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RISU / Deutsch / Spiritualität und Kunst / Ikonographie und Ikonologie / Geschichte der Ikone in der Ukraine:

Geschichte der Ikone in der Ukraine

Âîëîäèìèðñüêà Áîãîðîäèöÿ
Vyshhorod (in Russian "Vladimir") Mother of God
Wood, tempera.

Die Kiever Rus’ und die Ukraine uebernahmen die Technik und den Stil, wohl auch die Ikonographen und die Mosaikhersteller von Konstantinopel her, oder von den aus dieser Tradition hervorgegangenen ikonographischen Schulen. So konnnten sie die Tradition der byzantinischen Ikonographie beibehalten, lange bevor sich die Kiever Rus’ verselbstaendigte, indem sie ihre eigene Art des vornehmlich byzantinischen Einflusses weiterentwickelte. In der Kiever Rus’ ueberwiegt eine sanftere Darstellung der Gesichter und Antlitze, mit leichteren und klareren Farbtoenen, auch eine aeusserst anspruchsvolle Auftragung von Blattgold fuer den Hintergrund der Ikonen, sowie fuer den Heiligenschein und den Dekor der Roben, insbes. derjenigen von Jesus und der Mutter Gottes. Diese sog. Assist-Technik besteht in der Auftragung von Goldstreifen auf der Ikone selbst.

Bei der progressiven Auftragung von durchsichtigen Farbschichten und bei deren aeusserts anspruchsvoll zu realisierender Verschmelzung musste die groesste Aufmerksamkeit verwendet werden; die Hauptlinien der herkoemmlichen Kompositionen werden so nicht weggewischt. Nestor (der Chronik-Schreiber) berichtet, dass der beruehmteste Ikonograph der Ukraine in der Zeit der Kiever Rus’ Alimpii gewesen sei, ein Moenchsvater des Kiever Hoehlenklosters. Alimpii (Ende 11. Jh. bis Anfang 12. Jh.) war von den Griechen beeinflusst worden, bevor er schliesslich zu einem unabhaengigen und originellen Stil fand.

Er wird als der Autor der meisten Ikonen in der Kathedrale Maria in caelum Asssumpta im Hoehlenkloster zu Kiev betrachtet. Die Kiever Schule brachte viele andere, auch anonyme Ikonographen hervor, die die Autoren so manchen Meisterwerks der Kiever Rus’ sind. Ikonographen aus em ganzen Kiever Staat fanden sich in der Hauptstadt wieder, um einen regen Austausch mit eingeladenen und anerkannten Ikonographen zu pflegen.

Theophan der Grieche und der russische Ikonograph Andrei Rublev fuehrten einige der der Kiever Schule eigenen ikonographischen Techniken zu ihrer hoechsten Entfaltung und Vollendung. Es gelang ihnen, eine neue Farbharmonie zu schaffen und so eine Atmosphaere zu vermitteln, die Friede und Freude verstroemt. Andere beruehmte Schulen (wie etwa Moskau, Jaroslav, Pskov, Tver) kamen spaeter hinzu und brachten neue Elemente zur traditionellen Ikonographie ein.

Ñâÿòèé Þð³é
"Saint George"
Wood, tempera.
Circa 11th century.

Betreffend die Ikonographie der Kiever Rus’ muss hinzugefuegt werden, dass vom 13. Jh. bis Mitte des 17. Jh. Die Schulen von Halychyna und Volyn (westliche Ukraine) fuehrend waren, was wiederum den dunklen Seiten der Geschichte zu verdanken war: In der Tat waren die Mongol-Tataren in der Ost- und Zentral-Ukraine auf dem Vormarsch, worunter insbes. die Kirche zu leiden hatte, so dass der groesste Teil der Ukrainer Ikonographie in ihrem Aktionsradius aeusserst eingeschraenkt war oder gar gaenzlich zu existieren aufhoerte.

