbeteiligung der Moslembrüder hingegen, die mittlerweile selbst von den USA erwogen wird, entspricht ganz dem Kalkül der Machthaber in Teheran.

Im besten Fall müssten die Demonstrationen in Nordafrika zur Inspiration für einen erneuten Anlauf zum Sturz der verhassten Diktatur aus Ajatollahs und Pasdaran im Iran werden. Der wäre eine gute, wenn auch sicher keine hinreichende Versicherung dagegen, dass der arabische Frühling in Ägypten und den anderen Staaten, in denen sich der Widerstand gegen die diversen Potentaten formiert, nicht zu einer Intifada gegen Israel verkommt, die den Massen weder Freiheit noch Brot zu bieten hätte – was aber bekanntlich überhaupt kein Grund ist, sie nicht vom Zaun zu brechen.

 

EU fährt weichen Iran-Kurs

Um den Sturz des iranischen Regimes zu befördern, wäre es notwendig, ihm durch konsequente Sanktionen die Fortsetzung seiner Projekte zu verunmöglichen, von denen die Finanzierung des globalen Djihadismus kein unbedeutendes ist. In Österreich und der EU geht es aber in die entgegengesetzte Richtung: Gerade wird eine Aufhebung der Reisebeschränkungen für Außenminister Salehi erwogen, und die Österreichische Wirtschaftskammer hat für den 15.Februar in Wien das nächste Werbeseminar für den Handel mit dem Iran angekündigt. Derweil feiert sich das Regime, das allein im Jänner 65 Menschen hinrichten ließ, am heutigen Jahrestag der „Islamischen Revolution“ selbst. Nicht nur in Teheran, sondern auch in Wien. Es wäre interessant zu wissen, welche Politiker, Diplomaten und Wirtschaftsvertreter sich am heutigen Abend für die Propagandainszenierung des Regimes beim Empfang in der Residenz des iranischen Botschafters hergeben.

Österreichische Unternehmen wie die VADO-Group oder die Leobersdorfer Maschinenfabrik sind weiterhin gut im Iran-Geschäft. Immer mehr Firmen wickeln ihren mittlerweile deutlich erschwerten Zahlungsverkehr mit dem Iran über die im Besitz des Regimes befindliche Europäisch-Iranische Handelsbank (EIH) in Hamburg ab, wofür auch auf Seminaren der Wirtschaftskammer in Wien Werbung gemacht wird.

Mittlerweile hat die EIH internationale Bedeutung erlangt. Deutschland, das sich bisher beharrlich weigert, gegen die Bank vorzugehen, wird dadurch zur globalen Drehscheibe für die Finanzierung eben jenes Handels, mit dem das iranische Regime nicht nur sein Nuklearwaffenprogramm, sondern auch die Unterstützung der islamistischen Organisationen finanziert, die jede Hoffnung auf Emanzipation in den arabischen Ländern zunichtemachen könnten.


E-Mails an: debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.02.2011)

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13 Kommentare
Gast: alatheus
20.02.2011 01:48
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Stephan Grigat, Mahmoud Ahmadinejad und Avigdor Lieberman

wären, würden sie sich kennen, sicher die besten Freunde. In ihren radikalen Positionen würden sie sich perfekt ergänzen.

Ich warte nur noch darauf, dass in einem Gastkommentar Österreich dazu aufgerufen wird, einen Angriff gegen den Iran mit politischen, wirtschaftlichen und militärischen Mitteln zu unterstützen.

