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Ikonen - Reisebegleiter für Manager

4. März 2001, 00:00 Uhr

Mittelalterliche Ikonen stehen bei Sammlern hoch im Kurs. Religiöse Bilder der Ostkirche werden zwischen 1800 und einer Million Mark gehandelt

Zinnober- und Karmesin-Rot, hell-, dunkelrot, gepaart mit Erd- und Goldtönen - kein europäischer Künstler des christlichen Mittelalters wagte je, so viele Facetten der symbolträchtigen Farbe Rot auf einer Fläche zu vereinen, wie einst die Ikonenmaler der berühmten Schulen von Moskau und Nowgorod. Die malenden Mönche der russischen und griechisch-orthodoxen Kirche verstanden es, die widerstrebenden Töne in eine geheimnisvolle Harmonie zu bringen. Ob Gottesmutter, Christus oder die Heiligen - alle Figuren strahlen meditative Ruhe und Spiritualität aus. Der geheimnisvollen Magie der Ikone sind schon viele Manager und Firmenchefs erlegen. Sie erwerben Haus- und Reise-Ikonen auf Messen und im Handel (rund 1800 Mark). Für eine Verkündigung aus der Moskauer Malerschule des 15. Jahrhunderts müssen allerdings über 200 000 Mark gezahlt werden.Bei sachgemäßer Behandlung (kein grelles Sonnenlicht, ausgewogenes kühles Raumklima) schimmern die in Eitempera auf Holz gemalten religiösen Motive auch noch nach über 500 Jahren in ihrer ursprünglicher Farbenpracht, bestätigen die beiden führenden Ikonen-Galeristen Maria Rutz, Düsseldorf und Jan Morsink, Amsterdam. Beide gelten bereits in zweiter Generation europaweit als erste Adressen, die weltweit private und öffentliche Sammlungen beliefern. Rutz ist auf großen deutschen Messen (Köln und München) vertreten, Morsink auch auf der wichtigsten Antikmesse "Tefaf" in Maastricht, die am 10. März eröffnet wird. Beide Händler lassen die Werke in Westeuropas bedeutendstem Ikonenmuseum in Recklinghausen auf Provenienz und Echtheit prüfen. Die älteste Ikonensammlung, mit Werken aus dem sechsten Jahrhundert ist heute im Katharinenkloster am Sinai zu bewundern. Seit dem Konzil von Nizäa (787) und der Synode von Konstantinopel (843) gilt die Ikone als Abbild der heiligen Kräfte. Sie steht an der Grenze zwischen Diesseits und Jenseits. Rund 1000 Jahre ist der Stil in Russland und im östlichen Mittelmeerraum unverändert geblieben. Anita Rutz führt ihr Faible für die religiöse Kunst auf ihren Urgroßvater, einem Herrgottschnitzer in Oberammergau, zurück. Ihre Mutter, eine Kunsthändlerin, eröffnete 1952 in München und Düsseldorf Antiquitätengeschäfte. Wie Morsink bietet auch sie vorwiegend russische Ikonen des 16. bis 19. Jahrhundert an. Ikonen aus dem späten 19. Jahrhundert sind wegen ihrer Nähe zum Jugendstil kaum gefragt.Eine kleinformatige russische Ikone des 18. Jahrhunderts, "Christus lehrt im Tempel", kostet bei Rutz 2500 Mark, die mittelformatige "Erweiterte Deesis" von 1700 ist für 18 500 Mark zu haben, ein opulent gestaltetes Triptychon von 1800 für 25 000 Mark. Ein beliebtes Festtags-Motiv "Auferstehung und Höllenfahrt", um 1900 entstanden, gibt es bereits für 7500 Mark und so genannte Prozessions-Ikonen des 16. und 17. Jahrhundert kosten bei beiden Händlern zwischen 20 000 und 80 000 Mark. Großformatige, frühe Ikonen, die nur geringfügig restauriert sein dürfen, liegen zwischen 100 000 und 300 000 Mark. So auch eine "Trinität", 16. Jahrhundert, aus dem nordrussischen Pskov (bei Morsink). Auf dem knapp ein Meter hohem Bild scharen sich drei Engel um einen Tisch mit Sara und Abraham. Tiefrote Töne stehen im Kontrast zum goldenen Hintergrund. Hier gilt die Faustregel: Je älter, je originaler der Zustand, je leuchtender und prachtvoller, desto teurer das Bild. Rar und teuer sind auch Ikonen aus dem mittelalterlichen Griechenland (über eine Million Mark). Sie sind mit jenen vergleichbar, die von namhaft bekannten griechischen und russischen Ikonenkünstlern stammen, beispielsweise Dionissi oder dem Moskauer Andrej Rublev, der Leonardo unter den Ikonenmalern. Das Gros der Meister ist anonym geblieben. Die Mönche malten nicht zum eigenen Ruhm, sondern zu Ehren Gottes.

Informationen: Maria Rutz, Tel: 0211/4912422, Morsink, Tel: 0031/20/6200411

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