Die westliche Ukraine uebernahm die Traditionen aus der Kiever Schule und entwickelte sie weiter. Spaeter entwickelte sich daraus eine eigene Richtung in den Halychyna-Ikonen. Da viele Ikonen aus Halychyna bis heute aufbewahrt werden konnnten, was auch fuer ihre hohen Qualitaetsansprueche spricht, nehmen sie eine hervorragende Sellung in der Ikonographie der Ukraine insgesamt ein.

Die Ikonograpie der ukrainischen Transkarpaten, der Slowakei und dem Gebiet von Lemko (heute in Polen) ist vom kirchengeschichtlichen Standpunkt (15.-17. Jh.) aus sehr wichtig. Dem Renaissance-Trend der damaligen Zeit folgend wurde in dieser Zeit viel Geld gestiftet fuer die Ausstattung von grossen Kirchengebaeuden. Kleinere Kirchen jedoch, die sich keine grossen Goenner und Meister leisten konnten, luden reisende Ikonographen von Jalychyna ein. Das wichtigste Zentrum damals lag in Przemysl, im heutigen Polen.

Ñâÿò³ Þð³é ³ Ïàðàñêåâà
"Saints George and Paraskeva"
Wood, tempera.
Late 15th or early 16th century.

Diese Bewegung rang sich zu einem eigenen, naiven Stil durch: schnoerkellos, direkt und frisch. Diese Ikonographie war weit verbreitet und wird heutzutage als hervorragende Veranschaulichung einer originalen Auslegung der ost-byzantinischen Tradition angesehen. Ueber die Zentral-Ukraine des 17. und 18. Jh. fanden sich Elemente aus dem Barok-Stil, der in jener Zeit ueberall in Europa vorherrschte, in der ganzen ukrainischen Ikonopgraphie wieder.

Der groesste Enfluss fuer die Entwicklung des sog. „Kosaken-Baroks“ fand in der Zeit von Ivan Mazepa statt. Der diese Bewegung kennzeichnende realistische Stil war so stark, dass die byzantinische Ikonographie durch den vom Westen gepraegten naturalistischen Stil abgeloest wurde. Aehnliche Tendenzen fanden sich schliesslich in ganz Ost-Europa wieder.

Der vom Westen beeinflusste religioese Naturalismus war nicht nur den Laendern mit dem oestlichen Ritus vorbehalten, denn der Naturalismus generell hatte sich inzwischen ueberall durchgesetzt, so dass auch Griechenland, die Ukraine, Rumaenien, Bulgarien und Russland u.a.m. sich diesem kulturellen Einfluss nicht weiter zu vermochten und ihn so mituebernahmen.

Ñâÿòèé ²âàí Õðåñòèòåëü ³ Àðõàíãåë Ìèõà¿ë
"St. John the Baptist and the Archangel Michael"
Fragment of the Skvariav iconostas.
Wood, tempera.

Nach dieser Periode folgten weitere verschiedene kuenstlerische Stroemungen, die die Ikonographie beeinflussten. Einige von ihnen moegen uns heute ueberholt erscheinen, es ist jedoch notwendig zu unterstreichen, dass die spirituellen und kulturellen Einfluesse das Leben jener Zeit praegten und veraenderten. Was im uebrigen der Geschichte im allgemeinen eigen ist: Tatsachen feststellen, so wie sie waren, ob wir sie nun moegen oder nicht.

Die Ikonographie der Ukraine, wie auch anderer osteuropaeischer Laender, lebt heute wieder auf. Das wird durch aktuelle historische Studien belegt. Man ist bestrebt, die urspruenglichen Traditionen der Kiever Rus’ zu erneuern, was nicht nur der Ikonographie, sondern auch einem Wiedererwachen der christlichen Spiritualitaet im allgemeinen zuzuschreiben zu sein scheint.

