Wenn über die gegenseitige Beziehung von Bild und Sprache geurteilt wird, so werden fast durchgehend die scheinbar unüberbrückbaren Gegensätze betont. In der weitaus gängigsten Typologie von Zeichen in indexikalische, ikonische und symbolische nehmen sprachliche Bezeichnungen die Stelle der arbiträren Symbole ein. Bilder seien dagegen nicht-arbiträre Ikone. Trotz der überzeugenden Kritik etwa durch Umberto Eco oder Nelson Goodman wird Bildern immer noch die spontan verständliche Ähnlichkeit mit dem Dargestellten zugesprochen. Sprachliche Zeichen seien dagegen selbst in jenen Fällen, wo sie der Ikonizität am nächsten zu stehen scheinen (Onomatopoesie), eindeutig konventionell und ihre Verstehbarkeit sei an Lernprozesse gebunden (u.a. Keller). Sagen (Wort) und Zeigen (Bild) sind scheinbar zwei säuberlich getrennte Modi der Erzeugung von Bedeutung. Diese Ansicht steht jedoch seit der Geburtsstunde der abendländischen Sprach- und Bildtheorie auf dem Prüfstand theoretischer Reflexionen (Platons “Kratylos”). Im Workshop wird diese Ansicht einer erneuten Prüfung unterzogen. Es wird insbesondere die Logik der Zeichentypologie zu untersuchen sein sowie die Schnittstellen und Überschneidungen zwischen verschiedenen Zeichen und Zeichentypen. Im Vordergrund stehen dabei die Kategorien Ikon und Symbol. Das Reich der Zeichen umfasst eine ganze Palette von sog. Mediamorphosen, bei denen der menschliche handelnde Umgang mit Bild- und Sprachmitteln neue (unerwartete) Objekte entstehen lässt, die die eindeutige Kategorisierung im Raster Ikon – Symbol erschweren oder gar unmöglich machen. Beispielhaft möchte der Figurentext und -buchstabe “die ältesten Gegensätze unserer alphabetischen Zivilisation überspielen: zeigen und nennen; abbilden und sagen, reproduzieren und artikulieren; nachahmen und bezeichnen; schauen und lesen” (Foucault). Von der genuinen Ikonizität der Sprache wird verstärkt insbesondere in jenem Bereich gesprochen, wo sie sichtbar wird, d.h. im Bereich der Schriftsprache. Nicht nur reflexive Kulturtechniken wie die Konkrete Poesie können als die Arbeit an der Sichtbarkeit von Schrift verstanden werden, sondern jede Art des Schreibens. So haben sich seit der scriptio continua des Mittelalters in der westlichen Literalität zahlreiche ideographische Elemente wie z.B. Absatz- und Kapitelmarkierungen eingebürgert, die als ein Sichtbarmachen von Inhaltsaspekten des Textes zu werten sind, die kein Äquivalent auf der Lautebene haben (u.a. Raible). Schriftliche Texte sagen nicht (mehr) nur, sondern zeigen etwas. Schriftlogos, Schriftgraffiti, Initiale, Kalligraphien etc. sind andere jeweils spezifische Hervorhebungsformen der Sichtbarkeit von Schrift, bei denen erfahrungsgemäß bereits dem Normalbetrachter die Kategorisierung als Bild, bzw. Sprache besonders schwer fällt. Die Zeichentheorie blieb trotz der hier lediglich angedeuteten Vielfalt an Überschneidungsvarietäten zwischen Bild und Sprache eine Antwort auf die Frage schuldig: “Was geschieht, wenn sich verschiedene Formen der Signifikation innerhalb eines Zeichens bekriegen?” (Groß). Der Workshop greift genau diese Fragestellung auf und versucht sie mit Hilfe eines bewußt offenen Pensums von Phänomenen und theoretischen Zugangsweisen zu beantworten. Die auszulotende Leitfrage der Veranstaltung lautet: Wie wird Bedeutung an der Schwelle zwischen Ikon und Symbol generiert? Dr. Jürgen Reischer, Universität Regensburg „Symbole und Ikone – Konvergenzen und Divergenzen“