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ein typischer Grigat-Artikel

Grigat wäre wohl besser zum Politiker als zum Politikwissenschaftler geeignet. Es gibt ja keine Zweifel, dass das iranische Regime mörderisch und und menschenverachtend ist. Sich aber von seinem Fall allein zu erwarten, dass dadurch Radikalismus in Äypten unterbunden wird, ohne auch nur ansatzweise eine substantielle Verbesserung der Lage der okkupierten palästinensischen Gebiete anzudenken (z.B. durch Rückgabe der geraubten Gebiete), das ist fast schon Chuzpe, auf jeden Fall aber unwissenschaftlich. Es unterstellt, dass das Problem der Palästinenser in Ägypten niemanden tangiert und die Leute nach Belieben und ohne eigenes Denken fremdgesteuert werden können. Ein fast schon rassistischer Ansatz: hier die guten Denkenden, da die dumpfen Massen, die ohne Anlass (Ist Israels Raubpolitik keiner) gewalttätig werden...

Gast: Faryar
11.02.2011 15:59
1 0

Fazit

Demokratie ist nur dann gut, wenn wir sprich Israel fär richtig hält, nämlich im Iran. Ansonsten, liebe Ägypter, Seid doch nett zu unserem Freund und lasst diesen Quatsch mit Demokratie!

RundS
11.02.2011 12:38
1 1

Iran

ausgezeichnete Analyse!

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Kundgebung gegen iranisches Regime heute in Wien

Zu dem im Text erwähnten Empfang in der Residenz des iranischen Botschafters gibt es heute um 18:00 Uhr eine Kundgebung:

Nieder mit der islamischen Republik!

Lainzer Straße/Ecke Gloriettegasse
Veranstaltet von STOP THE BOMB
unterstützt von Aktion gegen den Antisemitismus in Österreich, Autonome Antifa Wien, Bund sozialdemokratischer Juden/Avoda, Café Critique, Demokratische Partei Kurdistan-Iran, Grüne Andersrum Wien, Liberales Forum u.a.
http://at.stopthebomb.net

Gast: schlÄchter
11.02.2011 08:25
0 0

sg herr grigath!

bezüglich ihrer kritischen einschätzung der weiterentwicklungsmöglichkeiten der "ägyptischen revolution" stimme ich zu.

ihre - mittlerweilen wohlbekannte und gebetsmühlenartig immer wieder vorgebrachte "iran. mullakrathie=empire of evil" - teile ich nicht.

wir im westen und auch israel werden uns damit abfinden müssen, dass islamsiche mehrheitsgesellschaften sich staatsformen oder demokratien sui generis selbst schaffen-die ihren kulturellen und polituischen vorstellungen eher entsprechen als zb säkulare westl. demokratieformen.
die "mullahkartei" in theeran ist so ein fall - natürlich nicht perfekt - auch mit einem riskopotential für die nachbarn (und insb, israel) aber eben ein ausfluss des immer noch merhheitlichen iranischen volkswillens - "verhasste" system -ja in bestimmten kreisen, aber die merhheit der bev. stellte sich bei den letzten unruchen eben nicht hinter die regimegegner. der iran ist aufgrund seiner jahrtausendalten tradition jüngeren geschichte (imperialismus) sehr selbstbewußt und es gibt nichts schlimmeres als ausländische bevormundung. sie würden staunen, wie schnell praktisch der gesamtiran hinter dem mullahregime stehen würde, wenn es zu ausländischen interventionen kommt - selbst im iran-irak-krieg meldenten sich inhaftlierte schahoffiziere sofort freiwillig für den fronteinsatz!
ihre versteckte forderung nach militär. intervention ist mmn deshalb völlig kontraproduktiv. strategisch wäre der iran auch nicht besetz- oder haltbar.

mfg
s.

Antworten Gast: Vogel Strauss
11.02.2011 09:45
0 0

Re: sg herr grigath!

Wahre Worte! So mancher im Westen hat den Kolonialismus und die damit verbundene christliche Missionierung noch nicht abgelegt.

Gast: Österreicher
11.02.2011 01:37
1 1

Hat Herr Grigat seine Lehrbefugnis aus rassischen Gründen

bekommen? Der würde ohne zu zögern europäische Soldaten in einen Atomkrieg gegen den IRAN hetzen!

