EurActiv.de

Anzeige

Sektionen

Services

Über uns

Medien-Partner

Anzeige

Erweiterung & Nachbarschaft


Die EU hält die Flüchtlingsdramen vor den Toren des Schengenraums (Foto: dpa)

Die EU hält die Flüchtlingsdramen vor den Toren des Schengenraums (Foto: dpa)

Aktuell - Mittwoch 18 November 2009 - Erweiterung & Nachbarschaft

Preis für Reportage über Flüchtlingscamp

Zustände an EU-Grenze zur Ukraine

"Writing for CEE 2009": Der österreichische Journalist Florian Klenk erhielt für eine Reportage in der „Berliner Zeitung“ eine hohe Auszeichnung, die von der Austria Presse Agentur (APA) und der Bank Austria – UniCredit zum sechsten Mal vergeben wurde. "Hinter dem Zaun" behandelt die unmenschlichen Zustände eines Flüchtlingslagers im slowakisch-ungarisch-ukrainischen Ländereck, wo sich die EU der Flüchtlingsprobleme an der Schengengrenze entledigt. Die deutsche Bürgerrechtlicherin Bärbel Bohley war die Gastrednerin.

Anzeige

Der Vize-Chefredakteur der Wiener Stadtzeitung "Falter", Florian Klenk, ist am Dienstagabend in Wien mit dem Journalistenpreis "Writing for CEE" 2009 ausgezeichnet worden. Der 36-jährige "Enthüllungsjournalist" erhielt den mit 5.000 Euro dotierten und bereits zum sechsten Mal von der Austria Presse Agentur (APA) und der Bank Austria - UniCredit Group vergebenen Award für eine Reportage, die im August 2008 in der "Berliner Zeitung" erschienen ist.

Sie trägt den Titel "Hinter dem Zaun" und behandelt die unmenschlichen Zustände in einem in der Ukraine gelegenen Flüchtlingslager im slowakisch-ungarisch-ukrainischen Ländereck und die generelle Situation an der Schengengrenze.

Vor den Toren der "Union des Rechts"

Mit der Schengenerweiterung im Dezember 2007 sei das Problem von Österreich weggerückt, schreibt Klenk, "hinaus aus der 'Union des Rechts', wie sich die EU gerne nennt. Hier fühlt sich keiner mehr verantwortlich, die kritische europäische Öffentlichkeit blickt nur selten her." Klenk schaute dafür umso genauer hin.

Immerhin befindet sich das mittlerweile geschlossene Flüchtlingscamp von Pavshino in Transkarpatien nur fünf Stunden von Wien entfernt. Aber auch die örtliche Bevölkerung hat unter jener Schengengrenze zu leiden, auf deren guten Schutz die EU so stolz ist. So seien für viele Bürger selbst Reisen zu Begräbnissen engster Verwandter auf der anderen Seite der Grenze nicht möglich. Klenk kritisierte dabei am Dienstagabend insbesondere "das Vergessen" der "Verhältnismäßigkeit".

Neben dem Thema Migration mit all seinen Folgewirkungen, Nebenerscheinungen und Verantwortlichkeiten stand der Fall der Berliner Mauer vor 20 Jahren im Mittelpunkt der diesjährigen Preisverleihung. Die ehemalige DDR Bürgerechtsaktivistin Bärbel Bohley erklärte als Gastrednerin, dass die Zeit vor dem "Mauerfall" für die Bürger Osteuropas eine "Zeit der Hoffnung" gewesen sei.

Kritische Blicke zum Mauerfall-Jubiläum

Danach sei dann die "Zeit der bitteren Realität" gekommen. Daher müssten trotz oder gerade angesichts der "Posaunenklänge" der Feiern zum 20. Jahrestag auch kritische Blicke unter die Oberfläche erlaubt sein. Schließlich habe sie ein Gedanke ihr Leben lang begleitet: "Aufstehen und Nein sagen."

"Writing for CEE" setzt sich das Ziel, die journalistische Auseinandersetzung mit Fragen der europäischen Integration zu fördern. Mitglieder der international besetzten Jury sind der Ex-Berater des ehemaligen tschechischen Präsidenten Vaclav Havel, Jiri Pehe, der slowakische Publizist Michael Berko, die Kommunikationsberaterin Ildiko Füredi-Kolarik, der slowenische Schriftsteller Joze Hudecek, der polnische Journalist Igor Janke, die ungarische Radio-Journalistin Julia Varadi, die bulgarische Schriftstellerin Janina Dragostinova, die CEE-Pressesprecherin der Bank Austria - UniCredit Group, Silvana Lins, sowie APA-Außenpolitik-Chef Ambros Kindel.

In die Liste der Preisträger haben sich bisher der tschechische Journalist Lubos Palata (2004), die bulgarische Schriftstellerin Diana Ivanova (2005), der bosnische Journalist Sefik Dautbegovic (2006), der österreichische Schriftsteller Martin Leidenfrost (2007) sowie die in Griechenland geborene und in Deutschland aufgewachsene Radiojournalistin Anna Koktsidou (2008) eingetragen.