Es ist unausweichlich, die Unterschiede zwischen der christlichen Kunst im Osten resp. im Westen kurz darzustellen. Im 11. und 12. Jh. hatten Ost und West vieles gemeinsam. Der Westen machte hingegen spaeter eine Entwicklung durch, die den Zweck der religioesen Kunst von Grund auf veraenderte. Dieser Prozess nahm seinen Anfang zur Zeit Karls des Grossen (9. Jh.). Die westliche Welt konzentrierte sich auf zwei Aspekte kirchlicher Kunst. Gemaess westlicher Theologie ist das allererste Ziel religioeser Kunst, die Glaeubigen, insbes. die des Lesens und Schreibens Unkundigen, zu unterweisen, und, anderseits, das menschliche, sich nach Gott sehnende Wesen darzustellen.

Die oestliche Tradition stimmt vollends mit dem ersten Ziel ueberein, wenn sie es auch nicht so stark unterstreicht wie im Westen. Was hingegen das zweite Prinzip angeht, ist der Standpunkt in der oestlichen Tradition ein voellig anderer, denn hier werden die Heiligen nicht wie gewoenliche Menschen dargestellt, sondern vielmehr, so weit und so gut es mit irdischen Mitteln eben moeglich ist, als verklaerte, wie in der goettlichen Anwesenheit stehende Menschen.

Fuer einen Vergleich moechten wir Egon Sendler zitieren, einen renommierten westlichen Kenner der Ikonographie und Kirchenkunst:"Die westliche religioese Kunst hat unbestritten einen dogmatischen Inhalt und wurzelt in der Heiligen Schrift und der Tradition. In ihrer Form und Technik hingegen ist sie mehreren Stroemungen aus verschiedenen Kunst-Perioden verpflichtet. Demgegenueber erheischt die oestliche Kunst vom Kuenstler, dass er in seiner Interpretation eines bestimmten Themenbereichs sich eng an den theologischen Inhalt der Tradition haelt. Diese Tradition ist reich, aber nicht beliebig. Das ist auch der Grund warum in der byzantinischen Kust jede Form sich immer mit den Augen des Glaubens erweist, und zwar in groesserem Masse als dies in der westlichen Tradition der Fall ist."

Daraus folgt, dass die religioese Kunst im Westen oefters mit dem gerade aktuellen Kunst-Trend auf einem gegebenen Territorium einher geht. Das mag diese Kunst bis zu einem bestimmten Grad als interessant und modern ausweisen. Wenn die Zeiten sich jedoch aendern, faellt auch das Moderne wieder aus dem Rahmen, und es muss wieder neu geschaffen werden.

Im Gegensatz dazu macht sich die oestliche Ikonographie zur Aufgabe, die unwandelbaren Wahrheiten von Christus zu bezeugen. Die Heilige Schrift aendert sich nicht, ist immer frisch und neu zu aktualisieren, wie die Ikonographie. Auch wenn es verschiedene Uebersetzungen der Heiligen Schrift geben mag, so bleibt ihr Wesen gleich. Gleich wie in der Ikonographie gibt es mehrere Versionen und Stile, das Wesen jedoch bleibt immer dasselbe. Ikonographie ist Glaube in Farben - gemalter Glaube. Ein westlicher Kuenstler hat den Zeichnenden gefragt: "Warum gleichen sich alle eure oestlichen Ikonen? Warum werden die gleichen Ausfuehrungen immer wiederholt?" Ich erwiderte ihm: "Wechseln Sie im Westen alljaehrlich das Glaubensbekenntnis (credo), oder bekennt ihr immer das gleiche? - "Wer ueberhaupt will denn das Glaubensbekenntnis abaendern ?!" – "Niemand natuerlich! - Auf die gleiche Weise behalten wir die gleichen Traditionen der Ikonographie bei, denn fuer uns ist es des Credo in Farben – das gemalte Glaubensbekenntnis."

Von Prof. Yakiv Krekhovetsky