1 0

Re: Hat Herr Grigat seine Lehrbefugnis aus rassischen Gründen

Ganz offenbar sind Sie schon ziemlich paranoid: Mit keinem einzigen Wort hat der Autor einen "Atomkrieg gegen den Iran" gefordert! Worum es ihm ging war der Hinweis darauf, wie diverse Geschäftsverbindungen zwischen dem Mullah-Regime und Europa eine "Normalität" im Iran vorgaukeln, die es in Wirklichkeit nicht gibt! Allein schon, aus welchen hirnrissigen Gründen dort Todesurteile verkündet werden, klingt alarmierend. Aber die Formel, wonach Wirtschaft NICHTS mit Politik zu tun hat, hat in der Vergangenheit millionenhaft Menschenleben gekostet. Und aus der Geschichte sollte man eben IMMER lernen...

Antworten Antworten Gast: Österreicher
12.02.2011 14:21
0 0

Re: Re: Hat Herr Grigat seine Lehrbefugnis aus rassischen Gründen

Obwohl es um die Demokratie in Ägypten geht, hetzt Grigat gegen den Iran. Was er unter einer weniger weichen Politik gegen den Iran meint, kann er nach den vielen "Vorschlägen" zur Lösung des Problems "Iran" und nach dem US-Krieg gegen den Irak wohl nur die Vernichtung der Atomanlagen durch Luftschläge israelischer Bomber gemeint haben. Eine friedliche Lösung durch einen gerechten Frieden zwischen Israel und einem künftigen Palästinenserstaat, der auch vielen arabischen Staaten eine demokratische od. zumindestens friedliche Entwicklung ermöglichen würde, kommt im (wies es auch andere Forumsteilnehmer schreiben) offensichtlich nicht in den Sinn!

Antworten Antworten Antworten Gast: alatheus
20.02.2011 01:32
0 0

Re: Re: Re: Hat Herr Grigat seine Lehrbefugnis aus rassischen Gründen

Die iranischen Gegenstücke stammen, gemäß Analysen von deutschen Rüstungsfachleuten, aus sowjetischer Produktion. Der Iran hat außerdem bis dato viel zu wenige Testflüge seiner ballistischen Raketen durchgeführt, dass man von einem "Entwicklungsprogramm" sprechen könnte. Die Shahab-3 ist ein sowjetischer Flugkörper aus den frühen 60er-Jahren, der vor kurzem zur Ghadr-1 modifiziert wurde.).
Und selbst wenn der Iran an der Entwicklung von Atomwaffen arbeiten würde: Der Bau von kompakten MIRVs ist mit erheblichem finanziellem und vor allem technologischem Aufwand verbunden.
Summa summarum: Die Bedrohung durch den Iran wird von den Medien und der Politik maßlos übertrieben.

Quelle: Schriftenreihe des Amtes für Rüstung und Wehrtechnik. Workshop zur Raketenabwehr, Wien 2010

http://www.bundesheer.gv.at/wissen-forschung/publikationen/publikation.php?id=546

Gast: Luzifer
11.02.2011 01:33
2 0

Der "unparteiische Wissenschaftler" Grigat

als würdiger Gehilfe von Bush jun.?

Als los: die Israelis sollen endlich ihre Atombomben bestückten Jagdbomber zur Vernichtung der Atomanlagen in den Iran schicken, die USA sollen den nächsten Aggressionskrieg gegen den Iran entfachen und dann wird das arabische N-Afrika endlich in der gewünschten Friedhofsstille verweilen!
Auf daß Israel endlich wie gewünscht "Großisrael" annektieren kann!
Das ist die "schöne neue Welt" des Herrn Grigat!

Gast: ralph giordano bruno
10.02.2011 19:28
0 0

als ablenkungs- & entrüstungsthema

haben unsere gutmenschen dafür:

dass eine pharmafirma - huch! - in tirol - doppelhuch!! - chemische mittel für die umsetzung der todesurteile in den usa produziert.

da lässt es sich viel besser kollektiv empören!

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