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Razzia im Skiurlaub Steuerfahnder mischen Cortina d’Ampezzo auf

09.01.2012 ·  Italienische Beamte werden gegen Steuersünder aktiv. Kurz vor Silvester filzten sie die Halter von Luxusautos am noblen Skiort in den Dolomiten. Deren Lebensstil passt kaum zur Steuererklärung.

Von Tobias Piller, Rom
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© dpa Ein Städtchen im Zwielicht: Der Umsatz von Restaurants stieg gegenüber dem Vorjahr plötzlich um 300 Prozent, der von Juwelierläden um 400 Prozent

Die Weihnachtsferien haben im italienischen Dolomitenstädtchen Cortina d’Ampezzo, bei einigen wohlhabenden Italienern und in der politischen Tagesdiskussion einen bitteren Nachgeschmack hinterlassen. Alles begann am 30. Dezember, als unerwartet 80 Steuerfahnder in Cortina ausschwärmten, dem exklusivsten Wintersportort Italiens. Dort geben sich für gewöhnlich so viele Prominente ein Stelldichein, dass wiederum die Klatschreporter und Fotografen der bunten Blätter den Ort belagern und damit den Eindruck erwecken, die oberen Zehntausend Italiens seien nur dort versammelt.

Natürlich gibt es regelmäßig Fotos des Ferrari-Präsidenten Luca di Montezemolo beim Einkauf, von Barilla-Präsident Guido Barilla mit Hund, einer Reihe von jungen aktuellen Sternchen und den ehemaligen im besonders dicken und teuren Pelz. Wer Cortina nicht mag, spricht von den Neureichen und den „wohlhabenden Metzgern aus den römischen Vorstädten“, die in den Ferien auch dort prunken wollen.

Böse Überraschung im Weihnachtsurlaub

Doch gerade für einige nicht so Prominente in glänzender Ausstattung brachte der Weihnachtsurlaub nun eine böse Überraschung: Die Steuerfahnder stoppten konsequent Luxusautos, teure Sportwagen und große Geländefahrzeuge, um Fahrer und Nutzer der Autos festzuhalten. Auch einige Geschäftsbesitzer sahen sich eingehenden Kontrollen ausgesetzt. Es folgte ein Aufschrei der Entrüstung. Der Bürgermeister von Cortina versuchte, seine Stadt gegen die angebliche Verfolgungstaktik der Steuerbehörden gegenüber den Wohlhabenden und Reichen zu verteidigen. Es sei außerdem nicht angebracht, wenn an einem besonders umsatzstarken Tag wie dem 30. Dezember die Geschäftsbesitzer statt bei ihren Kunden in ihrem Büro seien, um dort Akten zusammenzustellen.

„Es kann nicht akzeptiert werden, dass die Gäste und die Unternehmer von Cortina als Steuerhinterzieher dargestellt werden“, empört sich etwa Bürgermeister Andrea Franceschi. Die italienischen Medien stellen die Reaktionen und die Folgen der Fahndungsaktion noch drastischer dar: Cortina sei am Boden zerstört. „Eine demagogisch-spektakuläre Aktion“, tönt Silvio Berlusconis frühere Staatssekretärin Daniela Santanchè. Nun würden viele Italiener künftig lieber ungestört im schweizerischen Sankt Moritz ihren Urlaub machen. Und viele Politiker seien in diesen Ferien ohnehin nicht als gute Vorbilder im Land geblieben, sondern ins Ausland, vor allem auf die Malediven geflogen.

Einschüchterungsversuch der politischen Gegner

Die frühere Oppositionspartei der Demokraten ist wiederum den Steuerfahndern beigesprungen und hält die Kritik an der Fahndungsaktion für einen gravierenden Einschüchterungsversuch der politischen Gegner. Die Steuerfahnder selbst setzten sich nun zur Wehr, indem sie einige Ergebnisse ihrer Aktion in Cortina präsentierten: So seien etwa 251 große Luxusautos gestoppt worden, von denen 133 auf Privatpersonen zugelassen gewesen seien. Von denen wiederum hätten 42 sowohl für 2009 als auch für 2010 ein Jahreseinkommen von weniger als 30 000 Euro angegeben, 16 weitere ein Einkommen von weniger als 50 000 Euro.

Die übrigen 118 teuren Autos seien auf eine Firma zugelassen gewesen, von denen 19 Verluste deklarierten und 37 einen Jahresgewinn von weniger als 50 000 Euro. Offenbar sind die Steuerfahnder in diesen Fällen auf Gesellschaften gestoßen, die wie so oft in Italien nur die tatsächliche Eigentümerstruktur verschleiern sollen. Dazu wird etwa eine italienische Leasing- oder Vermietungsgesellschaft gegründet, als deren Besitzer wiederum eine Gesellschaft in einem Steuerparadies fungiert, ohne dass die Hintermänner festgestellt werden können.

Überraschende Verhaltensänderungen

Dagegen suchen nun die Steuerfahnder vorzugehen, wenn sie schnelle Sportwagen oder teure Geländewagen anhalten, um zu sehen, wer denn tatsächlich damit unterwegs ist. Die tatsächlichen Eigner müssen dann gewärtigen, dass ihnen die Finanzbehörden vorrechnen, wie viel Geld tatsächlich zum Erwerb und Unterhalt eines Ferraris oder Porsches notwendig ist. Das „Redditometro“, ein Maßstab zur Umrechnung von Lebensstil, Ferienwohnungen und Luxusautos in minimal zu deklarierende Einkommenswerte, beschert dann teure Steuernachzahlungen und höhere Einkommensangaben für die folgenden Jahre.

In Cortina sind aber nicht nur die Gäste, sondern auch Besitzer von Restaurants, Bars und Geschäften ins Zwielicht gebracht worden. Zwar wurden nur 35 der 1000 Betriebe in Cortina gefilzt. Doch die Fahndungsaktion, die sich sofort herumgesprochen hat, brachte überraschende Verhaltensänderungen hervor: Niemand hat sich offenbar am 30. Dezember getraut, die Kunden ohne offizielle Rechnung oder Kassenzettel ziehen zu lassen. Doch damit wurde den Steuerfahndern wiederum ein neuer Ansatzpunkt für Ermittlungen geliefert.

Denn sie fragen sich, warum der Umsatz von Restaurants gegenüber dem Vorjahr plötzlich um 300 Prozent gestiegen ist, der von Juwelierläden um 400 Prozent. Der 30. Dezember wird daher in Cortina in Erinnerung bleiben, und die Steuerfahnder haben zur Besänftigung der Dolomitenstadt angekündigt, sie wollten künftig auch in anderen Ferienorten ähnliche Fangzüge veranstalten. Ministerpräsident Mario Monti kommentiert, alle müssten Steuern zahlen, aber die Reichen dürften nicht kriminalisiert werden.

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