Die besten Arbeiten aus den ersten fünf Jahren "Writing for CEE" sind in dem Sammelband "Which Road to Europe", Ambros Kindel (Hg.), Wieser-Verlag, Klagenfurt, 2008 erschienen. Informationen sind im Internet unter http://www.apa.at/cee-award/ <http://www.apa.at/cee-award/> abrufbar.

Früher Europa, heute Außenseiterrolle

Die Zustände im Flüchtlingscamp hätten seine schlimmsten Erwartungen übertroffen, erzählte Klenk, obwohl er die Fahrt in das rund vier bis fünf Autostunden von Wien entfernte Lager Pavshino ohnehin mit großer Skepsis angetreten hatte. Pavshino liegt in der Ukraine, genauer gesagt in Transkarpatien im slowakisch-ungarisch-ukrainischen Ländereck. Einst gehörte die Region als Teil der Monarchie Österreich-Ungarn zweifellos zu Europa, heute spiele sie die Rolle des Außenseiters, dem die EU ihre Migrations- und Flüchtlingsprobleme aufhalse.

Unangenehme Themen verschoben

Mit der Schengen-Erweiterung seien diese unangenehmen Themen ein paar Autostunden verschoben worden, meint Klenk, hinaus aus der "Union des Rechts", wie sich die EU gerne nenne. "Hier fühlt sich keiner mehr verantwortlich, die kritische europäische Öffentlichkeit blickt nur selten her."

Die EU-Innenminister seien stolz darauf, wie gut die Grenze geschützt werde, stellte Klenk sarkastisch fest. Dabei werde übersehen, welche unmenschlichen Schicksale sich dort am Rande und doch inmitten Europas abspielten.

Es seien gerade Geschichten über einzelne Schicksale, die Europa oft einen größeren Dienst als die große Politik erwiesen, hob APA-Chefredakteur Michael Lang die Bedeutung solcher Reportagen hervor. Sie trügen dazu bei, dem von der Bank Austria und der APA mit dem CEE-Journalistenpreis verfolgten Ziel näher zu kommen: "Grenzen und Vorurteile zu überwinden." Schließlich zeige Europa seine Stärke dann, "wenn Rivalen gute Nachbarn und Nachbarn gute Freunde werden".

Bärbel Bohley vermisst "Tage der Besinnung"

Auch Gastrednerin Bärbel Bohley ist bekannt dafür, dass sie über Oberflächlichkeiten hinweg "in die Tiefe" geht – auch heute kein leichtes Unterfangen. Sie stehe schnell als "Miesmacherin" da, stellte Bohley lakonisch fest. Die 1945 geborene und "in der DDR sozialisierte" Künstlerin und Aktivistin war vor dem Umbruch in der DDR Mitbegründerin des "Neuen Forums", das ähnlich wie die Charta 77 in der Tschechoslowakei ein Katalysator der Proteste gegen das Regime war.

20 Jahre danach blickt sie kritisch auf die "Posaunenklänge", mit denen in Deutschland heuer der "Mauerfall" und 2010 wohl die "Wiedervereinigung" gefeiert werden. "Es hätten auch Tage der Besinnung werden können", sagte Bohley.

So aber werde verdeckt, dass mit der politischen und bürokratischen Wiedervereinigung des vier Jahrzehnte lang geteilten Deutschlands beileibe nicht alle sozialen oder mentalen Probleme und Unterschiede verschwunden seien. Die Zeit vor dem "Mauerfall" war für die Bürger Osteuropas eine "Zeit der Hoffnung", erinnerte sich Bohley. Danach sei die "Zeit der bitteren Realität" gekommen. Auch weil der Westen nie gelernt habe, den Osten betreffend "genau hinzuschauen".

Szenario vom Mauerfall in Frankreich

Auch Jurysprecher und APA-Außenpolitikchef Ambros Kindel nahm auf die Ereignisse des Jahres 1989 Bezug. Er bedauerte, dass sich in Deutschland diesbezüglich nie der Begriff "Revolution" in der gängigen Geschichtsbetrachtung niedergeschlagen habe. Vielmehr sei der Begriff "Wende" haften geblieben. Der stamme an sich vom letzten SED Generalsekretär Egon Krenz.

Kindel malte ein Szenario, wie beispielsweise Frankreich Ereignisse wie im deutschen November 1989 verarbeitet hätte: Dort wären Frauen wie Bärbel Bohley heute Nationalhelden, der Ruf "Wir sind das Volk" hätte identitätsstiftenden Charakter gehabt. Kindel: "Der Satz 'Nous sommes le peuple' wäre Teil der Nationalhymne geworden und würde auf dem Staatswappen prangen.“
 
ekö

Links:

 Öffnet externen Link in neuem FensterReportage "Hinter dem Zaun"

"Writing for CEE" im Internet: http://www.apa.at/cee-award/

RSS

Sponzoren

Logo der Europäischen union Website of the Türkish Association of Industrialists and Busisnessmen

Partner

EBD Deutsche Seite der Blogger-Platform Blogactiv

Agenda

Anzeige
Anzeige